Ben Moores Arbeit ist höchst theoretisch – der Astrophysiker versucht zum Beispiel mit Hilfe von Supercomputern die Entstehung des Universums zu simulieren. Seinen Hauptwohnsitz hat der Brite in Davos GR, wo er auch sein neustes, populärwissenschaftliches Buch über den Mond schrieb. Wir haben ihn in Zürich getroffen, wo Moore als Professor an der Uni tätig ist.
BLICK: Ben Moore, was löst das 50. Jubiläum der ersten Mondlandung bei Ihnen aus?
Ben Moore: Leider war ich zu klein, um mich an den Moment zu erinnern, als Neil Armstrong als erster Mensch den Mond betrat. Aber die letzte bemannte Mondlandung im Jahr 1972 hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Erzählen Sie!
Mein Vater, er war Förster, ging mit mir nach draussen. Ich war sechs Jahre alt. Wir schauten zum Mond, der zu drei Vierteln voll war, und bildeten uns ein, dass wir die Kommandokapsel sehen konnten, die um den Mond herum kreiste.
Zwölf Jahre vor der ersten Mondlandung schickten die Sowjets mit dem Hund Laika das erste Lebewesen in den Orbit. Es starb im All. Das hat Kinder jahrzehntelang beschäftigt. Sie auch?
Ich war schockiert, als ich das erste Mal davon hörte. Es gab auch Erwachsene, die sich daran störten, obwohl das ein bisschen scheinheilig war. Die meisten hatten ja nichts dagegen, Tiere zu essen, die ebenfalls leiden.
Sind Sie Vegetarier?
Ich habe in meinem ganzen Leben kein einziges Mal Fleisch probiert. Meine Eltern waren wahrscheinlich die ersten Vegetarier Nordenglands, wo ich aufgewachsen bin.
Zurück zum Mond: Was ist in Ihren Augen die grösste Erkenntnis, die wir durch die Apollo-Missionen gewannen?
Aus wissenschaftlicher Sicht: Dass der Mond einmal ein Teil der Erde gewesen ist. Das beweist die Beschaffenheit der Steinproben, die Astronauten vom Mond zurückbrachten. Sie haben dieselbe Atomstruktur wie das Gestein auf der Erde.
Woran glaubte die Wissenschaft davor?
Dass der Mond ein kleiner Planet war, der von der Erdanziehung eingefangen wurde. Weil der Mond keine Atmosphäre hat, kein Wind auf ihm weht und kein Regen auf ihm fällt, ist er eine Art Museum für die Entstehung des Sonnensystems. Seine Oberfläche ist unberührt. Bis auf die Krater, die durch den Aufprall von Asteroiden entstanden.
Wie alt sind die Krater?
Einige der grössten entstanden vor vier Milliarden Jahren. Dass man so etwas Altes von der Erde aus mit blossem Auge betrachten kann, ist doch ziemlich cool!
Man sagt, die ersten Fotoaufnahmen aus dem All, die den Globus erstmals als Ganzes zeigten, habe die Art, wie sich die Menschheit selbst betrachtet, komplett verändert. Weshalb?
Dass sich die ganze Geschichte der Menschheit auf dieser kleinen, blauen Kugel abspielt, die vom Schwarz des unendlichen Alls umgeben ist, liess uns als Individuen unbedeutend erscheinen.
Gleichzeitig förderte der Anblick wohl auch das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Vom Weltall aus sieht man keine Landesgrenzen …
Vielleicht haben die Menschen einen Moment lang ihr Stammesdenken vergessen. Sicher ist: Die Apollo-Missionen haben gezeigt, wozu wir fähig sind, wenn Motivation und Ressourcen vorhanden sind. Die erste Mondlandung ist eine der grössten Errungenschaften der Menschheit. Auch wenn sie ein Ergebnis der ideologischen Schlacht zwischen Kommunismus und Kapitalismus war.
Man sagt, die Mondlandung der Amerikaner von 1969 sei massgeblich am Ende des Kalten Kriegs beteiligt gewesen. Wie sehen Sie das?
Der Kalte Krieg dauerte danach noch ziemlich lange. Das Space Race war jedoch eine wichtige Zerstreuung, in die viel Geld und Effort gesteckt wurde und die alle westlichen Länder vereinte. Ich mag mir nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn es sie nicht gegeben hätte.
Sie bedauern, dass die Menschheit seit den 60er-Jahren nicht weiter ins All vorgedrungen ist als zum Mond. Jetzt, wo es den Kalten Krieg nicht mehr gibt, braucht es vielleicht eine neue Antriebskraft, oder nicht?
Es gibt etwas, was die ganze Welt vereinen könnte: der Kampf gegen die Erderwärmung. Die Rettung unseres Planeten muss unser wichtigstes gemeinsames Ziel sein.
Was hat das mit der Erkundung des Weltalls zu tun?
Wenn verschiedene Länder es schaffen, dort zusammenzuarbeiten, gelingt es ihnen vielleicht auch auf der Erde.
Das Apollo-Programm hätte auf heutige Verhältnisse umgerechnet weit mehr als 100 Milliarden US-Dollar gekostet. Warum sollte jemand für die Raumfahrt so viel Geld ausgeben, wenn der Kampf gegen den Klimawandel Priorität hat?
100 Milliarden sind viel Geld. Doch zum Mond zurückzukehren, würde weniger als ein Prozent von dem kosten, was jährlich global für Militärisches ausgegeben wird.
Was hätten wir konkret davon?
Der Mond ist das Sprungbrett zum Mars. Auf ihm werden Menschen irgendwann landen. Es wäre einfacher, vom Mond zu starten als von der Erde, deren Anziehungskraft rund sechsmal grösser ist als die des Mondes. In den Tiefen von dessen Krater hat es Milliarden Tonnen an gefrorenem Wasser. Wenn es gespalten wird, könnte es als Treibstoff für Raketen dienen. Der Mond ist aber auch ein Testlabor für die Einflüsse des Alls auf den menschlichen Körper.
Wie meinen Sie das?
Die Reise zum Mars und zurück könnte bis zu drei Jahre dauern. So lange hat noch nie jemand Zeit im All verbracht. Die Strahlung kann Krebs verursachen, und die Schwerelosigkeit führt dazu, dass sich die Knochen abzubauen beginnen. Sogar unsere DNA verändert sich ein bisschen. Wir müssen herausfinden, wie unser Körper diese Reise überleben kann.
Der Mond zieht den menschlichen Körper auf der Erde an, wie Sie in Ihrem Buch schreiben. Wenn er direkt über einem steht, ist man also ein bisschen leichter als sonst.
Leider nützte es nichts, in diesem Moment auf eine Waage zu stehen, denn auch sie wird von der Anziehungskraft des Mondes nach oben gezogen.
Sie haben viel zum Einfluss des Mondes auf die Gezeiten geforscht. Offenbar zieht der Mond nicht nur das Wasser der Ozeane an, sondern auch den Erdmantel selbst. Warum hat das keinen Einfluss auf den Schienenverkehr und Ähnliches?
Auf einer Distanz von 5000 Kilometern hebt sich die Erde um rund einen halben Meter an. Das ist äusserst wenig.
Was würden Sie jemandem raten, der bei Vollmond schlecht schläft?
Die Vorhänge zu schliessen. Licht kann einen beim Schlafen stören.
Wie wird es in fünfzig Jahren auf dem Mond aussehen?
Ich könnte mir vorstellen, dass ein paar Milliardäre auf den verglasten Terrassen ihrer Villen sitzen und bei einem Glas Rotwein die Erdkugel betrachten. Heute kostet es mehr als 10'000 Franken, Ware von nur einem Kilogramm ins All zu schicken. Es wäre also eine teure Flasche Wein.
Sie fantasieren in Ihrem Buch über Olympische Spiele auf dem Mond. Könnten Sie sich so etwas wirklich vorstellen?
Warum nicht?
Welche Disziplinen würden da bestritten? Hochsprung?
Zum Beispiel. Oder stellen Sie sich mal vor, wie weit ein Speer auf dem Mond fliegen würde.
Ben Moore: «Mond – eine Biografie» (Kein & Aber)
Ben Moore (53) ist Professor für Astrophysik. Der Brite befasst sich unter anderem mit der Entstehung von Planeten und ihren Monden. Moore wohnt seit 2002 in der Schweiz, wo er an der Universität Zürich lehrt und forscht, zum Beispiel über die mögliche Existenz von ausserirdischem Leben. Daneben produziert er elektronische Musik und schreibt Kolumnen. Moore ist verheiratet, Vater zweier Kinder und hat einen Hund Namens Bertrand Russell.
Ben Moore (53) ist Professor für Astrophysik. Der Brite befasst sich unter anderem mit der Entstehung von Planeten und ihren Monden. Moore wohnt seit 2002 in der Schweiz, wo er an der Universität Zürich lehrt und forscht, zum Beispiel über die mögliche Existenz von ausserirdischem Leben. Daneben produziert er elektronische Musik und schreibt Kolumnen. Moore ist verheiratet, Vater zweier Kinder und hat einen Hund Namens Bertrand Russell.