Romano Agola (57) gräbt nach Schätzen der Vergangenheit Print: Der Schlacht auf der Spur
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Freiwillige helfen Archäologen:Romano Agola (57) gräbt nach Schätzen der Vergangenheit

Freiwillige helfen Archäologen in der ganzen Schweiz
Romano Agola (57) gräbt nach Schätzen der Vergangenheit

Mit einem Metalldetektor entlockt Romano Agola dem Erdreich seine Schätze – im Dienste des Kantons Zug. Wir haben ihn auf der Spurensuche nach der Schlacht am Gubel begleitet – und gelernt, wieso manche privaten Schatzsucher zu Räubern werden.
Publiziert: 04.10.2021 um 15:00 Uhr
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Schatzsucher Romano Agola (57) durchkämmt seit 41 Jahren die Schweizer Wiesen und Wälder nach historischen Fundstücken.
Foto: Lea Ernst

Wie erstarrt beobachten die Kühe aus dem Nebel, wie Romano Agola (57) das Wiesenstück neben ihrer Weide auf und ab geht. Mit seinem schwarzen Stock wischt er von links nach rechts und wieder nach links. Alle paar Meter schrillt ein blechernes Piepen durch das Gebimmel der Kuhglocken. Daraufhin zückt er seine Schaufel, gräbt ein kleines Loch, kniet nieder und begutachtet seinen Fund. Denn Agola ist Schatzsucher.

«Heute zwar eher Schlachtsucher», sagt der Waadtländer. Als freiwilliger Prospektor, wie seine Tätigkeit fachgerecht genannt wird, durchkämmt er für die Archäologischen Dienste der Kantone mit seinem Metalldetektor die Wiesen und Wälder nach Fundstücken aus der Vergangenheit. Schon nach fünf Minuten zieht er eine grosse goldige Münze aus dem frisch gebuddelten Loch. Doch: «Bloss ein Schoggi-Taler», brummt er. Und lässt das falsche Gold im Abfallsack verschwinden.

Die Schlacht am Gubel

Agola steht auf dem Gubel, einer Anhöhe im Kanton Zug. Auf der einen Seite blitzt der Zugersee durch die Nebelschwaden, auf der anderen der Ägerisee. Der «Schatz», den Agola an diesem Herbstmorgen finden will: historische Beweisstücke. Denn hier oben, irgendwo zwischen den nebelverhangenen Hügeln, hat vor 490 Jahren die Schlacht am Gubel stattgefunden.

Mitten in der Nacht haben damals rund 700 Katholiken das etwa 5000-köpfige Heer der Reformierten überrascht, die am Gubel ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten. Auf reformierter Seite sollen es 800 Tote gewesen sein, aufseiten der Katholiken bloss 87 Gefallene. So die Überlieferung. «Aber man weiss ja, wie das ist», sagt Agola, «die Gewinner übertreiben da oft ein bisschen mit den Zahlen.»

«Wenn Menschen kämpfen, hinterlassen sie eindeutige Spuren»

Mit der Schlacht am Gubel und der Niederlage der Reformierten endete der Zweite Kappelerkrieg – worauf vorübergehend ein friedliches Miteinander der Katholiken und Reformierten einkehrte. Dass es ein Gefecht am Gubel gegeben hat, ist überliefert. «Nur wurde das Schlachtfeld nie gefunden», sagt Agola. «Und wenn Menschen kämpfen, hinterlassen sie in der Regel eindeutige Spuren in der Erde, wie Messer oder Gewehrkugeln.» Und nach denen sucht er hier oben seit über zwei Jahren.

Bei der Spurensuche vermischt sich Geschichte mit Erinnerungen. So ist sich ein Bauer von hier oben sicher, die Schlacht habe beim Rotenbach stattgefunden – schliesslich trage der Bach seinen Namen vom vielen Blut, das ihn damals rot eingefärbt habe.

Historische Zeichnungen zeigen hingegen einen steilen Abhang, von dem die Reformierten beim Rückzug links und rechts hinuntergefallen seien. «Aber wo sich ein solcher Abhang befinden soll, ist mir ein Rätsel», sagt Agola. Zudem können sich Ortsnamen über die Jahre verschieben, was die Suche zusätzlich erschwert. Zur Vorbereitung durchsucht Agola historische Quellen nach Hinweisen und vergleicht alte und neue Karten. Oft brauche die Vorbereitung für ein Projekt doppelt so lange wie die Suche selbst.

Müll und Münzen

Die Ausbeute nach einer Stunde: ein alter Türnagel, ein Einfränkler aus dem Jahr 1937 – und Unmengen an Abfall. «Man glaubt kaum, was die Leute alles wegschmeissen», sagt Agola. Bei etwa jedem zweiten Mal ist ein Stück Alufolie oder eine Patronenhülse der Auslöser für das Signal seines Metalldetektors.

Insgesamt seien etwa 99,9 Prozent der Funde Müll. Agola sammelt ihn trotzdem ein, um ihn später zu entsorgen. In seinem Auto steht bereits eine ganze Kiste gefüllt mit rostigen Gabeln, Patronenhülsen oder Aludosen. Der Abfall der letzten zwei Tage.

Und doch: In den 41 Jahren als Metallsuchgänger hat Agola mithilfe seines Detektors bereits Münzschätze, Bronzefiguren und eine unbekannte Keltenstadt ans Tageslicht befördert. «Natürlich sind das schöne Funde», sagt er. Doch noch viel schöner sei es, neue archäologische Zusammenhänge aufzudecken. «So ist zum Beispiel ein altes Hufeisen kein spezieller Fund. Doch finde ich viele davon in einer Linie, kann ich daraus schliessen, dass an dieser Stelle einst ein Weg durchgeführt hat. Und durch diese Gesamtbetrachtung wird die Forschung erst so richtig interessant.»

Agola war 14 Jahre alt, als er auf einem Kartoffelfeld eine römische Münze findet. «Da wurde mir bewusst: Ich bin vielleicht die erste Person, die dieses Geldstück in den Händen hält, seit es der Besitzerin aus der Tasche gefallen ist. Das hatte etwas Berührendes.» Mit 16 kaufte er sich vom ersten Lehrlingslohn einen Metalldetektor. Mittlerweile gilt er als Koryphäe im Fach und arbeitet gegen Spesenentschädigung mit mehreren Kantonen zusammen.

Der Fluch der illegalen Raubgräber

In der Schweiz ist die Suche mit einem Metalldetektor bewilligungspflichtig. Detektorgänger wie Romano Agola sind als ehrenamtliche Mitarbeiter in die kantonalen Fachstellen für Archäologie eingebunden, sagt Ellen Thiermann (45) von der Archäologie Schweiz. «Das ist meist zum Vorteil beider Seiten.»

So helfen die Ehrenamtlichen, die oft sehr grossen Gebiete zu überprüfen oder gezielte Untersuchungen durchzuführen, für die es den kantonalen Fachstellen oft an Ressourcen fehlt. «Ausserdem tragen sie durch ihre Präsenz häufig dazu bei, illegale Detektorgängerei einzudämmen», so Thiermann.

Denn die illegale Schatzsuche ist für die Archäologie höchst problematisch. Raubgräber, also Schatzsucher ohne Bewilligung des Kantons, schaufeln Fundgegenstände aus dem Boden, ohne den Kontext, also alle wichtigen Informationen zum Umfeld des Fundes, zu dokumentieren oder die Funde abzugeben.

«Sowohl der Fund selbst als auch alle dazugehörigen Informationen gehen dem archäologischen Wissen und damit unserem gemeinsamen archäologischen Erbe verloren», sagt Thiermann. Deshalb gibt es eine Abgabepflicht für archäologische Funde. Und eine saftige Busse für illegale Suchende.

Zwei Hinweise auf einen Schlag

Agola durchkämmt mittlerweile ein neues Feld. Das Kuhglockengebimmel ist dem Krächzen eines Raben gewichen. Ganz in der Nähe steht die kleine Schlachtkapelle, bei der sich die katholischen Innerschweizer am 24. Oktober 1531 vor dem Überfall auf die Reformierten zum Gebet versammelt haben sollen. Der Bauer des Feldes, den Agola vorher um Erlaubnis gebeten hat, war sich sicher: «Die Schlacht war doch ganz vorne auf dem Gubel, wo heute das Kloster steht.» Doch da hat Agola bereits alles abgesucht.

«Meine Befürchtung ist, dass der Kampf auf dieser Ebene dort unten stattgefunden hat», sagt er und zeigt bergabwärts auf ein eingezäuntes Areal. «Ein Truppenübungsplatz des Militärs», sagt Agola und blickt wieder vor seine Füsse.

Und plötzlich: gleich zwei interessante Funde nacheinander. Ein Ortband, der metallene Teil an der Spitze einer Schwert- oder Dolchscheide. Und eine Eisenkugel. «Könnte möglicherweise eine Kugel einer Hakenbüchse sein», so Agola. «In der Schlacht am Gubel hatten sie bereits Gewehre», erinnert er sich.

Sorgfältig misst Agola die beiden eventuell historischen Belegstücke ein. Das heisst, er dokumentiert Koordinaten der Fundstellen sowie die Tiefe der Grabung. «Diese Faktoren sind für den archäologischen Dienst für die Datierung und die historische Einordnung enorm wichtig», sagt er. Danach verpackt er die von Erde verklebten Schätze in Plastiktüten. Zusammen mit den Fundberichten liefert er die eingemessenen Stücke jeweils beim Kanton ab.

Vom Boden zum Betrachter

Beim Archäologischen Dienst Zug werden die Funde dann gereinigt, datiert, fotografiert, gegebenenfalls restauriert und in die Datenbank eingetragen. Die Lizenz zum Graben sei begehrt. «Wir arbeiten etwa mit 30 ehrenamtlichen Detektorgängerinnen zusammen», sagt Eva Roth Heege (58), Leiterin der Abteilung Inventare und Funde.

Auftrag der Archäologie sei gemäss Roth Heege, die unter der Erde verborgenen Funde zu untersuchen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. «Wir versuchen, die Funde in einen historischen Zusammenhang zu setzen, sodass die Zugerinnen und Zuger so viel wie möglich über die Geschichte ihres Kantons erfahren können. Ein Teil der Funde wird dem kantonalen Museum für Urgeschichte(n) übergeben und ausgestellt», so Roth Heege.
In dessen Vitrinen strahlen auch viele Funde von Romano Agola.

Nach ein paar Stunden klappt Agola seinen Metalldetektor zusammen. Schluss mit Spurensuche für heute. Und die Gewehrkugel? «Die kommt jetzt weiter zum Waffenexperten, der Alter und Verwendungszweck bestimmt», sagt Agola. Eigentlich sollte heute sein letzter Tag auf den Spuren der mysteriösen Schlacht am Gubel sein. «Aber jetzt will ich je nach Befund des Waffenexperten im Frühling wiederkommen.»

Drei bedeutende Funde der letzten drei Jahre

Der dänische Goldschatz

Kurz nachdem er sich einen Metalldetektor angeschafft hatte, fand ein dänischer Hobbyschatzsucher einen der bedeutendsten Goldschätze der dänischen Geschichte, wie der Museumsverbund der Stadt Vejle Anfang September 2021 mitteilte. Der 1500 Jahre alte Schatz wiegt fast ein Kilogramm und besteht aus 22 dekorierten Medaillons sowie römischen Münzen, die zu Schmuck verarbeitet wurden. Der Schatz soll ab Februar 2022 im Museum Vejle ausgestellt werden.

Ein seltener römischer Dolch

Was ist vor 2000 Jahren in der Crap-Ses-Schlucht am bündnerischen Julierpass geschehen? Bisherige Waffenfunde – Schleuderbeile, Helmteile sowie ein Schwert – lassen vermuten, dass an dieser Stelle gekämpft wurde. 2019 fand ein ehrenamtlicher Mitarbeiter mithilfe eines Metalldetektors einen römischen Dolch, der mit dem Alpenfeldzug und der Eroberung der Römer im Jahr 16 bis 15 v. Christus im Zusammenhang stehen könnte.
Das Fundstück gab Anlass zu einem neuen Forschungsprojekt, zu dem es 2025 eine Ausstellung geben soll.

Ein römischer Schienenpanzer

Ob der Metallsuchgänger ahnte, dass er gerade einen Jahrhundertfund gemacht hatte, als seine Sonde 2018 in Osnabrück (D) ausschlug? Dort hatten germanische Krieger im Jahr
9 n. Chr. einer römischen Armee aufgelauert und sie fast vollständig vernichtet. Beim Fund handelte es sich um den ersten vollständigen Schienenpanzer eines römischen Soldaten, der mit seinem Geheimnis die Archäologie begeisterte: Auf Schulterhöhe des Panzers wurde eine Halsgeige gefunden, ein typisch römisches Kriegswerkzeug, mit dem Gefangene am Hals gefesselt wurden. Das Nebeneinander von Schienenpanzer und Halsgeige lässt vermuten, dass ein römischer Soldat mit seinem eigenen Unterwerfungssymbol von den germanischen Siegern gefesselt wurde. Ein Schicksal, das das individuelle Leid des Krieges eindrücklich vor Augen führen könnte.

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Was ist vor 2000 Jahren in der Crap-Ses-Schlucht am bündnerischen Julierpass geschehen? Bisherige Waffenfunde – Schleuderbeile, Helmteile sowie ein Schwert – lassen vermuten, dass an dieser Stelle gekämpft wurde. 2019 fand ein ehrenamtlicher Mitarbeiter mithilfe eines Metalldetektors einen römischen Dolch, der mit dem Alpenfeldzug und der Eroberung der Römer im Jahr 16 bis 15 v. Christus im Zusammenhang stehen könnte.
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Ob der Metallsuchgänger ahnte, dass er gerade einen Jahrhundertfund gemacht hatte, als seine Sonde 2018 in Osnabrück (D) ausschlug? Dort hatten germanische Krieger im Jahr
9 n. Chr. einer römischen Armee aufgelauert und sie fast vollständig vernichtet. Beim Fund handelte es sich um den ersten vollständigen Schienenpanzer eines römischen Soldaten, der mit seinem Geheimnis die Archäologie begeisterte: Auf Schulterhöhe des Panzers wurde eine Halsgeige gefunden, ein typisch römisches Kriegswerkzeug, mit dem Gefangene am Hals gefesselt wurden. Das Nebeneinander von Schienenpanzer und Halsgeige lässt vermuten, dass ein römischer Soldat mit seinem eigenen Unterwerfungssymbol von den germanischen Siegern gefesselt wurde. Ein Schicksal, das das individuelle Leid des Krieges eindrücklich vor Augen führen könnte.

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