Jean-Philippe Imparato (57) kann nicht aufhören, zu grinsen. «Das hier war meine erste Amtshandlung als Alfa-CEO», sagt der Franzose, seit 15. Januar 2021 Chef der italienischen Traditionsmarke Alfa Romeo. Am gleichen Tag schlossen sich die Autoriesen PSA (unter anderem Peugeot/Citroën) und Fiat-Chrysler zum Stellantis-Konzern zusammen. Und Imparato schrieb seine zukünftige Modellpalette auf einen Zettel: «2024 ein Kompaktauto, 2025 neuer SUV Stelvio, 2026 neue Limousine Giulia, 2027 neues Oberklasse-Modell.» So einfach geht Produktplanung. Jetzt freut er sich über «sein» erstes erdachtes Modell.
Eigentlich hätte der 4,17 Meter kurze Fünftürer Milano heissen sollen, aber die italienische Regierung legte ein Veto ein, weshalb er nun als Junior anrollt. Buchmässig Alfas erster Stromer, aber eine komplette Modellfamilie mit vier Antriebsversionen. Auch wenn sich mancher schon nicht mehr an diese Autos wird erinnern können: «Der Junior soll jene Kundinnen und Kunden zurückgewinnen, die einst in Mito und Giulietta unterwegs waren», sagt Imparato.
Nicht von der Stange
Auf den ersten Blick siehts nach typischer Stellantis-Technik aus, nur anders verpackt: entweder E-Antrieb mit 156 PS (115 kW), 51 Kilowattstunden (kWh) grosser Batterie und rund 400 Kilometern Reichweite. Oder Mildhybrid mit 136 PS (100 kW) starkem Benziner und E-Maschine im Doppelkupplungsgetriebe – beide Pakete rollen so von Fiat über Opel bis Peugeot schon über unsere Strassen. Aber Imparato hat verstanden, dass das für eine Nobelmarke nicht reicht. Deshalb wirds den Hybrid auch mit mechanischem 4x4 als Q4-Version geben. Und der Stromer wird zur eigenständigen Veloce-Version aufgebrezelt.
«Das sportlichste Auto im Segment», behauptet Produktdirektor Daniel Guzzafame: Ein E-Motor mit üppigen 280 PS (207 kW) treibt die Vorderachse an. Damit in Kurven das Drehmoment von 345 Newtonmetern nicht hilflos auf dem Asphalt scharrt und an der Lenkung zerrt, gibts eine mechanische Differenzialsperre – einmalig bei einem Stromer in diesem Segment. Mehr Platz für mehr Batterie bietet der Veloce natürlich nicht – es bleibt bei 51 kWh; der Mehrverbrauch drückt die Reichweite auf etwa 335 Kilometer. Genaue Zahlen gibts noch nicht, der Veloce ist noch nicht offiziell zugelassen.
Nur beim Bremsen haperts
Auf Testfahrt gehts aufs abgesperrte Stellantis-Testgelände in Balocco (I). Direkte Lenkung mit mehr Rückmeldung als auch schon bei Alfa, der E-Motor spricht vor allem im Dynamik-Modus giftig an. Kehre folgt auf Kehre, die Vorderräder scharren aber nur in den ganz engen Radien – sehr lässig.
Bloss beim Bremsen wirds ungewohnt – das Pedal wirkt schwammig, scheint zunächst gar nicht zu reagieren. Warum? «Wir haben lange diskutiert», sagt Guzzafame. «Den Veloce werden eher sportliche Fahrer wählen, und wenn die gewohnt energisch zutreten, würde die Bremse viel zu hart reagieren.» Beim Laden setzt sich Alfa leider nicht von anderen Stellantis-Stromern ab – mehr als 100 Kilowatt Ladeleistung liegen nicht drin, Wechselstromladen mit 22 kW ist ebenfalls nicht vorgesehen.
Antrieb Elektromotor, 280 PS (207 kW), 345 Nm@1/min, 1-Gang-Getriebe, Frontantrieb mit mechanischem Sperrdifferenzial, Akku 51,0 kWh netto, Laden AC/DC 11/100 kW
Fahrleistungen 0–100 km/h in 5,9 s, Spitze 200 km/h, Reichweite WLTP 625 km
Masse L/B/H 4,17/1,78/1,51 m, Gewicht 1635 kg, Laderaum 400–1265 l
Umwelt k.A.
Preis ab 49'490 Franken, Basis ab 41'490 Franken (Benzin-Hybrid, 136 PS/100 kW ab 31'490 Franken)
Antrieb Elektromotor, 280 PS (207 kW), 345 Nm@1/min, 1-Gang-Getriebe, Frontantrieb mit mechanischem Sperrdifferenzial, Akku 51,0 kWh netto, Laden AC/DC 11/100 kW
Fahrleistungen 0–100 km/h in 5,9 s, Spitze 200 km/h, Reichweite WLTP 625 km
Masse L/B/H 4,17/1,78/1,51 m, Gewicht 1635 kg, Laderaum 400–1265 l
Umwelt k.A.
Preis ab 49'490 Franken, Basis ab 41'490 Franken (Benzin-Hybrid, 136 PS/100 kW ab 31'490 Franken)
Wieder eine neue Designlinie
Optisch hat Alejandro Mesonero (56), Chefdesigner seit 2021, mit der Optik der letzten Neuheit Tonale von 2022 gebrochen: «Typisch Alfa – die Marke hatte nie eine wirklich durchgehende Designlinie», sagt er. Bis auf das Markenwappen namens Scudetto in der Front: Mesonero interpretiert es neu – je nach Motorversion gibts den Alfa-Schriftzug in Schnürlischrift oder ein Wappen in durchbrochener Optik. Passé ist aber das traditionell seitlich montierte Kontrollschild.
Drinnen gibts genug Platz, allein die Rückseiten der Veloce-Sportsitze kommen im Fond den Knien ins Gehege. Die Topversion besticht mit viel Alcantara aus Recycling-Material, das typische Hartplastik gibts vor allem an Türen und der Mittelkonsole. Ob die Basisversion karger wirkt? Wahrscheinlich, aber zu sehen gab es leider keine. Ins Heck passen überraschend üppige 400 bis 1265 Liter Gepäck.
Für neue Fans oder alte Alfisti?
Im Cockpit dominieren zwei Screens für Instrumente und Infotainment – der eine davon liegt allerdings etwas tief. Ebenfalls schade: Statt dem typischen Drehregler für die Fahrmodi gibts Tasten aus dem Stellantis-Regal – und den arg langsam reagierenden Fahrtrichtungsschalter. Pluspunkte sammeln Haptik und Übersicht nach vorne – vorteilhaft auf der engen Teststrecke.
Ist der Junior wirklich ein Auto für eingefleischte Alfa-Fans? Eher für neue Kunden – und solche, denen die übrigen Stellantis-Stromer zu wenig Individualität bieten: Unter ihnen ist der Junior schon König. Mit Hybrid (ab 31'490 Franken) und dem Basisstromer (ab 41'490 Franken) gehts im Herbst los; der Allradler Q4 (noch kein Preis) und der Veloce (ab 49'490 Franken) kommen erst Ende Jahr.