Eine Krise gabs bei Alfa nie. Zumindest nicht von offizieller Seite. Beim italienischen Autobauer beruft man sich stets auf die guten alten Zeiten, die lange Tradition, das einzigartige Design der «Belle Macchine» und auf die unzähligen Fans, die Alfisti, rund um den Globus. Wenn sie eines nicht verloren haben in Turin, dann ist das der Stolz auf ihre Marke. Doch darf man die Augen nicht vor der Gegenwart verschliessen: In den besten Jahren hat Alfa im Jahr rund 200'000 Fahrzeuge gebaut. Doch 2020 (2021er-Zahlen liegen noch nicht vor) waren es knapp über 50'000 – davon nur 36'500 im wichtigsten Markt Europa. Zum Vergleich: VW verkauft dieselbe Menge Golfs pro Quartal – und nur in Deutschland!
Das Alfa-Problem ist hausgemacht: Nur die zwei Mittelklasse-Modelle Giulia und Stelvio stehen noch im Programm. Und bei allem Chic – verglichen zur Konkurrenz sind sie zu teuer und technisch nicht mehr zeitgemäss. Der einstige Mutterkonzern Fiat-Chrysler (FCA) und sein 2018 verstorbener Patron Sergio Marchionne hatten Alfa zu lange darben lassen – und das rächt sich.
Die Chance heisst Stellantis
Der Silberstreif am Horizont heisst Stellantis: Im Januar 2021 gaben FCA-Chef John Elkann (45) und Carlos Tavares (63), damaliger CEO des PSA-Konzerns (u.a. Peugeot, Citroën, Opel), die Fusion zum neuen Mega-Konzern Stellantis bekannt. 14 Marken unter einem Dach – von A wie Abarth bis V wie Vauxhall – sollen dank Technik-Teilete Synergien in Milliardenhöhe schaffen. Obwohl knallharter Sanierer, will Tavares in Alfa und die lange brache Marke Lancia investieren und sie neben Citroëns Edel-Brand DS auf Premium trimmen.
John Elkann, neuer Präsident von Stellantis, frohlockt deshalb nach der Mega-Fusion: «In dieser neuen Gruppe wird es für Alfa und Lancia wesentlich grössere Möglichkeiten als in der Vergangenheit geben.» Tavares' Bedingung: Zehn Jahre haben die Marken Zeit, sich zu etablieren. Die Uhr tickt.
Keine Zukunft ohne Strom
Der Mann, der Alfa in die neue Zeitrechnung führen soll, heisst Jean-Philippe Imparato (55): Der gebürtige Franzose lenkte unter Tavares schon Peugeot zurück auf die Erfolgsspur. Seit Anfang 2021 sitzt er als CEO von Alfa am Steuer. Imparato weiss, um was es geht: «Das Wichtigste, um Alfa zu erhalten und wieder nach vorne zu bringen, ist wirtschaftliche Rentabilität.» Doch genauso wichtig seien die Emotionen für die Marke und ihre Modelle. Dass diese Emotionen in Zukunft weniger Verbrenner als E-Motoren auslösen müssen, war Imparato vom ersten Tag an klar. Auch Alfa müsse den Weg in die Elektrifizierung einschlagen. Denn: «Gehen wir ihn nicht, sind wir tot.» Man wolle die Sportlichkeit der Marke fürs 21. Jahrhundert neu erfinden.
Herr Imparato, endlich ist der Kompakt-SUV Tonale enthüllt. Warum gibt es ihn nur als Hybrid und nicht auch rein elektrisch?
Jean-Philippe Imparato: Weil es aus meiner Sicht noch keinen Sinn ergibt, nur noch auf rein elektrische Modelle zu setzen. Zum einen wegen der fehlenden Reichweite, zum anderen wegen der Ladegeschwindigkeit, die noch besser werden muss. Wir sind mitten in einem Wandel, deshalb haben wir uns für zwei Mildhybride und den Plug-in-Hybrid entschieden. Für Vielfahrer bieten wir zudem weiterhin einen Diesel an.
Wann kommt der erste rein elektrische Alfa?
Wir wollen jedes Jahr ein neues Modell lancieren. Jetzt der Tonale, 2023 folgt ein weiteres wichtiges Modell. 2024 kommt dann der erste rein elektrische Alfa, von dem es aber noch Hybridvarianten geben wird. 2025 präsentieren wir das allererste Modell der Markengeschichte, dass es ausschliesslich mit E-Antrieb geben wird. Und ab 2027 wird unsere komplette Flotte elektrifiziert sein.
Kommen noch mehr SUVs oder auch wieder Limousinen?
SUVs und andere Modelle. Mehr SUVs, weil sie vom Weltmarkt verlangt werden. Und letztlich muss Alfa Geld verdienen. Doch ich verspreche Ihnen, dass diese SUVs wunderschön werden. Wir bieten aber auch wieder Limousinen an; etwa die Neuauflage der Giulia. Und natürlich gehören die sportlichen Quadrifoglio-Varianten weiterhin zur Alfa-DNA – auch elektrische. Diese DNA will ich nicht sterben lassen.
Welche Rolle nimmt Alfa im Stellantis-Konzern ein?
In zehn Jahren werden wir die globale Premium-Marke bei Stellantis sein. Darüber steht Maserati als weltweite Luxusmarke, DS bringt französischen Luxus für Europa und Jeep ist die globale SUV-Marke.
Herr Imparato, endlich ist der Kompakt-SUV Tonale enthüllt. Warum gibt es ihn nur als Hybrid und nicht auch rein elektrisch?
Jean-Philippe Imparato: Weil es aus meiner Sicht noch keinen Sinn ergibt, nur noch auf rein elektrische Modelle zu setzen. Zum einen wegen der fehlenden Reichweite, zum anderen wegen der Ladegeschwindigkeit, die noch besser werden muss. Wir sind mitten in einem Wandel, deshalb haben wir uns für zwei Mildhybride und den Plug-in-Hybrid entschieden. Für Vielfahrer bieten wir zudem weiterhin einen Diesel an.
Wann kommt der erste rein elektrische Alfa?
Wir wollen jedes Jahr ein neues Modell lancieren. Jetzt der Tonale, 2023 folgt ein weiteres wichtiges Modell. 2024 kommt dann der erste rein elektrische Alfa, von dem es aber noch Hybridvarianten geben wird. 2025 präsentieren wir das allererste Modell der Markengeschichte, dass es ausschliesslich mit E-Antrieb geben wird. Und ab 2027 wird unsere komplette Flotte elektrifiziert sein.
Kommen noch mehr SUVs oder auch wieder Limousinen?
SUVs und andere Modelle. Mehr SUVs, weil sie vom Weltmarkt verlangt werden. Und letztlich muss Alfa Geld verdienen. Doch ich verspreche Ihnen, dass diese SUVs wunderschön werden. Wir bieten aber auch wieder Limousinen an; etwa die Neuauflage der Giulia. Und natürlich gehören die sportlichen Quadrifoglio-Varianten weiterhin zur Alfa-DNA – auch elektrische. Diese DNA will ich nicht sterben lassen.
Welche Rolle nimmt Alfa im Stellantis-Konzern ein?
In zehn Jahren werden wir die globale Premium-Marke bei Stellantis sein. Darüber steht Maserati als weltweite Luxusmarke, DS bringt französischen Luxus für Europa und Jeep ist die globale SUV-Marke.
Ausgerechnet ein SUV
Das erste Modell dieser elektrifizierten Sportlichkeit ist – ausgerechnet – ein SUV. Für die Fans der Marke ist das eher ernüchternd. Doch der neue Tonale, so heisst der 4,53 Meter lange Kompakt-SUV, könnte Alfa das dringend benötigte Verkaufsvolumen bringen. Der Start des Tonale, der optisch stark an die 2019 am Genfer Autosalon vorgestellte Studie erinnert, musste auch fusionsbedingt mehrfach verschoben werden.
Doch auch der Chef hätte bei Amtsantritt noch Einwände gehabt – so erzählt man sich. Konkret war Imparato wohl der Plug-in-Hybrid-Antrieb des Tonale-Topmodells nicht stark genug. Statt 240 PS Systemleistung wie im Technikspender Jeep Compass wuchten Verbrenner und E-Maschine nun 275 PS auf die vier Antriebsräder. Mit dem 15,5-kWh-Akku sollen bis zu 60 Kilometer rein elektrisch drinliegen.
Zum Marktstart im Juni wird es den Tonale aber vorerst nur als Mildhybrid-Variante mit 130 oder 160 PS geben, bei dem der Benziner von einem in der 7-Gang-Automatik integrierten E-Motor unterstützt wird. Kurz darauf folgt ein Diesel (130 PS), bevor Ende Jahr das Plug-in-Topmodell lanciert wird. Zu den Preisen schweigt Alfa noch – für weniger als 40'000 Franken wird der Hoffnungsträger Tonale aber wohl kaum zu haben sein.
Alles elektrisch bis 2027
Aus der Zukunftsstrategie machen die Italiener dagegen kein Geheimnis: jedes Jahr ein neues Modell, darunter 2024 der erste reine Stromer der Firmengeschichte. Ab 2027 soll dann die gesamte Palette elektrifiziert sein. Die Metamorphose, wie Imparato die Elektrifizierungsstrategie nennt, hat bei Alfa begonnen. Doch wichtiger als der blosse Plan sei dessen schnellstmögliche Umsetzung. «Sonst bauen wir wieder nur Luftschlösser», warnt Imparato. Und das kann sich die Marke unter Tavares definitiv nicht mehr leisten.