Drei Männer im Anzug auf dem Weg zur Automesse. «Wohin gehen wir zuerst?», fragt der eine die Kollegen. «Audi, Porsche oder VW?» Das schallende Gelächter zeigt: Alle drei wissen, dass sie hier am 89. Mondial de l'Auto (noch bis heute) vergebens nach Messeständen dieser Marken suchen würden. Noch 2018 war der Pariser Autosalon eine der wichtigsten Automessen der Welt; Heimspiel für die französischen Marken, denen die europäische Konkurrenz möglichst die Schau zu stehlen versuchte. Schon damals gabs zwar weniger Aussteller als auch schon – aber das hoffte man künftig mit frischen Konzepten in den Griff zu bekommen.
Doch dann zogen die Corona-Pandemie, Absatzeinbrüche wegen Lieferproblemen und die Inflation im Zuge des Ukraine-Kriegs auf. Und nun hilft kein neues Konzept dem Mondial mehr auf die Beine. Alpine, Dacia, DS, Peugeot, deren US-Schwester Jeep und Renault halten noch das Fähnchen der Etablierten hoch: Alpine zeigt die Designstudie Alpenglow, Peugeot den Crossover 408, und Renault fährt gleich drei echte Neuheiten auf die Bühne. 4Ever Trophy heisst die Studie eines vollelektrischen B-SUVs, dessen Design-Details dem legendären, von 1961 bis 1992 gebauten Renault 4 entlehnt sind. Der dreimotorige Renault 5 Turbo 3E könnte zur Sportversion des 2024 startenden elektrischen Renault 5 avancieren. Ausserdem zog Renault-CEO Luca de Meo (54) das Tuch von der 120 PS starken Elektroversion des Hochdach-Kombis Kangoo. Und Jeep enthüllte mit dem Avenger seinen ersten Stromer und kündigte gleich noch eine kommende 4x4-Version an.
Deutsche Hersteller? Fehlanzeige
Doch alle anderen Marken – und sogar Citroën – glänzen durch Abwesenheit. Stattdessen füllen Start-ups für Mobilitätsservices, Zulieferer und Energieversorger die Hallen. Eine Messe als Potemkinsches Dorf – schaut man hinter die Stände, gibts dort oft nichts als freie Fläche. Das Konzept des Salons auf Mobilität im Allgemeinen zu erweitern – es ist kein Befreiungsschlag, sondern bittere Notwendigkeit, um überhaupt auf eine nennenswerte Zahl von Ausstellern zu kommen.
Überraschungen findet man dennoch. Erstens die neue Marke Hopium: Vor drei Jahren vom französischen Rennfahrer Olivier Lombard (31) gegründet, will das rein französische Unternehmen 2025 mit der Serienversion einer Wasserstoff-Nobellimousine starten, die bis zu 1000 Kilometer mit einer Tankfüllung schaffen soll. Geplant sind 20'000 Autos im Jahr zu einem Stückpreis ab 120'000 Euro. Los gehts in Frankreich, Deutschland und der Schweiz.
Chinesische Marken im Kommen
Und zweitens trumpfen neue Anbieter aus Asien gross auf. Die chinesischen Autobauer Build Your Dreams (BYD) und Great Wall Motors zeigen ihre Angebote für den Start in Europa. Bei BYD sinds drei Modelle mit den SUVs Tang und Atto 3 und der Limousine Han; Great Wall startet mit der Emil Frey Holding als Europa-Importeur mit dem SUV Wey Coffee 01 und dem Kleinwagen Ora Funky Cat. Auch die vietnamesische Marke Vinfast steht vor dem Sprung nach Europa und präsentierte zu den Modellen VF8 und VF9 den neuen Kompakt-SUV VF7. Mit Verbrennern haben alle drei Konzerne nichts mehr am Hut: Dieser Pariser Autosalon ist nicht nur wegen der dünnen Resonanz, sondern auch den flüsterleisen E-Antrieben der Neuheiten eine ruhige Angelegenheit.
Aber plötzlich wirds doch noch sehr, sehr laut: Ein Anlasser orgelt – und dann brüllt ein auf 1000 PS getunter Corvette-V8 los, eingebaut in einen zum Rallye-Boliden aufgebretzelten Fiat Multipla. Szenenapplaus brandet auf; die Menge johlt: Schon nur der Sound adelt den als einen Tiefpunkt des Autodesigns geltenden Bieder-Fiat zum Publikumsmagneten. Angestossen wurde das Projekt des «Milletipla» von zwei französischen Youtubern, die per Fundraising dafür gut 1,1 Millionen Franken sammelten. Influencer aus der Digitalwelt beweisen der Autobranche, dass man einer Motorshow noch Leben einhauchen kann. Ausgerechnet.