Ein Messestand, natürlich wie bei allen anderen kleiner als auch schon. Ein neues Auto auf der Bühne – natürlich rein elektrisch. Und dazu grosse Versprechungen: Alle Modelle fahren spätestens 2025 mit Strom durch Europa, null CO₂-Emissionen im kompletten Konzern bis 2050. Doch wer an der IAA Mobility in München (D) am Renault-Stand die Präsentation der neuen Generation des Scenic verfolgte, könnte einen falschen Eindruck bekommen. Denn beim französischen Autobauer bleibt derzeit kein Stein auf dem anderen.
Dabei ist der Aufbruch bei Renault vor allem mit einem Namen verbunden: Luca de Meo (56). In seiner Karriere bei Fiat und im VW-Konzern zog er meist im Hintergrund die Marketing-Fäden und lernte von Grossen wie Fiat-Boss Sergio Marchionne (1952–2018), was geht – und vor allem: Was nicht geht in der Autoindustrie. Einen Coup landete der gebürtige Italiener aus Mailand dann als Chef der VW-Tochter Seat: Aus dem Label einer blossen Ausstattungsvariante gründete er wie aus dem Nichts die Sportmarke Cupra. Das eröffnete der spanischen VW-Tochter neue Verdienstmöglichkeiten mit eigenständigen und margenträchtigen Modellen bei Cupra, ohne die günstige Preispositionierung bei Seat aufgeben zu müssen.
Mehr zu den Marken im Renault-Konzern
Seit Juli 2020 lenkt de Meo nun den Renault-Konzern. Bei seinem Start steckte der in der Depression: In de Meos Antrittsjahr fuhr er acht Milliarden Euro Verlust ein, die Rentabilität lag am Boden. Dazu der Streit mit Kooperationspartner Nissan um den der Veruntreuung angeklagten einstigen CEO Carlos Ghosn (69) nach dessen Verhaftung und spektakulärer Flucht aus Japan. Zu lange hatte sich der Konzern aufs «Weiter so!» verlassen, die Modellpalette nicht an neue Kundenerwartungen angepasst und sich zwischen dem Einfluss der französischen Gewerkschaften und dem Staat Frankreich als 20-prozentigem Anteilseigner festnageln lassen.
Drei Schritte zur Auferstehung
De Meo strampelte sich frei, entwarf den Konzern auf dem Reissbrett neu. Er holte Vertraute aus Seat-Zeiten und den Ex-Peugeot-Designer Gilles Vidal (50), der nun wie im Akkord Neuheiten entwirft. Und er setzte klare Ziele: Rückkehr in die Gewinnzone bis 2023, Neuaufstellung der Konzernsparten bis 2025 und dann ab in die «Renaulution» – der Aufstieg zum Hightech- und Mobilitätskonzern. De Meo liess die Einstiegsmarke Dacia von billig auf cool bürsten – gerade rechtzeitig, um sie in Zeiten von Inflation und zögerlichen Kundinnen als vernünftige Alternative präsentieren zu können.
Renault wird sich bis zum Verbrennerverbot ab 2035 in Europa auf zwei Modelllinien konzentrieren. Einmal auf Hybride in Mittel- und Kompaktklasse auf gleicher Plattform zu familientauglichen Preisen. Der Anfang ist gemacht mit den SUVs Austral und dessen XL-Version als Nachfolger des Vans Espace. Der kleine Clio dürfte einen Nachfolger bekommen und nach oben rundet der Rafale als Topmodell die Palette ab – mit Plug-in-Hybridantrieb und Allrad. Sonst fallen die Steckerhybride aus dem Renault-Programm, weil Europas Regierungen sie nicht mehr fördern wollen.
Das Van-Segment siecht dahin und mit der Elektro-Neuauflage steigt auch Renaults Scenic aus. Zur Alternative für kinderreiche Familien soll der frisch enthüllte Grand Kangoo werden: Neu gibts den Hochdach-Kombi mit sieben voll variablen Sitze, zwei grossen Schiebetüren und bis zu 3,75 Kubikmetern Laderaum. Drunter steckt technisch ein Nutzfahrzeug, aber Renault poliert mit PW-Cockpit und Echtholz auf. Für den Vortrieb sorgen je ein Benziner (130 PS, 96 kW) oder Diesel (95 PS, 70 kW) – oder ein 122 PS (90 kW) starker E-Motor an der Vorderachse. Mit einer Ladung von 45 Kilowattstunden (kWh) soll er 265 Kilometer schaffen. Los gehts Anfang 2024 zu noch unbekannten Preisen.
Das Van-Segment siecht dahin und mit der Elektro-Neuauflage steigt auch Renaults Scenic aus. Zur Alternative für kinderreiche Familien soll der frisch enthüllte Grand Kangoo werden: Neu gibts den Hochdach-Kombi mit sieben voll variablen Sitze, zwei grossen Schiebetüren und bis zu 3,75 Kubikmetern Laderaum. Drunter steckt technisch ein Nutzfahrzeug, aber Renault poliert mit PW-Cockpit und Echtholz auf. Für den Vortrieb sorgen je ein Benziner (130 PS, 96 kW) oder Diesel (95 PS, 70 kW) – oder ein 122 PS (90 kW) starker E-Motor an der Vorderachse. Mit einer Ladung von 45 Kilowattstunden (kWh) soll er 265 Kilometer schaffen. Los gehts Anfang 2024 zu noch unbekannten Preisen.
Zwei Modelllinien für Europa
In Europa liegt der Fokus aber vor allem auf den Stromern auf spezifisch entwickelten Elektroplattformen. Auf Basis des kompakten Megane E-Tech Electric folgt Anfang 2024 die Neuauflage des Scenic mit 218 PS (160 kW) und vor allem im Fond deutlich mehr Platz. Statt auf riesige Batterien setzt Renault auf tiefen Verbrauch. «Unser Weg geht über optimierte Effizienz und geringes Gewicht: Der Scenic wiegt nur 1,8 statt über zwei Tonnen wie die Konkurrenten», sagt Fabrice Cambolive (55), einst Schweizer Renault-Direktor und heute oberster Markenchef. Ab 2024/25 sollen die Neuauflagen von R4 und R5 im Kleinwagensegment elektrisch durchstarten – Stromer sind in diesem Segment noch selten. «Beides werden aber keine Retro-Autos – wir knüpfen an unsere Geschichte an.»
Dazu gründet der Konzern ein Elektro-Kompetenzzentrum namens Ampere, das nicht als Marke erscheinen wird, sondern den Baukasten für Zellen, Batterien und Antriebe liefern soll. Im nordfranzösischen Douai entsteht dazu auf der grünen Wiese eine Gigafactory, die ab 2030 eine Jahresproduktion von 24 Gigawattstunden (GWh) liefern soll – das wären 276'000 Scenic-Batterien. Schon 2027 sollen so ein Drittel aller Renault-Verkäufe in Europa einen Elektroantrieb haben.
Acht neue Autos für den Rest der Welt
Und im Rest der Welt? De Meo ist klar: In Nordafrika, der Türkei, Indien und Lateinamerika wird die Elektromobilität deutlich mehr Zeit als in Europa brauchen – und droht derzeit kein Verbrennerverbot. Deshalb sollen bis 2027 acht eigenständige Modelle exklusiv für diese Märkte lanciert werden. Den Anfang macht der gerade enthüllte Renault Kardian. Kein Billig-SUV, sondern ein mit aktuellem Infotainment, 13 Assistenzsystemen, Ambientelicht-Spielereien wie in Europa und einem 125 PS (92 kW) starken Einliter-Turbobenziner ausgerüsteter Fünfplätzer. Zunächst startet die Produktion in Brasilien, später folgt das Werk Casablanca in Marokko.
Während früher in Europa abgelegte Modelle oft für zehn oder mehr Jahre in Märkten des globalen Südens gebaut und verkauft wurden, markiert der Kardian einen Strategiewechsel hin zu Modellen auf aktuellem Technik-Stand. Technisch basieren sie auf zwei Plattformen, in puncto Design auf dem frisch enthüllten Niagara Concept.
Nachhaltigkeit als Schlüssel
Gleichzeitig setzt Cambolive für die Zukunft auf optimalen Ressourceneinsatz: Statt wie bisher nur einmal, sollen E-Autos mit ihrer gegenüber Verbrennern haltbareren Technik künftig mehrfach vom Werk vermarktet werden. «Wir können ein Auto zwei-, dreimal in der Fabrik auf den neusten Stand bringen und wieder verkaufen – bevor danach die Batterie ins Second Life und erst viel später ins Recycling geht», erklärt Cambolive. In der sogenannten Refactory in Flins (F) praktiziert Renault das bereits; die instandgesetzten Autos werden online verkauft. Alte Batteriemodule lassen sich als rollbare Powerpacks für Baustellen oder Handwerker vermarkten – später auch im grossen Stil.
So will de Meo die rentable und nachhaltige Basis für sein Herzensprojekt legen: den Aufstieg der Sporttochter Alpine zur Edelmarke mit sieben neuen Elektromodellen innert sieben Jahren. Renaults Ausflüge ins Topsegment gingen bisher nie gut aus, alpines Image lässt sich aber noch auf Noblesse trimmen. De Meo hats ja woanders schon einmal geschafft.