Südkalifornien ist in Aufruhr: Innert weniger Tage sind zwei Afroamerikaner erhängt an Bäumen gefunden worden. Die Leiche des 38-jährigen Malcolm Harsch wurde am 31. Mai in einer Obdachlosensiedlung in Victorville im Nordosten von Los Angeles entdeckt. Zehn Tage später, am 10. Juni, haben die Behörden den Tod des 24-jährigen Robert Fuller festgestellt. Er wurde an einem öffentlichen Platz in der Ortschaft Palmdale, die nur 80 Kilometer von Victorville entfernt liegt, an einem Baum hängend entdeckt.
In beiden Fälle war die örtliche Polizei nach ersten Untersuchungen und Autopsien von «wahrscheinlichen Suiziden» ausgegangen, wie es in amerikanischen Medien heisst. Doch damit wollten sich die Angehörigen von Malcolm Harsch (†38) und Robert Fuller (†24) nicht zufrieden geben. Sie haben öffentlich Zweifel geäussert und fordern mit Demonstranten, die in den vergangenen Tagen in Südkalifornien auf die Strassen strömten, eine gründliche Untersuchung der Fälle.
Die Protestler hegen den schlimmen Verdacht, dass Fuller wie auch Harsch einem sogenannten Lynchmord zum Opfer gefallen sein könnten. Darunter werden in den USA rassistisch motivierte Tötungen verstanden, die in Form einer Selbstjustiz durch einen Mob verübt werden. In der Geschichte des Landes wurden Afroamerikaner immer wieder gelyncht. Im Amerikanischen Bürgerkrieg (1861 bis 1865) waren es oft spätere Mitglieder des Ku-Klux-Klans, die Schwarze massenweise an Bäumen erhängt haben.
«Mein Bruder war nicht selbstmordgefährdet»
«Die Leute sagen, er habe das getan. Aber Robert war das nicht», sagt Tommie Anderson (21), ein guter Freund des verstorbenen Robert Fuller, gegenüber der «Los Angeles Times» am Montag. «Es ist nicht möglich, dass er sich an diesen Baum bindet.» Die Schwester des Opfers, Diamond Alexander, meint in der Zeitung: «Das ist für uns alle wirklich verrückt. Wir wollen die Wahrheit über das herausfinden, was wirklich passiert ist. Alles, was sie uns erzählt haben, war nicht richtig. Mein Bruder war nicht selbstmordgefährdet. Mein Bruder war ein Überlebender.»
Auch die Familie von Malcolm Harsch gibt sich mit der polizeilichen Untersuchung nicht zufrieden. In einer Erklärung sagten Hinterbliebene, es falle ihnen schwer zu akzeptieren, dass sein Tod ein Selbstmord war. Harsch hätte kurz vor seinem Tod seinen Kindern versprochen, sie bald zu besuchen. «Es gibt viele Arten zu sterben. Aber in Anbetracht der aktuellen Rassenspannungen ist die Erklärung, dass ein Schwarzer sich an einem Baum aufhängt, definitiv nicht ausreichend für uns», heisst es in der Mitteilung der Familie. «Wir wollen Gerechtigkeit, keine bequemen Ausreden.»
Druck wirkt – FBI kündigt Ermittlungen an
Am Montag haben die Behörden auf die Demonstrationen reagiert. Die US-Bundespolizei FBI, die Justizbehörde und der Sheriff des Bezirks Los Angeles haben Ermittlungen angekündigt. «Das FBI, die US-Staatsanwaltschaft für Kalifornien und die Abteilung für Bürgerrechte des Justizministeriums überprüfen aktiv die Untersuchungen zum Tod zweier afroamerikanischer Männer in den Städten Palmdale und Victorville, um festzustellen, ob es Verstösse gegen das Bundesrecht gib», heisst es in der Stellungnahme des FBI.
Das Büro des Sheriffs von Los Angeles sagte am Montag, man wolle die Gebiete mittels Überwachungsvideos untersuchen. Ausserdem werde eine detaillierte forensische Analyse des Seils durchgeführt, das um Robert Fullers Hals geschnürt war.