«Die Zeit zum Reden ist vorbei – jetzt muss etwas passieren»
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Sefolosha über Polizeigewalt:«Zeit zum Reden ist vorbei – jetzt muss etwas passieren»

NBA-Star Sefolosha über Polizeigewalt
«Die Zeit zum Reden ist vorbei – jetzt muss etwas passieren»

Houston-Star Thabo Sefolosha (36) über Polizeigewalt und Rassismus in den USA und über die Rolle von Präsident Donald Trump.
Publiziert: 04.06.2020 um 00:22 Uhr
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Aktualisiert: 04.06.2020 um 07:34 Uhr
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Die Tötung von George Floyd hat Sefolosha schockiert.
Foto: BENJAMIN SOLAND
Emanuel Gisi

Im Januar 2015 wurde der Schweizer NBA-Pionier Thabo Sefolosha (36) Opfer von Polizeigewalt, als er vor einem Nachtclub in New York unschuldig verhaftet und ihm dabei von Polizisten das rechte Bein gebrochen wurde. Den nachfolgenden Prozess gegen die New Yorker Polizei gewann er und erhielt vier Millionen US-Dollar zugesprochen. Seither engagiert er sich gegen Polizeigewalt. «Das hätte ich sein können», sagte er der Agentur AP diese Woche zum Fall George Floyd. Im BLICK-Interview erklärt er, wie er die Tötung von Floyd und die nachfolgenden Proteste sieht.

BLICK: Thabo Sefolosha, was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie die Bilder der Festnahme und der Tötung von George Floyd gesehen haben
Sefolosha: Ich war wütend. Dass so etwas passieren kann! Ich war angewidert davon, wie brutal, wie sinnlos dieser Mann sterben musste. Von diesem Machtmissbrauch, diesem völligen Fehlen jeglicher Menschlichkeit. Man sieht, wie wütend die Demonstranten in den Strassen sind. Es war ein widerlicher Akt von jemandem, der nicht Polizist sein sollte, sondern der hinter Gitter gehört.

Die Tötung von Floyd ist bei weitem nicht der erste Fall von Polizeigewalt in den USA. Warum sind die Proteste Ihrer Meinung nach diesmal so heftig?
Das konnte man kommen sehen. Man kann Menschen nur bis zu einem gewissen Punkt herumschubsen. Stille Proteste gab es schon oft, die Forderung nach Gerechtigkeit auch. Die Bilder im Fall George Floyd sind so eindeutig. Es gibt Fälle, da sagt man: «Vielleicht war es ein übler Typ.» Hier haben wir einen Mann in Handschellen, am Boden, vier Polizisten gegen sich. Diese schockierende Brutalität und der Fakt, dass es so viele Fälle schon gab, das sind die Gründe für die starke Reaktion.

Eine Reihe von NBA-Stars hat sich bei den Protesten unter die Leute gemischt. Demonstrieren Sie auch?
Nein. Ich bin im Moment in Atlanta, wo ich darauf warte, dass die NBA-Saison weitergeht. Aus zwei Gründen war ich nicht bei den Protesten: Einerseits tobt hier in den USA immer noch die Corona-Pandemie. Grosse Menschenmengen sind weiter ein Risiko. Dazu kommt die Gewalt, die Demonstrationen sind oft nicht sicher. Und ich wünsche mir eine klarere Botschaft der Demonstranten. Protest ist gut – aber man muss auch deutlich formulieren, was man will. Als schwarzer Mann, der Polizeigewalt erlebt hat, stehe ich aber grundsätzlich an der Seite der Demonstranten.

Was müsste Ihrer Meinung nach gefordert und getan werden?
Es muss gezeigt werden, wie der Wandel von statten gehen soll. Die Zeit zum Reden ist vorbei – jetzt muss etwas passieren. Jetzt müssen die Leute sagen, was sie wollen. Und nicht auf die Regierung warten.

Was fordern Sie konkret?
Als erstes: Täter müssen zur Verantwortung gezogen werden. Es gibt eine grosse Zahl an Fällen, wo sogar mit Videobildern belegt werden kann, dass die Polizei sich falsch verhalten hat und die Konsequenzen viel zu gering sind. Viele Leute verstecken sich hinter der Polizeimarke und der Tatsache, dass der Job gefährlich und stressig ist. Es gibt eine Kultur, die sich durch Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte zieht. Die Veränderung muss auf verschiedenen Ebenen erfolgen.

US-Präsident Trump ist einer derjenigen, der die Dinge verändern könnte. Überrascht Sie seine destruktive Position?
Überhaupt nicht. Er will von seiner Basis gemocht werden. Das Land ist tief gespalten. Es gibt die Proteste – und es gibt Leute, welche die Proteste stark verurteilen. Trump spielt sein Spiel. Er weiss, wer seine Leute sind. Die versucht er im Moment zu bedienen, das ist alles Politik. Alles hier ist politisiert. Seien es die Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt oder das Coronavirus. In beiden Fällen gibt es Leute, die behaupten, das Problem existiere überhaupt nicht. Trump spielt genau damit.

Die USA haben Ihnen die Basketball-Karriere ermöglicht, haben Sie reich gemacht, aber Ihnen auch eine der schlimmsten Stunden Ihres Lebens beschert. Wie sehen Sie dieses Land heute?
Ich bin seit 14 Jahren hier. Ich weiss, wovon ich spreche. Es gibt hier viele gute Menschen, grossartige Orte. Den amerikanischen Traum gibt es immer noch. Aber wenn du hier lebst, siehst du auch die Kehrseite, den Teil, den die Amerikaner nicht vermarkten. Die Unterschiede zwischen arm und reich, zwischen den Rassen. Diese Spaltung im Land: Es gibt jüdische, weisse, schwarze Viertel. Das sind Dinge, die man im TV nicht sieht. Amerika ist nicht perfekt. Es muss seine Geschichte noch verarbeiten. Ich habe echt gemischte Gefühle zu den USA.

Was sagen Sie Polizisten, die aus Solidarität mit den Demonstranten jetzt niederknien?
Das ist auch Amerika. Hier ist sehr viel Image und Marketing. Diese Bilder sind wunderschön, wir brauchen mehr davon. Aber ein Bild ändert die Realität, welche die Leute jeden Tag erleben, nicht. Ich will, dass die Polizisten, die jetzt niederknien, eingreifen, wenn das nächste Mal ein Kollege einen Bürger misshandelt, egal ob schwarz oder nicht. Vor der Kamera etwas machen, ist toll. Aber die Frage ist: Werden sie etwas tun, wenn die Kamera nicht läuft? Ich glaube an bleibende Handlungen.

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