«Ich bin empört!»
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«Ich bin empört!»:Bischöfin rechnet mit Trump ab

Sein Bibelauftritt vor der Nachbarskirche wurde zum Eigentor
Trumps Walk of Shame

Für ein Foto vor einer Kirche liess Trump friedliche Demonstranten vertreiben. Damit bringt er sogar Geistliche gegen sich auf. Mariann Edgar Budde, Bischöfin der Diözese Washington, spricht Klartext.
Publiziert: 02.06.2020 um 12:04 Uhr
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Aktualisiert: 03.06.2020 um 09:15 Uhr
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Dieses Foto sorgt für Ärger: Trump posiert vor der St. John's Episcopal Church mit der Bibel in der Hand.
Foto: imago images/UPI Photo

Jetzt hat es sich Trump sogar mit der Kirche verscherzt. Die Bischöfin Mariann Edgar Budde (60) von der Diözese Washington ist «empört». Der Grund: Der US-Präsident hatte ihre Kirche am Montagabend ohne Vorankündigung besucht, «um eine Botschaft mitzuteilen, die im Widerspruch zu den Lehren Jesu steht».

Trump will mit harter Hand gegen die Unruhen in Minneapolis vorgehen. Im Rosengarten des Weissen Hauses sprach er erst über die Bedeutung von «Recht und Ordnung» – und spazierte dann über die Strasse zur St. John's Episcopal Church, bereits seit James Madison (1809–1817) gewissermassen die religiöse Anlaufstelle für amerikanische Präsidenten.

Trump nutzte die Kirche als Kulisse für ein Foto. Mit entschlossenem Blick und Bibel in der Hand steht er vor dem Eingang. «God is Love» steht auf dem Buchtitel: Gott ist Liebe. Doch nach Liebe sieht es nicht aus, was zeitgleich vor dem Weissen Haus passiert: Um seinen Weg zur Kirche freizumachen, liess Trump dort friedliche Demonstranten mit Tränengas, Blendgranaten und Gummigeschossen attackieren.

«Trump steht im Widerspruch zu Jesus»

«Ich bin empört! Der Präsident hat weder gebetet, als er nach St. John's kam, noch hat er die Qualen unseres Landes in diesem Augenblick anerkannt», sagte Budde zu «CNN». Sie verurteilt Trumps Verhalten und das Foto vor der Kirche scharf.

«Lassen Sie mich eines klarstellen: Der Präsident benutzte gerade eine Bibel – den heiligsten Text der jüdisch-christlichen Tradition – und eine der Kirchen meiner Diözese ohne Erlaubnis als Hintergrund für eine Botschaft, die im Widerspruch zu den Lehren Jesu steht», sagte die entrüstete Bischöfin. Budde solidarisierte sich mit den Protestierenden: «Wir schliessen uns denen an, die Gerechtigkeit für den Tod von George Floyd und zahllosen anderen suchen. Und ich kann einfach nicht glauben, was meine Augen gesehen haben.»

Sie wolle nicht, dass der US-Präsident im Namen der Kirche spreche. «Wir distanzieren uns komplett von den Botschaften dieses Präsidenten», sagte sie der «Washington Post». «Wir halten die Lehren unserer heiligen Texte bei allem, was wir tun, hoch. Es geht um Nächstenliebe und aufopfernde Liebe und Gerechtigkeit.» All das seien Dinge, die Trump missachte.

«Ich bin empört!»
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Unter attackierten Demonstranten waren auch Pfarrer

Andere Geistliche schlossen sich Buddes Empörung an. Etwa Buddes Kirchenvorstand, Bischof Michael Curry. Er beschuldigte den Präsidenten, die Kirche und die Bibel für «parteipolitische Zwecke» zu benutzen. Der katholische Priester Edward Beck twitterte: «Wurde die Bibel jemals auf eine unaufrichtigere und ausbeuterischere Weise benutzt?»

Unter den attackierten friedlichen Demonstranten vor dem Weissen Haus waren offenbar auch zahlreiche Geistliche. Auch sie berichten online wütend über ihre Eindrücke. Ein Pfarrer schreibt: «Ich bin jetzt eine Kraft, mit der man rechnen muss.»

Auch Papstkreise hat Trumps Foto-Aktion mittlerweile erreicht. Antonio Spadaro, Chefredakteur der Jesuitenzeitschrift «Civilta Cattolica», zeigte sich empört über den Bibelauftritt Trumps vor der anglikanischen Kirche in der Nähe des Weissen Hauses. «Wer die Bibel angesichts einer Tragödie für die eigene weltliche Macht benutzt, macht sie nichtig» , twitterte der Papstvertraute.

Trumps Kirche distanzierte sich schon 2015

Dass er offensichtlich so viele christliche Geistliche gegen sich aufbringt, könnte Trump noch teuer zu stehen kommen – schliesslich gelten die Amerikaner als sehr religiös. Im Wahlkampf 2016 hatte Trump sich bemüht, möglichst viele der diversen Religionsgemeinschaften anzusprechen und war sowohl bei Evangelikalen als auch bei Katholiken kräftig auf Stimmenfang gegangen.

Trump selbst hat sich inhaltlich allerdings weit von christlichen Werten entfernt. Seine «Heimatgemeinde», die presbyterianische Kirche, hat ihm bereits im Oktober 2015 in einem öffentlichen Schreiben vorgeworfen, eine falsche Politik gegenüber Ausländern und Muslimen zu betreiben, die mit ihrem Glauben nicht vereinbar sei. (kin)

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