«Es war so magisch, so mächtig – und dann kam dieser Trottel»
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Protest Minneapolis:«Wir sind an einem Punkt, an dem es reicht»

BLICK begleitete in Minneapolis den Demo-Anführer Tayo (38) am Protestmarsch – plötzlich eskalierte die Situation
«Es war so magisch, so mächtig – und dann kam dieser Trottel»

Es war der bislang grösste Protestmarsch in Minneapolis: Stundenlang demonstrierten 20'000 Menschen friedlich gegen die Tötung von George Floyd. Doch dann eskalierte die Lage innert Sekunden.
Publiziert: 01.06.2020 um 20:56 Uhr
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Aktualisiert: 02.06.2020 um 13:15 Uhr
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Tayo (38) ist der Anführer der Minneapolis-Proteste.
Foto: Nicola Imfeld
Nicola Imfeld aus Minneapolis (USA)

«Hände hoch! Nicht schiessen!» Etwa 20'000 Demonstranten schreien immer wieder diesen berühmt gewordenen Protestspruch. Sie marschierten gestern durch Minneapolis. Friedlich. Statt Steine und Molotowcocktails haben sie Schilder und Megafone dabei. «Wir wollen der Welt zeigen, dass wir in dieser Stadt auch gewaltfrei protestieren können», sagt Organisator Tayo (38). Ein Zeichen, das bitter nötig ist.

Minneapolis gleicht zuweilen eher einem Kriegsgebiet als einem Ort von friedlichen Demonstrationen. BLICK ist seit Freitag vor Ort. Immer wieder eskaliert die Lage. Immer nach Sonnenuntergang. Dann erhellen Flammen den Nachthimmel. Die Augen brennen von Tränengas und schwarzem Rauch. Jeder Atemzug fällt schwer. Am Boden verstreut liegen Gummige­schosse, abgefeuert von Polizei und Nationalgarde. Drei Nächte in Folge herrscht Anarchie auf den Strassen von Minneapolis: Läden werden zerstört und geplündert, ein Polizeiposten in Brand gesetzt. Mittlerweile wurden 10'000 US-Soldaten zusammen mit der Polizei mobilisiert. Ihr klares Ziel: gegen die Krawalle vorgehen. Es folgen wilde Strassenschlachten, die bis in die frühen Morgenstunden andauern.

Protest laut, Stimmung wütend

Ganz anders die Szenen gestern: Der Protestmarsch ist zwar laut, die Stimmung aufgebracht und auch wütend. Doch von Gewalt keine Spur. «Wir gehören keiner Organisation an. Wir sind nicht rechts, nicht links. Wir setzen uns einzig und allein gegen den Rassismus ein», erklärt Organisator Tayo in einem ruhigen Moment, als die Protestler auf eine Brücke zusteuern. Er habe nicht mit 20'000 Teilnehmern gerechnet, sagt er. «Ich kenne einfach viele Leute in Minneapolis. Der Aufmarsch zeigt, dass die Polizeigewalt gegen uns Schwarze ein echtes Problem ist.»

Viele von ihnen hätten dies schon am eigenen Leib erfahren. Tayo zeigt auf eine Bekannte zu seiner Rechten: «Sie wurde von Polizisten gewaltsam auf den Boden gedrückt, weil sie als Fussgängerin ein Rotlicht missachtet hatte», sagt Tayo kopfschüttelnd. Dann wendet er sich ab, schnappt sich das Megafon und schreit den 20'000 Menschen hinter ihm zu: «George Floyd! George Floyd! George Floyd!» Die Menge stimmt lauthals mit ein. Eigentlich hätte der Bruder des getöteten George Floyd (†46) zu Beginn der Demonstration einige Worte an die Menschen richten sollen. Doch er tauchte nicht auf. Zu tief sei noch der Schmerz, so Tayo, der mit Floyds Familie in Kontakt steht.

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Tanklaster rast auf die Menge zu

Eine Stunde später: Der Protestmarsch hat eine ganze Autobahn in Beschlag genommen. Je vier Spuren in beide Richtungen sind blockiert. Noch dauert es 90 Minuten, bis die Ausgangssperre in Kraft tritt. Dann wollen sich die friedlichen Demonstranten auf den Boden hinsetzen und sich festnehmen lassen. Doch so weit kommt es nicht: Plötzlich rast ein Tanklastwagen auf die Menschenmenge zu. Im letzten Moment geht er auf die Bremsen. Während bei den Protestlern Panik ausbricht, stürmen einige Demonstranten auf die Fahrertüre zu, zerren den Lenker heraus. Sie prügeln auf ihn ein, übergeben ihn später der Polizei. Die Beamten verhaften den Fahrer, Bogdan Vechirko, liefern ihn in ein Spital ein. Und die Protestler? Werden gleichzeitig von der Nationalgarde mit Tränengas und Gummischrot davongejagt.

Ein friedlicher Protest, innert Sekunden durch die Tat eines Einzelnen zerstört. Der Frust bei Organisator Tayo sitzt tief. Er schreibt in der Nacht auf Montag per SMS: «Es war so schön, so magisch, so mächtig. Und dann kam dieser Trottel.» Noch während Tayo in seine Handytasten haut, gehen in seiner Stadt aber bereits wieder Gebäude in Flammen auf. Die Krawallmacher sind wieder da. Und sie wollen noch lange nicht nach Hause.

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