«Wir können nicht atmen», steht auf vielen Schildern der Protestierenden in Minneapolis, genauso wie in Washington oder in Miami. Sie erinnern an George Floyds (†46) flehende Rufe nach Luft, während ein weisser Polizist acht Minuten und 46 Sekunden lang auf seinem Nacken kniet. Und sie beschreiben schmerzvoll den Alltag der afroamerikanischen Bevölkerung in den USA, deren Hautfarbe sie 155 Jahre nach dem Bürgerkrieg und 56 Jahre seit dem Civil Rights Act noch immer in allen Bereichen des öffentlichen Lebens benachteiligt. Gerade spiegelt die Corona-Krise enorme Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung: Schwarze sterben in den USA häufiger an Covid-19 als Weisse.
«Das Fass ist jetzt voll. Es muss einmal mehr explodieren», sagt Amerika-Expertin Elisabeth Bronfen, Anglistik-Professorin an der Universität Zürich, zu BLICK. Und wie es explodiert – angeheizt von US-Präsident Donald Trump (73) kommt es in Minneapolis und im ganzen Land seit einer Woche zu bürgerkriegsähnlichen Szenen. «Selbst Menschen, die am Rand der Strasse oder in Autos sitzen, werden von der Polizei angegriffen. Das zeigt, dass es sich wirklich um eine Art paramilitärische Polizeigewalt handelt.» Der erste Protest nach Floyds Tod sei klar friedlich gewesen, sagt Bronfen. «Erst, als die Polizeigewalt einsetzte, wurde vonseiten der Protestierenden Gegengewalt genutzt.»
«Trump hätte das Ausmass eindämmen können»
An oberster Stelle des Landes sitzt ein Präsident, der den Hass weiter schürt. Er weigert sich, das Anliegen der Demonstranten ernst zu nehmen. Er droht, das US-Militär auf Zivilisten schiessen zu lassen. Er staucht die Gouverneure zusammen, weil sie nicht knallhart durchgriffen.
«Trump hätte den Ausbruch dieser Proteste wahrscheinlich nicht ganz verhindern können», vermutet Bronfen. «Er hätte aber das Ausmass eindämmen können, wenn er an die Nation appelliert hätte, bedächtig und besonnen zu sein.» Das hätte nicht nur jeder vernünftige, sondern auch jeder andere republikanische Präsident gemacht. George W. Bush (73) etwa habe nach dem 11. September 2001 Haltung gegen anti-arabischen Hass gezeigt.
Wettanbieter sehen Biden erstmals gleichauf mit Trump
Doch Trump will das Chaos. «Trump ist ein Präsident, dem explizit nichts daran liegt, das Land zu vereinen. Sondern ihm liegt daran, das Land zu entzweien», so Bronfen weiter. Hinter Trumps Drohungen gegen die Protestierenden vermutet sie eine kluge Wahltaktik – oder eine verzweifelte. Nach der Corona-Krise mit ihren wirtschaftlichen Folgen braucht er ein Thema, mit dem er die Wechselwähler bei den US-Präsidentschaftswahlen im November überzeugen kann: «Etwa ältere und natürlich weisse Wähler, die vor Unruhen – vor allem wenn sie von schwarzen Amerikanern ausgehen – immer Sorge haben. Oder auch besorgte Frauen.»
Nützen die Floyd-Proteste Trump am Ende gar? Lenken sie von den rund 106'000 Corona-Toten ab, die die USA auch wegen Trumps schlechten Krisenmanagements verkraften müssen? Oder brechen sie ihm das Genick? Kein seriöser Experte traut sich nach dem überraschenden Ergebnis von 2016 eine Prognose zu. Im Gegensatz zu den grossen Wettanbietern. Die sehen nun erstmals Herausforderer Joe Biden (77) mit dem amtierenden US-Präsidenten gleichauf. Bislang lag Trump bei den Quotenmachern stets leicht vorne.
Am 3. November 2020 fanden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Der amtierende Präsident Donald Trump konnte sein Amt nicht verteidigen. Herausforderer Joe Biden hat die Wahl für sich entschieden.
Alle aktuellen Entwicklungen zu den Wahlen und Kandidaten gibt es immer im Newsticker, und alle Artikel zum Thema finden Sie hier auf der US-Wahlen-Seite.
Am 3. November 2020 fanden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Der amtierende Präsident Donald Trump konnte sein Amt nicht verteidigen. Herausforderer Joe Biden hat die Wahl für sich entschieden.
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