US-Präsident Donald Trump hat die Mobilisierung aller verfügbaren zivilen und militärischen Kräfte seiner Regierung angekündigt, um die Ausschreitungen in den USA zu stoppen. «Wir beenden die Ausschreitungen und die Gesetzlosigkeit, die sich in unserem Land ausgebreitet haben», sagte Trump am Montagabend (Ortszeit) bei einer kurzfristig anberaumten Ansprache im Rosengarten des Weissen Hauses. Er werde die «volle Macht des US-Militärs» mobilisieren.
Trump macht damit Gebrauch von einem mehr als 200-jährigen Gesetz aus dem Jahr 1807, dem Insurrection Act (Aufstandsgesetz), das es einem Präsidenten erlaubt, Militär innerhalb der USA zur Bewältigung ziviler Unruhen einzusetzen.
Sollten die Bürgermeister und Gouverneure an den betroffenen Orten nicht für Sicherheit sorgen, werde er das US-Militär einsetzen, drohte Trump. Er forderte die Gouverneure auf, ausreichend Kräfte der Nationalgarde einzusetzen, um die Strassen in ihren Städten wieder unter Kontrolle zu bringen. «Wenn sich eine Stadt oder ein Staat weigert, die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um das Leben oder Eigentum ihrer Bewohner zu verteidigen, werde ich das Militär der Vereinigten Staaten einsetzen und das Problem schnell für sie lösen.»
Trumps Flucht nach vorn
Kurz vor Trumps kurzer, rund sechsminütiger Rede an die Nation setzte die Polizei in der Nähe Gewalt gegen friedliche Demonstranten ein, die in Distanz vor dem Weissen Haus ausharrten. Trump sprach, und im Hintergrund knallten Explosionen von Tränengaspetarden. Dann kam Trump schnell zur Sache. Er sprach von «professionellen Unruhestiftern». Kleinunternehmer seien zerstört und Unschuldige ums Leben gekommen. Trump verurteilt den «heimischen Terror». «Ich werde kämpfen, um euch zu schützen», so Trump.
Der US-Präsident kündigte zudem Vorkehrungen an, um die Hauptstadt Washington zu schützen, wo es in den vergangenen Tagen ebenfalls schwere Proteste gab, die teils in Randalen ausarteten. Dies sei eine Schande, sagte Trump und kündigte an, Tausende und Abertausende schwer bewaffneter Soldaten und Strafverfolgungskräfte einzusetzen. Zudem gilt ab 19 Uhr (01.00 Uhr Schweizer Zeit) eine strikte Ausgangssperre in der US-Hauptstadt.
«Ich bin ihr Präsident für Recht und Ordnung», sagte Trump an die Adresse der Bevölkerung. Er werde dafür kämpfen, das Land und seine Bürger zu beschützen. Was sich in den vergangenen Tagen abgespielt habe, sei zum Teil mit Terror gleichzusetzen. Das Land brauche Sicherheit und nicht Anarchie, Gerechtigkeit und nicht Chaos. «Das ist unsere Mission, und wir werden siegen.»
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In die Enge gedrängt
Der Notstand markiert eine dramatische Wende in den USA. Es müssen schreckliche Tage für einen Mann mit dem Ego des Donald Trump (73) gewesen sein. Seit einer Woche kommt es in den USA zu erschütternden, doch auch bewegenden Szenen. Menschen zeigen sich friedlich solidarisch gegen Polizeigewalt nach dem Tod von George Floyd (†46). Doch auch Zahllose nutzen die angespannte Lage für Gewalt, Plünderungen, Anarchie.
Als Zeichen des Respekts, als Geste in Gedenken an den getöteten Floyd, gehen Menschen bei friedlichen Protestmärschen auf Amerikas Strassen in die Knie, wie es 2016 Football-Star Colin Kaepernick (32) vor einem Spiel während der Nationalhymne tat. Es war Kaepernicks stiller Protest gegen Unterdrückung von Schwarzen in den USA. Was Trump fuchsteufelswild machte. Trump nannte ihn einen «Hurensohn» und machte ihn quasi zum Landesverräter.
Déjà vu. Der US-Präsident wettert weiter gegen Landesverräter, doch scheint das wilde Treiben damit nur noch anzufeuern. Am Freitag musste Trump in den Bunker unter dem Weissen Haus. In der Nacht auf Montag kam es um Trumps Amts- und Wohnsitz zu kriegsähnlichen Szenen.
Trump zog über «schwache» Gouverneure her, die sonst «wie Idioten» dastehen
Jetzt gibt es im Land Hunderttausende Kaepernicks; Landesverräter, die gegen Rassismus und Polizeigewalt niederknien. Während Trump eine noch härtere Gangart einschlagen will. Ed O'Keefe, politischer Korrespondent der «CBS», meldete am Montag via Twitter, Trump habe in einer Schaltkonferenz mit Gouverneuren der US-Bundesstaaten härteste Töne angeschlagen.
Die Gouverneure seien «schwach» und müssten Dominanz zeigen, um nicht überrannt zu werden und «wie Idioten» dazustehen. Trump soll wörtlich gesagt haben: «Ihr müsst Leute verhaften, ihr müsst sie verfolgen, für zehn Jahre in den Knast sperren und dann seht ihr so was nie wieder.»
Einer der Teilnehmer beschrieb Ton und Wortwahl des Präsidenten als «gestört», als ob Trump jede Kontrolle über sich und den Bezug zur Realität verloren hätte, was derzeit in Amerika abgeht.
Trump hat einen Konflikt geschürt, der ihm nicht mehr hilft
Realitätsfern verurteilt «Brandbeschleuniger» Trump ausschliesslich linksradikale Kreise, die hinter der Gewalt stecken sollen. Mit keinem Wort spricht er die angestaute Wut über Polizeigewalt gegen Nicht-Weisse und soziale Benachteiligung von Minderheiten an. Minneapolis hat ein gewaltiges Ventil von über Jahrzehnte angestauter Wut geöffnet.
«Amerika ist ein Pulverfass. Und Donald Trumps Zunge ist im Moment eine Flamme», sagte die demokratische Bürgermeistern von Atlanta, Keisha Lance Bottoms (50), am Montag zu «CNN». «Jedes Mal, wenn er seinen Mund aufmacht, schmeisst er ein weiteres Streichholz aufs Feuer.»
Immerhin, je lauter es auf den Strassen im Land wird, desto kleinlauter scheinen die Tweets des Präsidenten. Die Krise entlarvt seinen abgestumpften Stil. Trump braucht immer Gegner und Feindbilder, gegen die er aufwiegeln kann. Seien es China, die Medien oder Demonstranten: Jetzt ist er mitverantwortlich, einen Konflikt geschürt zu haben, der ihm politisch nicht mehr hilft.
Jetzt greift Trump zum letzten Mittel: dem Einsatz der eigenen Streitkräfte gegen das eigene Volk. «Zum Schutz», wie er sagt.