Umfrage in Spitälern rüttelt auf
Die Hälfte der Ärztinnen denkt wegen Stress ans Aussteigen

Zwei Drittel der Schweizer Spitalärzte fühlen sich «meistens oder häufig müde». Das belegt eine neue Umfrage. Das gefährdet die Patientensicherheit – und jagt immer mehr Medizinerinnen aus dem Beruf.
Publiziert: 15.05.2023 um 10:14 Uhr
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Aktualisiert: 15.05.2023 um 13:36 Uhr
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Lichterlöschen bei der Ärzteschaft? Die Hälfte denkt stressbedingt ans Aufhören. Ambulantes Zentrum des Stadtspitals Zürich an der Europaalle. (Symbolbild)
Foto: Keystone
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Sarah FrattaroliStv. Wirtschaftschefin

Würdest du dich von einer Ärztin operieren lassen, die sich müde, ausgelaugt und erschöpft fühlt? Vermutlich lieber nicht. Fakt ist aber: Zwei Drittel der Assistenz- und Oberärzte fühlen sich «meistens oder häufig müde». Zu diesem Schluss kommt die jüngste Ausgabe der regelmässigen Ärztebefragung des Verbands Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (VSAO), über die zuerst der «Tages-Anzeiger» und «SRF» berichteten.

Die Ursache für die konstante Erschöpfung ist schnell gefunden: Die Hälfte der Ärzteschaft arbeitet mehr als 50 Stunden pro Woche. Weil immer mehr Ärztinnen und Ärzte in Teilzeitpensen arbeiten, nimmt die Anzahl Stunden im Schnitt zwar ab. Dennoch geben zwei Drittel der Befragten an, mehr als die vereinbarten Stunden zu leisten. In zwei Drittel aller Fälle wird dabei gegen das Arbeitsgesetz verstossen, so die Umfrage-Ergebnisse.

Operation nach zwei Stunden Schlaf

Neu ist, welche Konsequenzen die Ärztinnen und Ärzte daraus ziehen: 52 Prozent geben in der aktuellen Befragung an, dass sie ans Aufhören denken. In der letzten Umfrage vor drei Jahren lag dieser Wert noch bei 39 Prozent. In der Zwischenzeit hat die Ärzteschaft eine Pandemie gemeistert, dafür Applaus erhalten – aber offensichtlich nicht von besseren Arbeitsbedingungen profitiert.

Eindrücklich trat die Frustration der Ärzteschaft letzten Sommer am Spital Einsiedeln SZ zutage: Alle sieben Assistenzärztinnen und -ärzte reichten geschlossen die Kündigung ein.

Assistenzärzte anderer Spitäler packten anschliessend im Blick über ihre Arbeitsbedingungen aus. «Ich habe zum Teil von 6.30 bis 22 Uhr gearbeitet», erinnerte sich der Arzt Thomas R.* Über Nacht hatte er zusätzlich Pikettdienst. Kam ein Notfall rein, musste es schnell gehen. «Man kriegt nur eine oder zwei Stunden Schlaf und operiert danach stundenlang.» Der studierte Arzt und erprobte Chirurg hatte irgendwann die Nase voll. Er stieg aus dem Ärzteberuf aus, arbeitet mittlerweile in einem Bürojob bei einer Krankenkasse.

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Kampf der Bürokratie

Besorgniserregend ist auch diese Zahl: 60 Prozent der Befragten geben in der Umfrage an, dass wegen beruflich bedingter Übermüdung schon Patienten gefährdet wurden. Auch das ein Spitzenwert im Vergleich zu früheren Befragungen.

Wurzel des Übels ist unter anderem die zunehmende Bürokratie im Gesundheitswesen. «Für viele ist vor allem die Belastung durch administrative Arbeiten ermüdend und frustrierend, denn sie haben den Beruf gewählt, um Patientinnen und Patienten zu betreuen», sagt Anna Wang, Präsidentin des VSAO Zürich, im «Tages-Anzeiger».

Um Verbesserungen zu erzielen, findet am 9. Juni ein Runder Tisch statt. Teilnehmen werden neben dem VSAO auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG), der Spitalverband H+, die Gesundheitsdirektorenkonferenz, das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) und der Ärzteverband FMH.

* Name geändert

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