Wer redet, fliegt raus!
Maulkorb fürs Personal am Skandal-Spital Einsiedeln

Die Massenkündigung der Assistenzärzte ruft den Kantonsarzt auf den Plan. Hinter vorgehaltener Hand wird von Entlassungen, Ausnutzung und Unmenschlichkeit gesprochen. Die Menschen in Einsiedeln machen sich grosse Sorgen um ihr Spital, zeigt ein Augenschein vor Ort.
Publiziert: 13.08.2022 um 00:03 Uhr
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Aktualisiert: 13.08.2022 um 08:02 Uhr
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Die Menschen in Einsiedeln machen sich Sorgen um ihr Spital.
Foto: Martin Schmidt
Martin Schmidt und Lea Hartmann

Die Kündigung aller sieben Assistenzärzte im Schwyzer Spital Einsiedeln gibt weit über die Kantonsgrenze hinaus zu reden. In Einsiedeln selbst ist der Knall am Spital das Thema schlechthin, wie Gespräche von Blick gestern vor Ort mit zahlreichen Besuchern, Patientinnen und Passanten ergeben. Der Tenor: Die schlechte Stimmung am Spital ist den Einheimischen schon länger bekannt.

Dass alle Assistenzärzte wegen der vielen Überstunden und der Streichung von Weiterbildungen nun die Reissleine gezogen haben, beunruhigt die Einwohner aber sehr. «Man hat schon immer wieder etwas gehört. Dass nun aber gleich alle Assistenzärzte gehen, hat mich schon überrascht», sagt Meggy Schneider (63). Die Laborantin ist resigniert: «Für die Region wäre es tragisch, wenn das Spital schliessen müsste.»

Der Bezirksammann ist beunruhigt

Auch Frank Pirker (54, SVP) ist besorgt. Pirker ist der Bezirksammann, wie der Gemeindepräsident des Bezirks Einsiedeln genannt wird. «Die Kündigung aller Assistenzärzte bedeutet Unruhe im Innern, die sich nun auch aussen zeigt. Dass beides beunruhigt, ist klar.» Er betont, dass das Spital nicht nur für die medizinische Grundversorgung von Einsiedeln und die Region sehr wichtig sei, sondern auch als grosser Arbeitgeber für Einsiedeln von zentraler Bedeutung.

Ihm sind jedoch die Hände gebunden: «Der Spitalbetrieb ist privatwirtschaftlich, ein Einschreiten des Bezirks daher gar nicht möglich.» Er will aber das Gespräch mit der Spitaldirektion suchen: «In letzter Zeit kam das etwas zu kurz, was wohl auch mit dem anstehenden Direktorenwechsel beim Spital zusammenhängt.»

Seit die Spitalkette Ameos Gruppe das Spital im Mai 2020 übernommen hat, habe sich vor Ort vieles verändert, erzählt eine Frau, die wie die meisten nicht mit Namen genannt werden will. «Es geht dort nicht mehr sehr menschlich zu und her.» So soll nach der Übernahme Personal auf die Strasse gestellt worden sein. Zudem haben mehrere Mitarbeiter von sich aus den Bettel – oder in einigen Fällen den Kittel – hingeschmissen, wie das Portal Medinside schreibt.

Das Spital stand vor der Übernahme denn auch am finanziellen Abgrund – und wurde von Ameos in letzter Sekunde gerettet.

Patientin spricht von sehr langer Wartezeit

Die dünne Personaldecke bekommen auch die Patienten zu spüren. Eine ältere Frau mit gesundheitlichen Problemen erzählt Blick von ihrer «sehr langen» Wartezeit. Ein Mann betont, dass er zum Glück nur zu Besuch hier sei und geht schulterzuckend weiter. Es ist eine gewisse Hilflosigkeit zu spüren. Viele Spezialisten aus der Region würden mittlerweile im Universitätsspital Zürich arbeiten, sagt ein anderer. Er habe sein Schultergelenk deswegen nicht in Einsiedeln operieren lassen.

Das Spital Einsiedeln wirbt auf seiner Website mit «hoher medizinischer Kompetenz unserer Fachleute». Die übrigen Angestellten geben dafür nach Kräften ihr Bestes. Mit dem Abgang der Assistenzärzte wird ihnen nun noch mehr aufgebürdet, heisst es. Das Spital selbst betont auf Anfrage von Blick, dass die Not- und Grundversorgung der Region jederzeit gesichert sei.

Es brodelt hinter den Kulissen

Im Eingangsbereich des Spitals sind mehrere Mitarbeiter damit beschäftigt, eine Fotowand mit Personalbildern zu befestigen. Die Botschaft ist klar: In diesem familiären Spital werden sie von herzlichen Menschen behandelt und gepflegt. Das Spital will nach den vielen Negativschlagzeilen der letzten Tage sein Image aufpolieren. Doch hinter den Kulissen brodelt es.

Es ist von zahlreichen Sitzungen die Rede. Was dabei besprochen wird, ist nicht herauszukriegen. Baustellen gibt es genug. Die Assistenzärzte sind nur noch wenige Wochen im Haus, müssen so rasch wie möglich ersetzt werden.

Die Angestellten fürchtet um ihren Job

Vom Personal will, oder besser gesagt darf, niemand mit Blick reden. Sie haben von der Direktion einen Maulkorb erhalten. Eine Mitarbeiterin sagt zu Blick, sie hätte viel zu erzählen, doch ihre Angst vor einem Jobverlust sei zu gross – das könne sie sich nicht leisten. Ein anderer Angestellter betont, dass es ihm «zu heiss» sei, sich zu äussern.

Der Spital-Sprecher, der auf Blick aufmerksam wurde, bekräftigt, dass es den Mitarbeitenden nicht erlaubt sei, sich gegenüber der Presse zu äussern. Das wäre ein Verstoss gegen den Arbeitsvertrag und hätte schwerwiegende Konsequenzen. Wer redet, fliegt!

Zu den Kündigungen und den Zuständen im Spital gibts keine Stellungnahme. Man habe in den letzten Tagen alles dazu gesagt. Viel war das nicht: Die Ameos Gruppe bedauert die Kündigungen. Diese haben inzwischen auch den Kantonsarzt auf den Plan gerufen. Doch dieser hält sich gegenüber Blick ebenso bedeckt.

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