Er setzt Spitäler auf Diät
Der Konzern hinter der Massenkündigung in Einsiedeln

Die Spitalkette Ameos fährt eine offensive Wachstumsstrategie. Sie übernimmt defizitäre, öffentliche Spitäler und trimmt diese auf Erfolg. Das geht oft auf Kosten des Personals. Wie jüngst im Spital Einsiedeln.
Publiziert: 12.08.2022 um 00:50 Uhr
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Aktualisiert: 12.08.2022 um 11:28 Uhr
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Die Spitalgruppe Ameos ist innerhalb von 20 Jahren zum Milliardenkonzern herangewachsen.
Foto: imago/Steffen Schellhorn
Martin Schmidt

Für das Spital in Einsiedeln SZ war die Kündigung aller sieben Assistenzärzte ein Knall. Für die Betreibergesellschaft, die Ameos Gruppe, kam er wohl nicht völlig überraschend. Die grosse Spitalkette ist regelmässig mit unzufriedenen Mitarbeitenden und Personalstreiks konfrontiert, weil sie nach Übernahmen die Arbeitsbedingungen verschlechtert. So zumindest der Vorwurf betroffener Angestellter.

Auch, dass mehrere Angestellte gemeinsam den Kittel hinwerfen, ist nicht neu. Im Frühjahr ist die Situation an der Ameos-Klinik Mitte in Bremerhaven (D) eskaliert. Dort kündigten alle vier Ärzte der Gefässchirurgie und wechselten zur Konkurrenz.

Defizitäre Spitäler werden fit getrimmt

Die Ameos Gruppe mit Sitz in Zürich kauft in Deutschland und Österreich seit 20 Jahren Spitäler auf. Oft sind die öffentlichen Betriebe zuvor in finanzielle Schieflage geraten. Auch das Spital Einsiedeln hatte 2019 noch einen Verlust von 6,7 Millionen Franken eingefahren, bevor es von der Ameos Gruppe übernommen wurde. «Die Ameos Gruppe sichert den Erhalt und die Weiterentwicklung von Spitälern und steht damit für eine starke regionale Gesundheitsversorgung in Deutschland, Österreich und der Schweiz», schreibt das Unternehmen auf Anfrage von Blick.

Nach dem Kauf folgt der Griff zum Rotstift: In den Schweizer Spitälern steckt das grösste Einsparpotenzial in den Lohnkosten. Sie machen 70 Prozent der Kosten aus. So wurde etwa am Spital Einsiedeln nach der Übernahme durch Ameos die Spitalkantine auf Selbstbedienung umgestellt. Ein Teil des Kantinenpersonals wurde entlassen.

Ameos will auch nach mehrmaliger Nachfrage durch Blick keine Stellung zur Spar- und Personalpolitik nehmen. Auch die jüngste Kündigung aller sieben Assistenzärzte wird nicht im Detail kommentiert.

Milliardenumsätze privater Spitalbetreiber

Das Konzept geht voll auf: Ameos ist seit der Gründung rapide gewachsen und beschäftigt nach eigenen Angaben mittlerweile 18'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in über 100 Einrichtungen an mehr als 50 Standorten. In der Schweiz betreibt die Gruppe neben dem Spital in Einsiedeln auch das Seeklinikum Brunnen im Kanton Schwyz und mehrere Gemeinschaftspraxen.

In der Schweiz gehört Ameos noch zu den kleinen Fischen: Der grösste im Teich privater Spitalbetreiber ist die Privatklinikgruppe Hirslanden mit über 13'000 Angestellten und einem Jahresumsatz von knapp 2 Milliarden Franken.

Ameos hält sich bei der Kommunikation von Geschäftszahlen zurück. Gemäss dem deutschen «Handelsblatt» bewegt sich der Umsatz bei rund einer Milliarde im Jahr. Für 2019 ist die Rede von elf Millionen Gewinn. Im Folgejahr soll Ameos einen Verlust von zwei Millionen eingefahren haben.

Die Gewinnzahlen sind jedoch wenig aussagekräftig: Mit jeder neuen Spitalübernahme steigt der Umsatz, während der Kaufpreis gleichzeitig den Gewinn drückt. Ohne diese Ausgaben hätte die Gruppe wohl sogar in der Pandemie Gewinne eingestrichen. Ameos betont, dass man sämtliche erwirtschafteten Überschüsse ins Unternehmen reinvestiere.

Schlechte Note in Einsiedeln

Mit ihren Geschäftspraktiken stösst die Ameos Gruppe regelmässig auf vehementen Widerstand beim Personal. In der psychiatrischen Klinik in Bad Salzuflen (D) haben die Mitarbeiter jüngst für bessere Löhne gestreikt. «Die Region Ameos West steht regelmässig mit den Mitarbeitendenvertretungen des Ameos Klinikums Bad Salzuflen sowie der Gewerkschaft in Kontakt», sagt ein Konzernsprecher zu Blick.

Bereits im Herbst 2019 legte sich das Personal von vier Spitälern in Ostdeutschland mit der Ameos Gruppe an, nachdem diese nicht bereit gewesen war, über die deutlich gesenkten Löhne zu verhandeln. Doch die Ameos Gruppe blieb knallhart: Sie setzte mehrere im Streik engagierte Mitarbeiter auf die Strasse und drohte mit einer Massenkündigung. Nachdem die Mitarbeiter monatelang ununterbrochen gestreikt hatten, gelang ihnen schliesslich ein Teilerfolg. Die entlassenen Mitarbeiter wurden wieder eingestellt und die Löhne leicht nach oben korrigiert.

Das von Ameos geführte Spital in Einsiedeln erhält vom Personal schlechte Noten: Nicht nur von sieben Assistenzärzten, die jüngst gemeinsam ihre Kündigung eingereicht haben. Die Unzufriedenheit der Assistenzärzte zeigte sich 2021 in einer alljährlichen Umfrage des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung. Darin schnitt das Spital Einsiedeln mit Note 3,5 miserabel ab – der Branchenschnitt liegt bei 5,0.

Allerdings: Am zweiten von Ameos in der Schweiz betriebenen Standort in Brunnen SZ sieht es ganz anders aus. Die dortige Klinik erhält die Note 5,9.

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