Die Lage des Immobilienkonzerns von René Benko (46) spitzt sich weiter zu. Am Freitag wurde bekannt, dass eine Tochter seiner verschachtelten Signa-Gruppe Insolvenz anmelden musste. Wie mehrere Medien berichteten, hat die Signa Real Estate Management Germany am Freitagnachmittag beim Berliner Amtsgericht Charlottenburg einen Insolvenzantrag gestellt. Das Unternehmen ist eine Tochter der Signa Prime Selection, der unter anderem das Berliner Luxuskaufhaus KaDeWe gehört.
Insgesamt besteht Benkos Immobilienimperium aus mehr als 1000 Firmen. Es droht zu implodieren, wenn es nicht gelingt, in den nächsten Tagen frische Liquidität in Höhe von rund 500 Millionen Euro (rund 485 Millionen Schweizer Franken) zu beschaffen. Das Geld wird benötigt, um kurzfristige Verbindlichkeiten zu bedienen und eine Anleihe zurückzuzahlen.
Aufgrund des Liquiditätsengpasses musste eine Gesellschaft Insolvenz anmelden. Sollte es nicht gelingen, rasch zusätzliches Kapital zu beschaffen, könnten sich die Insolvenzanträge häufen. Der Konzern hat Schulden in Höhe von 13 Milliarden Euro. Die Bankkredite sollen sich auf 7,71 Milliarden Euro belaufen. Ein Grossteil davon dürften Hypotheken sein, die durch Pfandbriefe abgesichert sind.
Exotische Kreditvehikel von Julius Bär
Benko hat aber auch spezielle Kredite aufgenommen, die mit eigenen Aktien oder Mieteinnahmen besichert sind. Solche exotischen Kreditvehikel, in Fachkreisen Structured Loans genannt, soll Benko von der Zürcher Privatbank Julius Bär erhalten haben.
Wie der SonntagsBlick von einem Insider erfahren hat, soll die Bank dem österreichischen Financier drei Kredittranchen von je 200 Millionen Franken gewährt haben. Eine Tranche sei durch Sicherheiten gedeckt, hinter deren Werthaltigkeit ein grosses Fragezeichen gesetzt werden müsse, sagt die mit der Sache vertraute Quelle.
Bei den Sicherheiten dürfte es sich um Aktien aus dem Benko-Imperium handeln, die durch die Turbulenzen stark an Wert verloren haben. Sollten nun Teile des Unternehmens in Konkurs gehen, könnte der Wert der Aktien schnell gegen null sinken. Letzten Montag gab die Bank Julius Bär eine Gewinnwarnung heraus und teilte mit, dass sie zwischen 31. Oktober und 19. November eine Rückstellung von 70 Millionen Franken verbucht habe.
Ein weiterer Abschreiber über 130 Millionen möglich
Sollte die wackelige Kredittranche von 200 Millionen vollständig abgeschrieben werden müssen, drohen der Bank weitere Abschreibungen von 130 Millionen Franken. Eine Anfrage zum 600-Millionen-Kredit liess sie am Samstag unbeantwortet. Aufgrund des Bankgeheimnisses kann Julius Bär keine Stellung zu Kundenbeziehungen nehmen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Bank bereits nächste Woche eine weitere Gewinnwarnung herausgeben muss.
Mit dem 600-Millionen-Kredit an René Benko ist Julius Bär ein enormes Klumpenrisiko eingegangen. Das sieht man daran, dass die 600 Millionen fast einen ganzen Jahresgewinn ausmachen. Normalerweise sollte ein Kredit an einen einzelnen Kunden nie mehr als ein Viertel des Jahresgewinns ausmachen.
Wie konnte die Bank ein derart grosses Risiko eingehen? Diese Frage müssen Bankchef Philipp Rickenbacher (51) und Verwaltungsratspräsident Romeo Lacher (63) beantworten, über deren Tische die Kreditanträge gelaufen sind. Dem Vernehmen nach hat sich die Finanzmarktaufsicht (Finma) eingeschaltet. Kommt es zu weiteren Abschreibern, dürfte dies personelle Konsequenzen bei Julius Bär haben.
Globus bisher vom Sturm verschont
Nicht direkt vom Sturm betroffen sind die Schweizer Globus-Warenhäuser, die zur Hälfte dem Signa-Imperium gehören. Die andere Hälfte gehört der thailändischen Central Group, die von einer der reichsten Familien des Landes kontrolliert wird. Tos Chirathivat (59) ist Chairman und CEO der Gruppe, die 1957 ihr erstes Einkaufszentrum in Thailand eröffnete. Die Chirathivat-Familie hat mit der Signa-Gruppe 2020 die Globus-Kette samt Immobilien für eine Milliarde Franken von der Migros gekauft.
Sollte die Signa-Gruppe tatsächlich zusammenbrechen, dürfte Tos Chirathivat seine Beteiligung an Globus ausbauen. Entweder übernimmt er die 50 Prozent von Benko ganz oder teilt sie mit weiteren Investoren. Da bei Globus keine Schulden sofort bedient werden müssen, besteht keine Eile. Eine Entscheidung über die künftige Eigentümerstruktur der Globus-Kette könnte laut Insidern im Januar fallen. Bei der britischen Warenhausgruppe Selfridges hat die Central Group den Anteil von Benkos Signa bereits übernommen.
* Wirtschaftsjournalist Beat Schmid war in seiner Karriere für mehrere grosse Medienhäuser tätig. Er schreibt im SonntagsBlick über Finanzthemen.