Wenn das Baby nicht durchschläft, der Primarschüler im Unterricht nur träumt oder der Teenager sich im Zimmer einschliesst: In den Buchhandlungen gibt es fast für alle Elternprobleme ein Buch, das Hilfe verspricht. Das Angebot wächst unaufhörlich, wie Ursula Hegglin (54) bestätigt, die bei Orell Füssli Thalia (OFT) am Zürcher Bellevue die Abteilung Elternratgeber betreut.
Guter Rat ist immer begehrter. Laut OFT verzeichnet die Sparte Elternratgeber zwischen 2018 und 2020 schweizweit einen Zuwachs von über zehn Prozent. Allerdings steuert sie nur ein Prozent zum Gesamtumsatz bei.
«Ein Dauerbrenner sind die Klassiker von Remo Largo und Jesper Juul», sagt Hegglin. Geschätzt werde an den Büchern von Largo wie «Babyjahre» und «Jugendjahre», dass sie forschungsbasiert seien und auf die biologische Entwicklung fokussierten. Gleichzeitig aber betonten sie die individuellen Fortschritte, die von der «Norm» abweichen könnten. Den Dänen Jesper Juul mit Büchern wie «Elterncoaching – Gelassen erziehen» wiederum zeichne aus, dass er als Erster weniger die Erziehung betonte, sondern vielmehr die Beziehung zu den Kindern.
Die Kantone und viele Städte und Gemeinden bieten Kinder- und Jugendhilfezentren sowie Mütter- und Väterberatungen an, wo sich Eltern gratis beraten lassen können. Sie sind bei den Sozial- und Bildungsämtern angesiedelt. Der Schweizerische Fachverband Mütter- und Väterberatung SF MVB hat eine Übersicht über die Angebote in den Regionen.
Auf der nationalen Plattform Jugend und Medien des Bundesamts für Sozialversicherungen finden Eltern Tipps für den Umgang mit Medien.
Für Eltern, die generell Hilfe brauchen, bietet Pro Juventute rund um die Uhr eine kostenlose Elternberatung an über Telefon (058 261 61 61), Chat oder E-Mail.
Mütter und Väter, aber auch Grosseltern, die sich in der Kindererziehung weiterbilden möchten, finden beim Dach- und Fachverband der Elternbildung in der Schweiz, Elternbildung CH, eine gute Übersicht über den Dschungel von Angeboten.
Die Kantone und viele Städte und Gemeinden bieten Kinder- und Jugendhilfezentren sowie Mütter- und Väterberatungen an, wo sich Eltern gratis beraten lassen können. Sie sind bei den Sozial- und Bildungsämtern angesiedelt. Der Schweizerische Fachverband Mütter- und Väterberatung SF MVB hat eine Übersicht über die Angebote in den Regionen.
Auf der nationalen Plattform Jugend und Medien des Bundesamts für Sozialversicherungen finden Eltern Tipps für den Umgang mit Medien.
Für Eltern, die generell Hilfe brauchen, bietet Pro Juventute rund um die Uhr eine kostenlose Elternberatung an über Telefon (058 261 61 61), Chat oder E-Mail.
Mütter und Väter, aber auch Grosseltern, die sich in der Kindererziehung weiterbilden möchten, finden beim Dach- und Fachverband der Elternbildung in der Schweiz, Elternbildung CH, eine gute Übersicht über den Dschungel von Angeboten.
Geforderte Eltern suchen Tipps
Hoch im Kurs seien neben den Klassikern der männlichen Pioniere vermehrt weibliche Autoren, sagt Hegglin. Diese berichteten – wie dies auch in vielen Online-Blogs der Fall sei – von der Realität als Mutter, dem Alltag, in dem die Kinder auch nervten. Es ist okay, wenn nicht alles perfekt läuft – das sei etwa die Botschaft des derzeitigen Bestsellers «Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn» von Danielle Graf.
«Die aktuellen Renner betonen die Wichtigkeit von Respekt gegenüber Kindern sowie die Liebe und Eigenständigkeit statt der Bevormundung», erklärt Expertin Hegglin. Oft deckten sich werdende Eltern und Grosseltern mit solchen Büchern ein, eher Frauen als Männer.
Neben Kunden, die sich allgemein über Kinder informieren wollen, verschlage es auch Eltern in die Erziehungsbücher-Abteilung, die an ihre Grenzen kämen. Hegglins Beobachtung: «Eltern suchen Antworten.»
Parallel zur gesteigerten Nachfrage bei den Elternratgebern verkauft OFT auch mehr Kinderbücher. Hegglin erklärt sich das unter anderem damit, dass Kinder heute einen höheren Stellenwert hätten.
Externe Hilfe holen ist vermehrt akzeptiert
Den Puls der Zeit treffen auch Angebote für Elternberatung und -bildung. Zugenommen haben sie auch deshalb, weil Fachstellen und etwa Schulen oder Horte besser vernetzt sind und dadurch die Bedürfnisse der Eltern und Kinder schneller erkennen, wie Daniela Melone (53) erklärt, die Geschäftsführerin von Elternbildung CH. Zudem investierten die Kantone mehr in Prävention, besonders bei der Frühförderung, ergänzt die Leiterin des nationalen Dach- und Fachverbands der Elternbildung in der Schweiz.
Mit der Zunahme der Betreuung der Kinder ausser Haus seien Eltern vertrauter damit, mit Fachpersonen über die Entwicklung und Erziehung der Kinder zu sprechen. Sie hätten jederzeit Zugang zu kostenlosen Beratungsangeboten. Zum Beispiel: die Mütter- und Väterberatung, den Elternnotruf und die Pro Juventute Elternberatung. Die Kosten privater Elterncoachings sind laut Melone meistens moderat.
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Keine lukrative Industrie
«In der Elternbildung verdient niemand übermässig, im Gegenteil», sagt Melone. Kurse mit staatlichen Förderbeiträgen seien durch Leistungsvereinbarungen und Qualitätsvorgaben kontrolliert. Sie gingen selten an Private, mehrheitlich an Organisationen und kantonale Instanzen. In der Elternbildung deckten zudem die Honorare für die Kursleitenden die Kosten einer selbständigen Tätigkeit sowie der Vor- und Nachbereitung nicht wirklich. Deshalb sei die Beratung für die meisten selbständigen Elternbilderinnen und -berater ein Nebenjob.
Dank der vielen öffentlichen Angebote gibt es in der Schweiz bislang – im Unterschied etwa zu den USA – keine Kommerzialisierung der Erziehungsberatung. «Wir beobachten keine Entwicklung hin zur sogenannten ‹Parenting Industry›», stellt Melone fest.
Wenn Eltern mit dem Nachwuchs richtig an den Anschlag kommen, ist es meist zu spät für Erziehungskurse und -beratung. Sozialdienste und Fachstellen verweisen die Eltern dann an den Verein Entlastungsdienst. Die Geschäftsführerin des Entlastungsdiensts Zürich, Sarah Müller (46), spricht von einem Zuwachs von Müttern und Vätern, die nervlich am Ende sind. «Die Anzahl Eltern, die mit ihren Kindern überfordert sind und uns deshalb kontaktieren, nimmt zu», sagt Müller.
Diese Eltern kämen zu anderen hinzu, die wegen Kindern mit Behinderung oder Unfall und Krankheiten längerfristige Hilfe brauchten. Akute Probleme gebe es immer häufiger in Familien mit wenig Einkommen oder Migrationshintergrund, weiss Müller. Ihnen fehlten oft ein soziales Netz und Verwandte, die unterstützen könnten. Der Entlastungsdienst wird für seine Leistungen vom Bund via Pro Infirmis und Kantonen bezahlt. Claudia Gnehm
Wenn Eltern mit dem Nachwuchs richtig an den Anschlag kommen, ist es meist zu spät für Erziehungskurse und -beratung. Sozialdienste und Fachstellen verweisen die Eltern dann an den Verein Entlastungsdienst. Die Geschäftsführerin des Entlastungsdiensts Zürich, Sarah Müller (46), spricht von einem Zuwachs von Müttern und Vätern, die nervlich am Ende sind. «Die Anzahl Eltern, die mit ihren Kindern überfordert sind und uns deshalb kontaktieren, nimmt zu», sagt Müller.
Diese Eltern kämen zu anderen hinzu, die wegen Kindern mit Behinderung oder Unfall und Krankheiten längerfristige Hilfe brauchten. Akute Probleme gebe es immer häufiger in Familien mit wenig Einkommen oder Migrationshintergrund, weiss Müller. Ihnen fehlten oft ein soziales Netz und Verwandte, die unterstützen könnten. Der Entlastungsdienst wird für seine Leistungen vom Bund via Pro Infirmis und Kantonen bezahlt. Claudia Gnehm
Wann es sich lohnt, Hilfe zu holen
Doch wieso brauchen Eltern Erziehungsberatung, wenn es früher auch ohne ging?
Annette Cina (49), Psychologin und Oberassistentin am Institut für Familienforschung
und -beratung der Universität Freiburg, sagt: «Nicht alle müssen zwingend in einen Erziehungskurs, das wäre vermessen.» Aber wenn Eltern merkten, dass ihnen der Umgang mit den Kindern Mühe bereite, und das Miteinander stark geprägt werde durch immer wiederkehrende Konflikte und Streitigkeiten, lohne es sich, Hilfe zu holen. Sich Hilfe zu holen, heisse nicht, dass man unfähig sei.
Erziehungsarbeit sei anspruchsvoll und komplex. «Es gibt oft nicht ‹den› Weg, der für alle Kinder gut ist», betont sie. Cinas Institut unterstützt schweizweit Kurse und bietet auch die Gratis-App «Eltern sein» an.
Ein dickes Geschäft sei Elternberatung nicht. «Im Bereich der Elternbildung reich zu werden, ist sehr, sehr schwierig», so Cina. Unterstützung von Familien sei nicht lukrativ, ebenso wenig wie Berufe in der Erziehungsberatung.