Streit um pädagogische Fragen
Was man darf und was nicht

Väter erziehen mehr mit als früher. Das kann zu Konflikten in der Familie führen. Für Kinder ist das aber nicht unbedingt schädlich. Wenn alle fair bleiben.
Publiziert: 17.11.2020 um 17:22 Uhr
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Schadet Uneinigkeit beim Erziehen dem Kind? Der letzte Woche verstorbene Kinderarzt Remo Largo (†76), der mit seinen Büchern «Babyjahre» und «Kinderjahre» ganzen Elterngenerationen Gelassenheit gepredigt hat, gab Entwarnung.
Foto: Keystone

Der Papa will, dass vor dem Abendessen keine Süssigkeiten genascht werden. Die Mama steckt dem Kind heimlich trotzdem ein Bonbon zu und sagt: «Psst, unser Geheimnis!» Zweites Beispiel: Der Papa tollt mit den Kindern im Regen herum. Dafür verantwortlich, nachher die matschigen und nassen Kleider aufzuräumen und den schlammigen Boden im Eingangsbereich aufzuwischen, ist dann aber selbstverständlich die Mama.

Zwei Beispiele, bei denen die Geschlechter austauschbar sind – und bei denen die Fetzen in einer Paarbeziehung fliegen können. Unterschiedliche Auffassungen von Erziehung sind oft Streitgründe für Eltern.

Schadet man den Kindern, wenn man offensichtlich nicht am selben Strang zieht? Die gute Nachricht: «Nein», schrieb hierzu der bekannte Familientherapeut Jesper Juul (1948–2019) ganz klar in seinem Buch «Was Familien trägt». Dass Eltern sich über die Erziehung ihrer Kinder einig sein müssen, sei «eine veraltete Wertvorstellung».

Auch der letzte Woche verstorbene Kinderarzt Remo Largo (†76), der mit seinen Büchern «Babyjahre» und «Kinderjahre» ganzen Elterngenerationen Gelassenheit gepredigt hat, gab Entwarnung. Er schrieb sinngemäss in seinen Büchern, es sei für Kinder gar positiv, wenn sie unterschiedliche Entscheidungen und unterschiedliches Verhalten ihrer Eltern erleben. Kinder und Jugendliche lernen so, dass unterschiedliche Meinungen zu verschiedenen Themen zulässig sind und verhandelt werden können. Das mache sie kritikfähig, selbstbewusst und deshalb auch lebenstüchtig.

Streiten Sie weiter – aber fordern Sie keine Loyalität von den Kindern

Einen Wermutstropfen gibt es aber: Während einzelne Streitigkeiten normal sind und die Konfliktfähigkeit von Kindern gemäss diversen Erziehungswissenschaftlern sogar fördern können, ist ein zermürbender, destruktiver Dauerstreit – oder wenn sich ein Elternteil mit dem Kind gegen den anderen verschwört – tatsächlich schädlich.

Während also die Sache mit dem Regen und Matsch relativ leicht regeln ist, indem man Verantwortlichkeiten klärt, ist das Beispiel mit dem Bonbon schwerwiegender, da sich hier Eltern gegeneinander ausspielen und die Kinder so in einen Loyalitätskonflikt geraten. Das sei ungesund für Kinder, da sie verunsichert würden und ihnen der feste Rahmen fehle, sagte hierzu sinngemäss Jesper Juul.

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