Am Jahresende blickt man auch mal zurück. Was ist gut gelaufen, was weniger? Welche Geschichten bleiben, welche verfliegen? Mir persönlich bleiben die ganz traurigen. Der Tod von Gino Mäder im Juni. Wie still es auf der Redaktion wurde, als die Nachricht kam, bedrückend, als würde die Zeit stehenbleiben und nichts würde jemals wieder werden, wie es einmal war. Ein furchtbarer, tieftrauriger Tag.
Ich bewundere meinen Blick-Kollegen Mathias Germann, der als Rad-Reporter darüber berichten musste. Er habe da ganz unbewusst funktioniert, sagte er mir kürzlich beim Weihnachtsessen. Vielleicht ist das ein automatischer Schutz, dass man einfach funktionieren kann in so einer schmerzvollen Situation, wenn man persönlich betroffen ist und trotzdem seinen Job machen muss. Mathias hat einen verdammt guten Job gemacht.
Er war es auch, der drei Monate nach dem Tod von Gino mit Papi Andreas Mäder an den Unfallort am Albulapass ging und mit ihm über das Leben und das Sterben sinnierte. Und vor Weihnachten hat Mathias mit Ginos Schwestern Jana, Laura und Lisa geredet – über das Vermissen, das Trauern, das Erinnern.
Schockdiagnose Frühdemenz
Das sind die Storys, die mich in diesem Jahr am meisten berührten, die mir unter die Haut gingen, die ich nicht mehr vergessen werde. Auch weil sie einem bewusst machen, wie nah Glück und Unglück beisammen liegen. Wie schnell alles gehen kann, wie dankbar man sein und wie bewusst man jeden Tag erleben und geniessen sollte.
Kürzlich traf ich einen Fussballer-Kollegen, mit dem ich einst zusammenspielte in den frühen Neunzigern. Es geht ihm nicht gut. Er ist an Alzheimer erkrankt. Martin Ogg ist erst 55 Jahre alt. Der frühere Abwehrchef des FC Schaffhausen kämpft nun nicht mehr gegen die Stürmer an, damit diese keine Tore erzielen. Sein grosser, unbezwingbarer Gegner ist die Krankheit, die ihm nach und nach die Nervenzellen im Gehirn zerstört und seine Erinnerungen klaut.
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Auch das ist eine traurige Geschichte. Martin wollte sie erzählen, solange er das noch kann. Und ich habe sie aufgeschrieben. Das war emotional und hat mich betroffen gemacht. Aber es war auch positiv berührend, ihm zuzuhören, wie er über seine Zukunftspläne plauderte und dabei verriet, dass er seine Partnerin im Februar heiraten wird und die beiden danach auf eine längere Reise nach Thailand aufbrechen werden.
Ogg will sich nicht verstecken, nimmt sein Schicksal an – und in die Hände. Das imponiert mir, genauso wie seine Partnerin, die ihn erst nach der Diagnose kennengelernt hat und ihn nun mit Liebe auf seinem Weg Hand in Hand begleitet.
Hoffentlich lächelt Gino
Krankheit und Tod sind Facetten unseres Lebens, die es uns nicht einfach machen, sie zu akzeptieren, mit ihnen klarzukommen. Eine Herausforderung, die viel verlangt, aber uns auch viel lehrt. Wir müssen Wege finden. So wie Jana, eine der drei Schwestern von Gino Mäder. Sie fing vor kurzem wieder an, Rennvelo zu fahren. «Wenn ich Gino etwas sagen will, fahre ich los. Ich erzähle ihm von meinem Tag und was ich erlebt habe.»
Und manchmal, wenn mal wieder ein steiler Hoger ansteht, schimpfe Jana mit Gino. Dann fragt sie ihn vorwurfsvoll: «Hättest du nicht einen einfacheren Sport aussuchen können?» Vielleicht, ich hoffe es sehr, lächelt Gino in diesen Momenten seiner Schwester zu und hilft ihr bergauf. Das wäre schön. Und tröstlich.