Behörden greifen durch
Weshalb die Schliessung der Fankurven für Probleme sorgt

Immer wieder kommt es in der Schweiz zu Fan-Ausschreitungen. Kollektivstrafen sind aber nicht die Lösung, schreibt Björn Lindroos im Newsletter Steilpass.
Publiziert: 21.12.2023 um 13:48 Uhr
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Aktualisiert: 04.01.2024 um 15:02 Uhr
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Von Pyros verdeckt: FCL-Fans zeigen ein Banner mit der Aufschrigt «Auf Kollektivstrafen folgen kollektive Antworten».
Foto: Martin Meienberger/freshfocus
Björn Lindroos

Am letzten Super-League-Wochenende des Jahres sorgten die Fankurven aller Teams der Liga für Aufsehen. Während jeder Partie protestierten sie mit Bannern und weissen Rauchtöpfen gegen Kollektivstrafen. «Auf Kollektivstrafen folgen kollektive Antworten», so das Motto der gemeinsamen Aktion.

Damit wollten die Fanszenen ein Zeichen gegen die in letzter Zeit immer härter werdenden Strafen setzen. So wurden beispielsweise die Fankurven von Servette und Lausanne nach den Ausschreitungen am Léman Derby von Anfang Dezember für je ein Spiel gesperrt. Ebenso wird die Berner Ostkurve nach den Sachbeschädigungen in Zürich vom Oktober beim nächsten YB-Heimspiel gegen GC geschlossen bleiben.

Doch macht ein Protest dieser Art wirklich Sinn? Ich denke nicht. Die Behörden und die Liga werden sich wohl kaum auf einen Kompromiss einlassen, wenn die Fans das Stadion in Rauch einhüllen. Mehrere Spiele mussten wegen der Proteste kurz unterbrochen werden, die Aktion wirkte also eher kontraproduktiv.

Gut, greift die Liga durch

Beim Thema Kollektivstrafen befinde ich mich in einem Zwiespalt. Klar, es ist gut, dass gehandelt und gegen die Fan-Gewalt rund um die Schweizer Stadien hart vorgegangen wird. Doch mein Problem mit den Kollektivstrafen ist, dass oft die falschen Personen damit bestraft werden und darunter leiden.

Denn meist werden diese Strafen nach Vorfällen, welche ausserhalb des Stadions stattfinden, ausgesprochen. Für diese sind aber oft ein paar wenige Übeltäter verantwortlich, die nicht unbedingt ins Stadion gehen, um ihren Klub zu unterstützen. Die Leidtragenden sind am Ende aber eben auch diese Fans, die ihr Team zwar frenetisch, aber völlig friedlich 90 Minuten im Stadion unterstützen wollen. Und die Spieler, die plötzlich vor einer leeren Fankurve spielen müssen.

Es braucht einen Dialog

Für mich ist klar: Der Dialog zwischen den Behörden und der Fanszene muss verstärkt werden. So wurde beispielsweise die Fanarbeit Schweiz, ein Verein, der das Organ zwischen Liga und Fans bilden sollte, Ende 2021 wegen «unterschiedlicher Auffassungen über die Zukunft» eingestellt. Der SFV und die SFL stellten damals die Finanzierung ein, eine Fortführung der Arbeit war nicht mehr möglich. Doch genau ein solches Organ fehlt jetzt.

Denn die Fanszenen bestehen aus vielen jungen Menschen. Zu diesen muss ein Draht gefunden werden. Am besten von Personen, die ihnen auf Augenhöhe begegnen können. Nur so sind langfristige Lösungen in Zukunft möglich.

Härtere Strafen für Einzeltäter

Doch was sind die Alternativen von Kollektivstrafen? Die Einzeltäter härter zu bestrafen! Man muss die Personen, die rund um die Stadien für Krawalle sorgen, langfristig aus dem Verkehr ziehen. Würde die Polizei da noch etwas härter durchgreifen, könnte es ein starkes Signal an die Krawallmacher senden – stärker, als die Heimkurven für einzelne Spiele zu sperren.

Und personalisierte Tickets? Mit jedem einzelnen Vorfall gewinnen sie in der Öffentlichkeit grössere Akzeptanz. Bei den eingefleischten Fans sind sie aber seit jeher verrufen. Und ob sie wirklich helfen? Auch die Saisonkarten der Vereine sind mit Namen versehen und helfen dennoch nicht bei der Identifikation von Übeltätern.

Premier League als Negativbeispiel

Da befürchte ich, dass man so seine Fankultur verlieren könnte. Blickt man zum Beispiel in die Premier League, wo personalisierte Tickets seit Jahren fixer Bestandteil sind, dreht sich jedem Fussballromantiker der Magen um. Die traditionelle Fankultur gibt es vielerorts nicht mehr, von ursprünglichen Fankurven fehlt in den mit Touristen gespickten Mega-Stadien oft jede Spur. Viele alteingesessene Fans verfolgen die Spiele ihres Teams nur noch in Bars, sie meiden die Stadien. Zudem finden viele Auseinandersetzungen in tieferen Ligen und auf den Strassen statt – fernab von Medien und Polizei.

Für die Schweiz wäre das ein Worst-Case-Szenario. Denn schliesslich lebt unsere Liga immer noch von ihren Kurven, den Choreografien und der Stimmung in den Stadien. Ein Draht soll gefunden werden. Dialog statt Repression.

Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Lugano
FC Lugano
18
6
31
2
FC Basel
FC Basel
18
21
30
3
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
18
9
30
4
FC Luzern
FC Luzern
18
3
29
5
Servette FC
Servette FC
18
2
29
6
FC Zürich
FC Zürich
18
-1
27
7
FC Sion
FC Sion
18
4
26
8
FC St. Gallen
FC St. Gallen
18
6
25
9
BSC Young Boys
BSC Young Boys
18
-4
23
10
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
18
-12
17
11
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
18
-10
15
12
FC Winterthur
FC Winterthur
18
-24
13
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