Russi analysiert die traumhafte WM
«Odermatt kommt in die Kategorie Weltrekord»

Mit sagenhaften 13 Schweizer Medaillen geht die Ski-WM 2025 in die Geschichte ein. Blick-Experte Bernhard Russi analysiert die goldenen Saalbach-Tage. Und kommt auch auf überraschende Erkenntnisse.
Publiziert: 17.02.2025 um 17:45 Uhr
|
Aktualisiert: 17.02.2025 um 17:48 Uhr
1/8
Zwei Weltmeister von Saalbach: Marco Odermatt (r.) brillierte im Super-G, Raphael Haaser gewann den Riesenslalom.
Foto: Sven Thomann

Auf einen Blick

Die Zusammenfassung von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast.
russi-tdd317770.jpg
Bernhard RussiBlick-Kolumnist

Die WM-Pisten

Vor Beginn dieser Wettkämpfe wurden die Pisten von einigen Athleten und Teamleadern als eher leicht, etwas zu flach eingestuft, vielleicht zu wenig selektiv. Wir wurden eines Besseren belehrt. Sie waren hervorragend präpariert. Klar, das Wetter war perfekt und trug den nötigen Anteil bei. Durch einige Geländeanpassungen, Wellen und Schräglagen und die cleveren Kurssetzungen waren die Fahrerinnen und Fahrer gefordert und ohne die richtige Taktik auch überfordert. Über 60 Prozent Ausfälle in den Slaloms sind sicher rekordverdächtig!

Die Weltmeister

Bis auf wenige Ausnahmen hatten die Topfavoriten Mühe, sich durchzusetzen. Breezy Johnson (Abfahrt Frauen), Franjo von Allmen (Abfahrt Männer) Raphael Haaser (Riesenslalom Männer) siegten zum ersten Mal in ihrer Gold-Disziplin.

Die Überraschung

Der Österreicher Raphael Haaser gewinnt den Riesenslalom in einer eindrücklichen Manier und Selbstverständlichkeit. Dabei war er vorher noch nie auf einem Podest in dieser Disziplin. Überhaupt haben die Österreicher aufgrund der doch eher schwachen Weltcupsaison mit ihren sieben Medaillen positiv überrascht.

Die Enttäuschung

Dieses schwere Kapitel hat weniger mit der Leistung als mit den erwarteten Resultaten zu tun. Aufgrund ihres Potenzials, ihrem früher gezeigten Können, ihres Palmares und sicher auch ihrer Erwartungen gehören Lara Gut-Behrami – trotz Silber in der Kombi – Michelle Gisin und auch Daniel Yule zu jenen, die nun im Weltcup die WM-Enttäuschungen vergessen machen wollen. Dazu gehört auch die italienische Speed-Favoritin Sofia Goggia! Auch die Norweger haben enttäuscht. Sie gingen mit 6 Siegen und 17 Podestplätzen in der laufenden Saison bei den Männern mit vier Topfavoriten in die WM. Magere Ausbeute: Zwei Männer-, eine Frauen-Medaille, aber keinen Titel.

Die Garantie

Unglaublich, was Wendy Holdener immer wieder abliefert. Ihre bereits neun gesammelten Medaillen an Weltmeisterschaften sind die Garantie für eine ganze Mannschaft. Dass sich kein Gold darunter befindet, schmälert ihre Erfolge in keiner Art und Weise. Das kann man auch nicht analysieren oder begründen. Das sind Kleinigkeiten, Hundertstel oder Zufälle, die zum Spitzensport wie zum Leben gehören.

Der Überflieger

Besser geht es nicht. Was Marco Odermatt im Super-G gezeigt hat, reihe ich in die Kategorie «Weltrekorde» ein. Es ist nicht nur die eine Sekunde, die er vor allen anderen im Ziel war. Es ist die typische Art und Weise, wie sie nur unser Odi hinzaubern kann. Die Perfektion während des ganzen Rennens. Die mutige Linie. Das sichtliche Gefühl für den Schnee. Die perfekte Symbiose zwischen Kopf, Körper, Material und Natur. Diese Fahrt wird noch lange immer wieder als «die Beste» aus dem TV-Archiv geholt.

Das Highlight

Die Abfahrt der Männer. Weil sie ein junger, unverdorbener Schweizer, unser Franjo von Allmen, in einer Art und Weise gewonnen hat, die nicht geplant war und auch nicht kopiert werden kann. Es war die pure Kombination aus Überzeugung und Intuition. Ein Highlight aber auch, weil aus von Allmens Einzelsieg ein noch nie dagewesener Mannschaftssieg geworden ist. Die Siegerehrung mit dem Weltmeister, Bronze-Gewinner Alexis Monney und mit der ganzen Mannschaft in der ersten Reihe – alle frisch geschoren und mit innbrünstigem Gesang zur Nationalhymne – war Gänsehaut pur und tränentreibend.

«Pfiat di», Danke und auf «Wiederschaun»

Es waren in jeder Beziehung wunderbare, perfekte Ski-Weltmeisterschaften. Danke für die Gastfreundschaft und vor allem Danke an das farbenprächtige Publikum. Rund 250‘000 Zuschauer bescherten während allen Rennen und Siegerehrungen dem Ganzen einen weltmeisterlichen Rahmen. Egal welche Flagge, egal welche Farbe, welche Sprache oder welche Nation, die Athletinnen und Athleten wurden immer sportlich, fair und mit voller Begeisterung begleitet.

Die Zukunft

Ab jetzt wird alles mit gestern verglichen. In zwei Jahren werden wir die Gastgeber sein. Crans-Montana hat alles, was es braucht, um die vorgegebenen Ziele zu erreichen. Wir haben die selektiven Pisten. Aber wird uns das Wetter und die Temperaturen an diesen Südhängen auch so wohlgesinnt sein wie in Saalbach?

Die Teams werden nicht mehr die gleichen sein. Lara Gut-Behrami wird als grosse Figur nicht mehr dabei sein. Umso wichtiger wird dann Holdener. Abgänge werden ersetzt werden müssen. Aber diesbezüglich habe ich keine Bedenken. Marco Odermatt wird im besten Leistungsalter sein und alle, die wir jetzt noch als Junge und Verrückte bezeichnen, werden reifer, routinierter und noch besser sein.

Allerdings erwarte ich von der Konkurrenz ein extremes Erwachen. Das Skiland Österreich will wieder zurück an die Spitze und was sich in dieser Weltcupsaison abgezeichnet hat, wird sich noch verstärken. Andere Nationen holen auf und bringen ihre Ausnahmetalente in Podest-Positionen.

Der Medaillenspiegel ist jeweils nur eine Momentaufnahme. Und ob Swiss Ski die 13 wiederholen kann oder die 14 von der Heim-WM 1987 noch toppen wird, wage ich zu bezweifeln. Crans-Montana kann und wird eine sehr gute WM auf die Beine stellen, mit einem begeisterten Publikum und hoffentlich mit vielen Schweizer-Top-Favoriten und eben mit einigen Titeln, die es zu verteidigen gilt. Was nicht einfach ist – in Saalbach schaffte es niemand. 

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?