BLICK: Christian Stucki, wie haben Sie die letzte Nacht verbracht?
Christian Stucki: (lacht) Ich war im Bett!
Und wie lange waren Sie da?
Nicht sehr lange. Ich musste noch in den Gabentempel, es wurde ungefähr 1 Uhr, bis ich dort drankam. So um Viertel vor 2 war ich in meiner Unterkunft in Zug.
Und dann haben Sie geschlafen?
Nicht sofort. Ich habe mir dann mal all die Nachrichten auf dem Handy angeschaut, habe noch ein bisschen Sport geschaut im TV. Es dürfte so 4.20 Uhr gewesen sein, bis ich geschlafen habe. Und um 7 Uhr hat mich dann Radio SRF schon für ein Interview für die Morgensendung geweckt, danach habe ich nicht mehr geschlafen.
Der Grund dafür ist ja angenehm.
Oh ja. Das erlebst du nur einmal im Leben. (grinst) Ich bin überhaupt nicht traurig.
Sie sind Schwingerkönig. Ist Ihnen schon klar, was Sie da geschafft haben?
Noch nicht ganz. Ich bin noch nicht so richtig in dem Film angekommen. Vorher auf der Heimfahrt hat es ein bisschen durchgedrückt, da ist mir die eine oder andere Träne gekommen. Es kommt langsam.
Was bedeutet Ihnen dieser Titel?
Sehr viel. Ich habe jahrelang darauf hingearbeitet. (zögert) Moment: In den ersten Jahren habe ich zu wenig darauf hingearbeitet, in den letzten zweieinhalb Jahren dafür umso härter. Und dass ich es jetzt schaffe, ist umso schöner. Die Stunden, die man entbehrt hat, für die man die Familie vernachlässigen musste, die zahlen sich nun aus.
Gibt es ein spezielles Dankeschön an Ihre Frau Cécile und an die Buben, die zuletzt auf Sie verzichten mussten?
Ach, etwas besonderes… Ich probiere in der nächsten Zeit wieder mehr für sie da zu sein. Ich kann die Zeit ja nicht nachholen. Aber wir können es wieder ein bisschen mehr geniessen, wenn der erste Rummel nach dem Königstitel durch ist. Wir gehen bald in die Ferien, dort werde ich ganz präsent sein.
Haben Sie ein schlechtes Gewissen, dass Sie so viel weg sind?
Ja, manchmal schon. Aber ich bin vor allem dankbar. Meine Frau hat mich in jeder Sekunde unterstützt, sie hat mir den Rücken freigehalten. Sie hat geholfen, dieses Puzzle zusammenzusetzen.
Was haben die Buben zu ihrem Sieg gesagt?
Elia, der jüngere, nimmt das noch gar nicht so wahr, der ist noch zu klein. Xavier ist sechs Jahre alt, er kam angerannt, hat gerufen «Papi, kann ich den Kranz haben?» und ist mit dem Kranz davongerannt. Viel Zeit zum Reden hatten wir noch gar nicht, jetzt seid ihr ja schon da!
Die beiden Söhne waren in Zug nicht dabei. Bewusst, damit Sie sich besser konzentrieren können?
Die Mutter meiner Frau und ihre Tante waren hier bei uns in Lyss, die haben zu ihnen geschaut. Für die beiden ist es nicht so einfach, wenn der Papi so weit weg ist. Und Xavier ist sehr nervös, wenn er mich schwingen sieht. Für meine Frau wäre es anstrengender gewesen, die beiden auf der Tribüne im Zaum zu halten.
Aber es war das fokussierteste Eidgenössische Ihrer Karriere?
Definitiv. Ich habe lange im Voraus keine Zeitung mehr gelesen, Facebook habe ich auch gleich abgestellt. Ich wollte mich komplett aufs Schwingen konzentrieren. Wir haben uns gesagt, wir ziehen das durch.
Die Berner haben ja einen Lauf. Fussball-Meister, Hockey-Meister, Schwingerkönig. Sie sind YB-Fan – was trauen Sie den Bernern am Dienstag in der Champions-League-Quali zu?
Das wird ein hartes Pflaster in Belgrad, ein Hexenkessel. Aber die letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass nichts unmöglich ist. Die Ausgangslage könnte idealer sein. Aber ein Tor machen und keines bekommen, das kann schon klappen.
Vielleicht gibt Ihr Titel YB ja einen Schub.
Champions League ist schon noch mal eine andere Liga. Aber ich hoffe sehr, dass es gelingt!
Letzte Frage: Ohne den Gestellten von Sven Schurtenberger gegen Armon Orlik hätten Sie es nicht in den Schlussgang geschafft. Haben Sie ihm schon eine Kiste Bier geschickt?
Der bekommt nichts. Er hat als Innerschweizer gegen Orlik für Joel Wicki geschwungen. Das war natürlich eine edle Geste und ich habe davon profitiert. Sonst wäre ich jetzt nicht hier, das ist mir klar. Aber er hat es nicht für mich gemacht, sondern für Joel. Darum muss ich mich nicht bedanken.
Sie packen ihn nicht sanfter an beim nächsten Duell?
(schmunzelt) Nein. Im Sägemehl gilt es dann wieder ernst.