Alleinerziehende Mutter Annette Saloma (40) aus Uster ZH
«Der Lockdown brachte mich an den Rand eines Burnouts»

Annette Saloma (40) ist alleinerziehende Mutter zweier Kinder. Ihr Leben besteht zum grössten Teilen aus Organisation, Kampf um das Aufrechterhalten sozialer Kontakte – und ganz viel Mutterliebe.
Publiziert: 20.11.2020 um 00:47 Uhr
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Aktualisiert: 29.03.2023 um 13:32 Uhr
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Annette Saloma (40) ist alleinerziehende Mutter. Sie erzählt von einem Leben voller Herausforderungen.
Foto: Nathalie Taiana
Flavio Razzino

Ein ganz normaler Mittwoch bei Annette Saloma (40) in Uster ZH. Auf dem Esstisch in der Küche steht ihr Notebook, auf dem Gasherd brutzelt in einer Pfanne Tofu und Gemüse. Sie jongliert zwischen der Arbeit und dem Zmittag. Die Journalistin muss einen Artikel für den «Zürcher Oberländer» abgeben – und schon bald kommen ihre beiden Kinder hungrig von der Schule.

Saloma bleibt trotz Stress und technischer Probleme bei der Übermittlung ihres Artikels ruhig. Alles Alltag für die alleinerziehende Mutter. Sie kennt nichts anderes – und auch diesmal wird alles gut gehen.

Alleinerziehend? «Das war nie ein Wunsch von mir»

Saloma hat 2011 ihre erste Tochter bekommen, 2014 folgte der Sohn. Seit 2016 ist die Journalistin alleinerziehende Mutter. Ihr Ex-Mann sieht die Kinder jeden zweiten Sonntag und einmal pro Monat an einem ganzen Wochenende. «Ich meistere den Alltag weitestgehend allein. Treffe alle Entscheidungen, was die Kinder betrifft. Und besuche jeden Elternabend, weil ich die Termine nicht mit dem Vater der Kinder teilen kann», sagt sie. Ein Knochenjob fast ohne Verschnaufpausen.

Es sei nie ihr Wunsch gewesen, die beiden Kinder allein grosszuziehen. Doch die Beziehung mit ihrem Ex sei trotz Therapie nicht mehr zu retten gewesen. Und jetzt versucht Saloma eben, das Beste daraus zu machen. Es ist kein einfaches Leben, das die Frau nun führt.

«Sozial ist es eine Herausforderung»
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Knochenjob Alleinerziehende:«Sozial ist es eine Herausforderung»

Auf einmal einsam

Es war während ihrer Ferien auf Korsika 2016, als Saloma merkte, was ihr am meisten fehlt: Gesellschaft mit Gleichaltrigen. «Nach der Trennung vom Vater meiner Kinder waren die Korsika-Ferien die ersten, die ich mit den Kindern alleine verbrachte», erzählt die Ustermerin. «Vor der Abreise malte ich mir das alles wunderschön aus: Strand, Sonne und viel Zeit, die wir zusammen geniessen können.»

Doch die Realität holte die Mutter abends im stillen Hotelzimmer ein: «Plötzlich merkte ich, wie einsam ich trotz meiner Kinder bin.» Nämlich dann, wenn diese im Bett lagen und in der Hotelanlage unten das Leben der Erwachsenen ohne die verantwortungsbewusste Mutter weiterging.

Fast 15 Prozent der Familien haben nur einen Elternteil

♦ Familien mit alleinerziehendem Elternteil machen 14,4 Prozent aller Familienhaushalte aus.

♦ Bei 83 Prozent dieser Ein-Eltern-Familien leben die Kinder hauptsächlich bei der Mutter.

♦ 40 Prozent der geschiedenen Eltern haben ein gemeinsames Sorgerecht. Davon haben 16 Prozent auch die Kinderbetreuung auf je 50 Prozent aufgeteilt.

♦ Jedes fünfte Elternteil zahlt die Alimente für die Kinder entweder unpünktlich, nur teilweise – oder gar nicht.

Quelle: Bundesamt für Statistik

♦ Familien mit alleinerziehendem Elternteil machen 14,4 Prozent aller Familienhaushalte aus.

♦ Bei 83 Prozent dieser Ein-Eltern-Familien leben die Kinder hauptsächlich bei der Mutter.

♦ 40 Prozent der geschiedenen Eltern haben ein gemeinsames Sorgerecht. Davon haben 16 Prozent auch die Kinderbetreuung auf je 50 Prozent aufgeteilt.

♦ Jedes fünfte Elternteil zahlt die Alimente für die Kinder entweder unpünktlich, nur teilweise – oder gar nicht.

Quelle: Bundesamt für Statistik

Saloma ist eine von vielen alleinerziehenden Elternteilen in der Schweiz . Tagtäglich muss sie Erziehung, Job, Haushalt und ihr eigenes Privatleben unter einen Hut bringen. Das geht nur mit ganz viel Verzicht.

Etwa, was soziale Kontakte betrifft. «Ein Feierabendbier mit Arbeitskollegen trinken oder der Ausgang am Freitagabend liegt für mich meistens nicht drin. Wenn, dann muss alles gut organisiert sein», sagt sie.

Unterstützung von den Eltern

Saloma wäre es lieber, wenn ihr Ex-Mann mehr am Leben der beiden Kinder teilnähme. «Ich wäre die Erste, die versuchen würde, das möglich zu machen», sagt sie. Doch damit kann sie nicht rechnen.

Doch allein ist Saloma nicht immer. «Ich kann zum Glück auf die Unterstützung meiner Eltern zählen, zumindest vor Ausbruch des Coronavirus war das so. Ich habe mir zudem auch ein Netzwerk zu anderen Eltern aufgebaut, wir helfen uns jetzt gegenseitig, was auch mir die Möglichkeit gibt, abends mal auszugehen oder mehr berufliche Termine wahrzunehmen», sagt sie.

Sie hütet montags und freitags die Kinder ihrer Nachbarin, ihre eigenen Kinder können manchmal wiederum bei anderen Eltern essen oder übernachten. Es sind Momente, in denen sich Saloma um sich selber kümmern kann. «Das brauche ich, um weitermachen zu können», sagt sie.

Am Rande eines Burnouts

Der Ausbruch des Coronavirus im Frühling hat sie indes besonders hart getroffen. «Ich muss sagen, dass ich am Ende des ersten Lockdowns, als die Kinder nicht mehr in die Schule konnten, am Rande eines Burnouts stand. Es war unglaublich streng.» Einerseits musste sie ihre Kinder ganztags betreuen, andererseits hatte sie auch ihren Job. Und die Kinder konnten weder zu ihren Grosseltern noch zu anderen Kindern.

«Zum Glück sind wir drei als Familie ein gutes Team», sagt Saloma. «Wir sind sehr aktiv, verbringen viel Zeit draussen, machen ein Feuer, gehen auf Spielplätze, sind immer unterwegs.» Sie will eine gute Mutter sein, für ihre Kinder das Maximum geben.

Das Geld ist chronisch knapp

Die Möglichkeiten sind allerdings beschränkt. Saloma kann keine Vollzeitstelle annehmen, bei ihrem Arbeitgeber hat sie aktuell ein 40-Prozent-Pensum. Die Alimente, die der Vater ihrer Kinder zahlt, sind ebenfalls gering. «Es ist ein steter Kampf ums finanzielle Überleben.» Typisch für alleinerziehende Eltern. Nirgends ist die Gefahr, in die Armut abzurutschen, grösser als bei dieser Familienkonstellation.

Die chronische Zeitnot birgt ein weiteres Problem: «Es ist für mich praktisch unmöglich, einen neuen Partner zu finden!» Trotz aller Herausforderungen wirkt Saloma kämpferisch – ja optimistisch. Und jammern über ihre Situation will sie schon gar nicht. Denn: «Ich erlebe das Aufwachsen meiner Kinder ganz intensiv, die ganze Situation schweisst uns auch zusammen – und das ist etwas, das für mich auch einen grossen Wert hat.»

Getrennt, aber nicht allein

Früher lief eine Scheidung in den meisten Fällen darauf hinaus, dass ein Elternteil (meistens die Mutter) mit dem Sorgerecht und der alleinigen Obhut die Erziehung übernimmt – während der andere Elternteil zahlt.

Seit 2016 ist bei einer Scheidung das Sorgerecht nun automatisch zwischen der Mutter und dem Vater geteilt – ausser wenn gewichtige Gründe dagegen sprechen. Die Obhut verbleibt aber auch bei diesem Fall häufig nur bei einem Elternteil, was konkret bedeutet: Während das Kind beim einen Elternteil wohnt, ist es beim anderen jeweils nur zu Besuch. Sämtliche Fragen des Alltags entscheidet jener Elternteil, der die Obhut hat.

Neu jedoch wird auch hier die Verantwortung immer stärker auf beide Eltern aufgeteilt – wenn das möglich ist. Bei dieser alternierenden Obhut wohnen die getrennten Eltern nicht weit voneinander entfernt und können beide mindestens 30 Prozent der Zeit für die Betreuung der Kinder aufwenden. Heute haben sowohl Vater als auch Mutter das Recht, die alternierende Obhut zu verlangen. Auch gegen den Willen des anderen Elternteils. Einschränkungen gibt es nur, wenn bei der Abwägung eine solche Obhuts-Regelung nicht dem Kindeswohl entspricht. Flavio Razzino

Früher lief eine Scheidung in den meisten Fällen darauf hinaus, dass ein Elternteil (meistens die Mutter) mit dem Sorgerecht und der alleinigen Obhut die Erziehung übernimmt – während der andere Elternteil zahlt.

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