Trump spricht über Zölle mit der Schweiz
0:23
Lang erwartete Rede:Trump spricht über Zölle mit der Schweiz

Ökonom zum US-Zollhammer
«Wahrscheinlich geht Trumps Rechnung kurzfristig auf»

Zölle, Drohkulissen und Show: Trumps Handelspolitik ist laut dem renommierten Schweizer Ökonomen Mathias Binswanger mehr Machtspiel als Ökonomie – aber gefährlich effektiv.
Publiziert: 05.04.2025 um 17:16 Uhr
|
Aktualisiert: 05.04.2025 um 21:55 Uhr
1/4
Mathias Binswanger gehört zu den einflussreichsten Ökonomen der Schweiz.
Foto: Siggi Bucher

Darum gehts

  • Trumps Zollpolitik: Rückfall in Merkantilismus und Machtdemonstration der USA
  • Schweiz sollte ihre Rolle als nützlicher Partner der USA betonen
  • Trumps Rechnung könnte kurzfristig sogar aufgehen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
RMS_Portrait_AUTOR_449.JPG
Lino SchaerenRedaktor

Donald Trumps Zollhammer ist niedergesaust, und die Welt hält den Atem an. Auch die Schweiz wird mit Strafzöllen von 31 Prozent hart getroffen. Doch meint der US-Präsident das alles ernst? Oder ist es nur Polittheater? Wirtschaftswissenschaftler Mathias Binswanger (62) bezweifelt, dass es wirklich zum grossen Handelskrieg kommt.

Herr Binswanger, hat der Zollentscheid von Donald Trump noch irgendetwas mit Ökonomie zu tun?
Mathias Binswanger:
Es kommt darauf an, welche Ökonomie man zum Massstab nimmt. Was Trump tut, ist eine Art Rückfall in die Theorie des Merkantilismus, der in absolutistischen Staaten bis ins 18. Jahrhundert zum Ziel hatte, möglichst grosse Handelsbilanzüberschüsse zu erzielen.

Hat Sie das überrascht? Trump hat die Zölle im Wahlkampf angekündigt.
Die Frage ist, was Trump bezweckt. Geht es wirklich darum, die Zölle langfristig aufrechtzuerhalten? Er hat erst einmal eine riesige Drohkulisse aufgebaut. Trump hat dafür gesorgt, dass er immer derjenige ist, der zuerst agiert. Gleichzeitig hat der US-Präsident bereits angedeutet, dass er zu Verhandlungen bereit ist.

Trump, der Allmächtige: Er inszenierte sich mit seiner riesigen Gebotstafel wie Moses. Nun wartet er, bis die Regierungschefs dieser Welt zu Kreuze kriechen und um Gnade bitten.
Genau. Staatsoberhäupter müssen jetzt bei Trump um eine Audienz bitten. In einem gewissen Sinn ist das ehrlich.

Wie bitte?
Die Mächtigen haben ihre Macht schon immer ausgenutzt. Wir sollten aufhören, so zu tun, als ob Handel immer nur von einem rationalen, ökonomischen Gesichtspunkt aus gesteuert würde. Handelspolitik ist immer auch Machtpolitik. Wir haben das lange ignoriert. Die USA haben sich auch vor Trump über diverse internationale Verpflichtungen hinweggesetzt, auch im Handelsbereich. Trump macht dies jetzt mit einer neuen Unverfrorenheit.

Sie verharmlosen. Trump foutiert sich um bestehende Abkommen und die Regeln der Welthandelsorganisation.
Wer die Macht hat, musste sich noch nie wirklich an Regeln halten. Trump hat dies ausgenutzt und Zölle angekündigt, deren Berechnung und Ausmass jenseits von Gut und Böse sind. Schaut man sich aber Trumps erste Amtszeit an, war er mit seinen selektiven Zöllen durchaus erfolgreich.

Diese beschränkten sich auf einzelne Branchen wie die Stahl- und Aluminiumindustrie.
Doch sie zeigten Wirkung: Es wurde wieder mehr in den USA produziert, die Importe gingen zurück. Und eine Inflation wurde dadurch in den Staaten nicht ausgelöst.

Sie glauben, dass das wieder gelingen kann?
In der jetzt angekündigten Form wohl kaum. Selbst die US-Administration dürfte erhebliche Mühe haben, diese neuen Zölle in kurzer Frist überhaupt um- und durchzusetzen.

Was bedeutet Trumps Zollwut für die Weltwirtschaft?
Das ist schwierig zu sagen, weil es gut sein kann, dass ein Teil der Zölle relativ rasch wieder aufgehoben wird. Gefährlich ist die grosse Ungewissheit, vieles wird lahmgelegt.

Vor einem Monat haben Sie in einem Gastbeitrag im «Nebelspalter» geschrieben, dass man wegen der verhängten Zölle in Kanada, Mexiko oder China nicht den Teufel des Handelskriegs an die Wand malen dürfe.
Die Drohkulisse wurde nochmals verschärft. Aber selbst jetzt bin ich nicht sicher, ob uns tatsächlich ein umfassender Handelskrieg bevorsteht.

Wirklich? China hat bereits mit heftigen Gegenzöllen reagiert.
China ist die zweitgrösste Wirtschaftsmacht der Welt, die Chinesen sind in einer ganz anderen Position als etwa die Schweiz. Sie bauen eine Gegen-Drohkulisse auf. Wenn die Menschen in den USA die negativen Folgen zu spüren bekommen, könnte der Wind dort rasch drehen.

Was lehrt uns die Geschichte, wohin die Handelspolitik von Trump führen wird? Seit dem Zweiten Weltkrieg gilt: Freihandel ist gut und schafft Wohlstand.
Die Annahme, dass Freihandel gut und Protektionismus schlecht ist, gehört heute zum Standardrepertoire der Ökonomie. Doch in dieser Absolutheit gilt das nicht. Unter Idealbedingungen führt freier Handel tatsächlich zu Wohlstand, doch diese sind in der Realität häufig nicht gegeben. Deshalb weichen wir auch in der Schweiz punktuell davon ab.

Zuletzt, um die hiesige Stahlindustrie zu retten.
Ja, aber auch bei der Landwirtschaft, die ohne einen gewissen Protektionismus nie überleben könnte. Es gibt gute Argumente, gewisse strategisch wichtige Industrien in der eigenen Wirtschaft zu erhalten, um nicht völlig vom Ausland abhängig zu werden.

Mathias Binswanger

Mathias Binswanger (62) ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten und Privatdozent an der Universität St. Gallen. Binswangers Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Makroökonomie, Finanzmarkttheorie, Umweltökonomie sowie in der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Glück und Einkommen. Der gebürtige St. Galler gilt seit Jahren als einer der einflussreichsten Ökonomen der Schweiz.

Siggi Bucher

Mathias Binswanger (62) ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten und Privatdozent an der Universität St. Gallen. Binswangers Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Makroökonomie, Finanzmarkttheorie, Umweltökonomie sowie in der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Glück und Einkommen. Der gebürtige St. Galler gilt seit Jahren als einer der einflussreichsten Ökonomen der Schweiz.

Wie sollte die Schweiz auf die Strafzölle reagieren?
Mit Gegenmassnahmen zu drohen, würde nichts bewirken. Dafür ist die Schweiz zu unbedeutend. Die Schweiz sollte wo immer möglich besser auf ihre Rolle aufmerksam machen: dass deutlich mehr Dienstleistungen aus den USA importiert als exportiert werden; dass hohe Direktinvestitionen in den USA getätigt werden; dass die Schweiz für die USA ein nützlicher Partner ist.

Damit ist die Schweiz gerade krachend gescheitert.
Die Schweiz hat schon immer abgewartet, sie ist nie vorgeprescht. Das hat sich auf lange Sicht bewährt. Es muss gelingen, aufzuzeigen, dass man in den USA angenehmer lebt, wenn man Zugriff auf Schweizer Medikamente, Schokolade und Kaffeekapseln hat.

Wie wird die Schweizer Wirtschaft unter den Zöllen leiden?
Einzelne Unternehmen trifft es hart. Insgesamt werden die Auswirkungen wahrscheinlich nicht allzu gross sein, solange die pharmazeutischen Produkte ausgenommen sind.

Genau hier hat Trump nachgelegt und Pharmazölle angekündigt, «wie man es noch nie zuvor gesehen hat».
Die Folgen für die Schweiz wären gravierender. Doch Strafzölle für Pharmaprodukte zu verhängen, wäre die grösste Dummheit, die Trump überhaupt machen kann. Die USA sind teilweise abhängig von Schweizer Pharmaprodukten. Neue Zölle würden zu einer direkten Verteuerung der ohnehin astronomischen US-Gesundheitskosten führen.

Sollte die Schweiz jetzt eine gemeinsame Linie mit der EU gegen Trump suchen?
Europa wäre eine Macht, ein starker Wirtschaftsraum, wenn es geschlossen auftreten würde. Doch das gelingt nicht, weil die EU-Kommissionspräsidentin nicht dasselbe Standing hat wie ein US-Präsident und die Grossmächte Europa erfolgreich auseinanderdividieren.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

Glauben Sie, dass Trump letztlich auf die Nase fallen wird?
Wahrscheinlich geht seine Rechnung kurzfristig auf. Die Welt wird Zugeständnisse machen, Trump wird sich als grosszügiger Staatsmann präsentieren, der den Staaten entgegenkommt. Gemessen am Funktionieren der Wirtschaft ist Trumps Vulgär-Merkantilismus ein Schildbürgerstreich. Doch er hilft ihm, sich als mächtigen Mann zu inszenieren. Und das dürfte ihm wichtiger sein.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?