Hernâni Marques, geboren im orwellschen Jahr 1984, ist Datenschutzexperte, Soziologe, Neuroinformatiker, Computerlinguist und Vorstandsmitglied des Chaos Computer Clubs Schweiz. Seit Jahren bringt er sich in den politischen Diskurs ein, sobald er Privatsphäre, Meinungsäusserungs- oder Informationsfreiheit in Gefahr sieht. Selbst lebt Marques, der Kind portugiesischer Einwanderer ist, in einer mittelalterlichen Burg bei Freiburg, streift oft durch den Wald und fühlt sich beim Mitentwickeln eines auf Privatsphäre und Dezentralisierung ausgerichteten Internets genauso wohl wie auf dem Sofa vor dem Kamin. Das Gespräch will er telefonisch führen, wegen der hohen Inzidenz. Also los: Was bedeutet Gemeinschaft, Herr Marques?
«Gemeinschaft ist, einander zuzuhören. Es zeichnet unser politisches System aus, dass Menschen in einer Thematik sachbezogen zusammenarbeiten. Auch wenn sie bei anderen Themen unterschiedlicher Meinung sind. Ich habe das bisher als Stärke der Schweiz erlebt. Beispiel dafür ist die Debatte ums E-Voting. Gemeinsam mit anderen IT-Leuten machte ich auf die Gefahren aufmerksam. Die Ersten, die sich uns anschlossen, waren rechte Politiker. Ich als Linker stimme wohl zu 95 Prozent nicht mit der SVP überein. Aber darum geht es nicht. Es ging um die Sache. Darum, dass die Manipulationsrisiken bei elektronischen Abstimmungen zu gross sind. Parteizugehörigkeit ist da doch egal.
Das bedeutet für andere Menschen Gemeinschaft
Seit der Pandemie funktioniert das nicht mehr. Da werde ich von Medien und anderen Linken diskreditiert, weil ich mit Menschen unterschiedlicher politischer Couleur über den Sinn von einzelnen Massnahmen nachdenke und nicht einfach stur auf Linie der linken Parteien politisiere. Dieser Vorwurf ist ein Pseudoargument und nennt sich Kontaktschuld. Das macht die Gemeinschaft kaputt. In einer Demokratie müssen wir offene Diskussionen führen, in der jede Perspektive Gehör findet. Für die Meinungsbildung ist wichtig, dass ständig alle mit allen sprechen – über Gesinnungsgrenzen hinweg. Ich habe sicher schon zwanzig Leute von der Impfung überzeugt. Einfach indem ich ihnen meine eigene Geschichte erzählt habe. Was ich sagen will: Wir müssen miteinander reden. Aber Menschen zu einer Impfung zwingen, indem man sie aus der Gesellschaft ausstösst? Das ist doch Bullshit.
Weihnachten steht für Gemeinschaft. Doch die bricht gerade auseinander – oder doch nicht? In dieser Serie erzählen neun Menschen unterschiedlichster Herkunft und Haltung, was für sie Gemeinschaft ausmacht. Die Antworten geben Anlass zur Hoffnung.
* Name der Red. bekannt
Weihnachten steht für Gemeinschaft. Doch die bricht gerade auseinander – oder doch nicht? In dieser Serie erzählen neun Menschen unterschiedlichster Herkunft und Haltung, was für sie Gemeinschaft ausmacht. Die Antworten geben Anlass zur Hoffnung.
* Name der Red. bekannt
Ich habe mit der Pandemie herausgefunden, wer meine wahren Freunde sind. Und zwar durch die schlichte Tatsache, dass ich das Zertifikat ablehne und zugleich für eine Low-Covid-Strategie bin. Als Gesicht des Komitees «Geimpfte gegen das Zertifikat» sagte ich in der SRF-«Arena», dass ich gegen die soziale Spaltung auf Basis medizinischer Daten bin. Für einige meiner langjährigen Weggefährten ist das zu viel der Differenzierung.
Beim Chaos Computer Club ist das oberste Gebot: Beurteile einen Hacker danach, was er tut. Das wünsche ich mir überall: Fokus auf die Sache. Dann spielt es keine Rolle, ob links oder rechts, Frau oder Mann und auch nicht, aus welchem sozialen Milieu ein Mensch kommt. In der Hacker-Szene wird das gelebt. Das ist wunderbar.
Humor übrigens macht alles leichter. Ich mache mir einen Spass daraus, bei Geldüberweisungen in den Zweck zu schreiben: «Zur Terrorfinanzierung» oder «für sexuelle und andere Dienstleistungen». Dann muss das irgendwer vom Überwachungskomplex durchschauen und denkt sich: Fuck, schon wieder der Marques!
Und es ist wichtig, das Handy immer wieder wegzulegen. Denn Twitter und Co. haben ein System erschaffen, das Hass fördert, weil das mehr Likes und Klicks gibt. Das fördert ein friedliches Zusammenleben nicht. Besser also Zeit mit coolen Menschen verbringen und vor allem: Raus in die Natur! Wenn du im Wald rumläufst und siehst, wie schön das ist, spielt alles andere gar keine Rolle mehr. Und wenn du allein auf irgendeinem Berg stehst und weisst, dass der Berg auch in tausend Jahren noch stehen wird, relativiert das vieles.»