Eine dicke, gelbe Strassenmarkierung halbiert den Lochmühleweg in Spiezwiler BE. «Der Strich war bis vor einigen Tagen noch weiss. Aber da der Richter entschieden hat, dass ich den weissen Strich entfernen muss, habe ich ihn jetzt gelb angemalt», erklärt Peter Allemann (69) schelmisch und grinst.
Der gelbe Strich soll nicht etwa Parkplätze, sondern die Grundstücksgrenze signalisieren: Diese ist nämlich seit rund sechs Jahren Gegenstand eines Streits zwischen dem Rentner und der Gemeinde Spiez BE sowie einem Bauherrn.
Die Geschichte nahm ihren Lauf, als ein lokaler Bauherr auf dem benachbarten Grundstück Mehrfamilienhäuser plante und baute. «Meine Frau und ich hatten nichts gegen den Neubau, da die Einstellhalle sowie die Besucherparkplätze über einen anderen Weg erschlossen werden sollten und wir somit keinen zusätzlichen Durchgangsverkehr zu erwarten hatten», erklärt Allemann. «Aber als wir auf einer Velotour waren, haben wir ein grosses Plakat gesehen: Da waren plötzlich Besucherparkplätze neben unserer Parzelle eingezeichnet, die die Gemeinde offenbar nachträglich noch bewilligt hat.»
Auto als Barrikade – Anzeige!
Das Ehepaar habe sofort Einsprache erhoben: «Wir wollen keinen Verkehr auf unserem Grundstück.» Bis anhin wohnen die Berner Oberländer nämlich in einer Sackgasse ohne Durchgangsverkehr. Allemann ging zum Zeitpunkt der Einsprache davon aus, dass er gute Karten hat: Sein Grundstück umfasst einen Teil der Zufahrtsstrasse, die laut ihm lediglich als «Fussweg» im Grundbuch eingetragen sei – und nicht als «Fahrweg». Ausserdem wäre die Strasse für Autos zu schmal, wenn man das Grundstück des Ehepaars nicht passieren dürfte.
Allemann ärgert sich: «Lange ging nichts. Deswegen habe ich zweimal mein Auto so auf meinem Grundstück parkiert, dass der Bauherr der neuen Überbauung nicht durchfahren konnte – und dann zeigte mich dieser direkt wegen Nötigung an.» Später sprach die Justiz Allemann aber frei. Unterdessen hat der pensionierte Monteur auch ein richterliches Verbot für das Befahren seines Grundstücks erwirkt, gegen welches sich die Gemeinde Spiez, der Bauherr sowie vier weitere Anwohner gewehrt haben. Aufgrund des laufenden Gerichtsverfahrens hat das Ehepaar das Verbotsschild zwischenzeitlich mit einem T-Shirt abgedeckt.
Grundstückverkauf kam nicht zustande
Zoff um den Durchgangsverkehr gibt es in der Schweiz immer wieder. Blick berichtete etwa über den kuriosen Fall von Maienfeld GR. Dort sperrte Anwohner David A. zunächst mit einem Pinzgauer und dann sogar mit Holzgattern die Strasse vor seinem Haus. A. stritt mit der Gemeinde und schaltete auch das Gericht ein. Auch beim Zoff in Spiezwiler sind die Gerichte mittlerweile involviert.
Sowie auch die Gemeinde selbst. Diese habe ihm schliesslich die Parzelle abkaufen wollen, erzählt Allemann. Doch das sei nicht zustande gekommen. Er meint: «Die Gemeinde will uns einfach austricksen, damit der Bauherr seine Parkplätze bauen kann. Übrigens: Er war selbst mal in der Baukommission.»
«Allemanns parkieren illegal auf einer öffentlichen Strasse»
Mit den Vorwürfen des Ehepaars konfrontiert, nimmt die Gemeinde Spiez schriftlich Stellung: «Der Lochmühleweg ist eine abparzellierte Gemeindestrasse. Ein ganz kleines Stück der Strasse befindet sich privatrechtlich im Eigentum des Ehepaars Allemann und ist mit einer Dienstbarkeit zugunsten der Einwohnergemeinde belastet. Die Dienstbarkeit lautet wie folgt: öffentliches Wegrecht zugunsten der Einwohnergemeinde Spiez.» Die Bau- und Verkehrsdirektion und das Verwaltungsgericht legen diese Formulierung so aus, dass es sich um ein Fahrwegrecht handle – diese Ansicht teilt die Gemeinde.
Der Inhaber der Lanz AG aus Spiez, die hinter dem Bauprojekt steckt, findet in seiner Stellungnahme noch deutlichere Worte: «Tatsache ist, dass Allemanns seit Jahren illegal auf einer öffentlichen Strasse parkieren und damit den Durchgang für Anwohner widerrechtlich blockieren.» Weiter schreibt der Unternehmer: «Ich erwarte, dass sich Allemanns künftig an das geltende Recht halten.»
«Wir kämpfen bis zum Schluss!»
Peter Allemann entgegnet: «Das sind alles bloss Lügen! Und das Schlimmste: Die Justiz glaubt diese Lügen auch noch.» Er zeigt Blick alte Dokumente, die zwar den Dienstbarkeitsvertrag belegen – von einem Fahrwegrecht ist dort aber nirgends die Rede, lediglich von einem «öffentlichen Wegrecht».
Das letzte Wort im Parkplatz-Zoff sei jedoch noch nicht gesprochen, so Peter Allemann: «Wir ziehen das Gerichtsurteil an die nächste Instanz weiter. Es kann doch nicht sein, dass aus einem Fussweg plötzlich ein Fahrweg wird. Meine Frau und ich kämpfen bis zum Schluss für unser Recht.»