Zwei Jahre im wichtigsten Gremium der Welt
Was hat die Schweiz am Tisch der Mächtigen erreicht?

Sie entschied mit den USA und Russland über Krieg und Frieden – zumindest theoretisch: Die Schweiz beendet ihre Amtszeit im UNO-Sicherheitsrat. Trotz Erfolgen zeigten sich bei der «Weltpolizei» auch die Grenzen ihres Einflusses. Eine Bilanz.
Publiziert: 24.12.2024 um 15:15 Uhr
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Aktualisiert: 24.12.2024 um 15:48 Uhr
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Spitzendiplomatin Pascale Baeriswyl, die Schweizer Botschafterin bei der UNO in New York, vertrat das Land im Uno-Sicherheitsrat.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • Schweiz beendet Amtszeit im Uno-Sicherheitsrat durchaus positiv
  • Kritik an Schweizer Neutralität gering, ausser von Russland
  • Schweiz nahm an rund 810 Sitzungen teil, konkrete Ergebnisse bescheiden
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Zwei Jahre lang sass die Schweiz mit den mächtigsten Staaten der Welt am Tisch: Ende Dezember geht ihr Mandat als nichtständiges Mitglied des UNO-Sicherheitsrats in New York zu Ende. Wie sieht die Bilanz aus? Klar ist: Die Schweiz hat Erfolge gefeiert, wurde aber auch mit der harten Realität konfrontiert. Mit den von den Grossmächten gesetzten Grenzen.

Der Uno-Sicherheitsrat trägt laut UN-Charta eine sehr hohe Verantwortung: den Weltfrieden zu sichern. Seine Entscheide sind für alle Uno-Mitglieder bindend. Er verfügt über weitreichende Mittel – von Wirtschaftssanktionen bis hin zu militärischen Einsätzen.

Der Sicherheitsrat bestimmt über Krieg und Frieden, zumindest in der Theorie. Fünf Länder sind ständige Mitglieder: China, Frankreich, Grossbritannien, Russland und die USA. Sie werden auch als Vetomächte bezeichnet, weil jedes dieser Länder einen Beschluss des Sicherheitsrats blockieren kann. Dazu kommen zehn nicht ständige Mitglieder.

Die Mitgliedschaft der Schweiz in dem Gremium hatte zuvor für eine jahrelange Debatte im Bundeshaus gesorgt. Die SVP kritisierte, dass die Rolle nicht mit der Neutralität vereinbar sei. Doch am Ende gelang es ihr nicht, die Schweizer Kandidatur zu kippen.

Die Schweizer Uno-Botschafterin Pascale Baeriswyl (56) zeigt sich gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA zufrieden mit dem zweiten Jahr der Schweizer Präsidentschaft im einflussreichsten Uno-Organ.

2024 war ein sehr intensives Jahr, unter anderem mit israelischen Angriffen im Iran und im Libanon, dem Krieg in der Ukraine, dem Konflikt im Gazastreifen und im Sudan, die die Welt in Atem hielten.

«Wir haben versucht, all das zu bewältigen, und es ist uns gelungen, den Rat mehrmals zu vereinen und darauf bin ich stolz», sagt Baeriswyl. Als Beispiel nennt sie eine Erklärung zur Unterstützung der Friedenstruppen der Uno im Libanon, die unter Beschuss geraten waren.

Russland kritisierte die Schweiz

Die Botschafterin ist der Ansicht, dass die Schweiz zu einer friedlichen Arbeit beigetragen hat. «Die gewählten und ständigen Mitglieder haben die Ruhe geschätzt, die die Schweiz in die Debatten eingebracht hat», sagt sie. 

In den zwei Jahren in dem Gremium wird die Schweiz an rund 810 Sitzungen teilgenommen haben. Sie brachte vier Resolutionen ein und war für drei weitere mitverantwortlich. Darunter befinden sich zwei Texte zur humanitären Hilfe und einer zum Schutz von humanitärem Personal. Die Schweiz hat auch zur Erneuerung politischer Missionen beigetragen.

Es gab nur wenig Kritik an der Neutralität der Schweiz, abgesehen von jener Russlands während der Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock NW. Russland war auch das einzige Land, das eine Einladung an die Ratsmitglieder ablehnte, nach Genf zu kommen.

Die Schweiz ist vor allem wegen ihrer Haltung im Nahost-Konflikt kritisiert worden. Mehrere NGOs kritisierten ihre Stimmenthaltung bei der Anerkennung eines palästinensischen Staates.

Kann die Schweiz daraus Profit gewinnen?

Experten kommen auf Anfrage zum Schluss, dass die Schweiz mit gewissen Einschränkungen Erfolge erzielt hat. Die Friedenspolitik der Schweiz sei gestärkt worden. Die Schweiz hat auch zu neuen Vorgehensweisen beigetragen. Zum ersten Mal wurde eine Resolution (über einen Waffenstillstand im Gazastreifen) von allen zehn nichtständigen Mitgliedern gemeinsam eingebracht. Bern leistete dabei einen wichtigen Beitrag.

Die Forscherinnen Lucile Maertens vom Graduate Institute in Genf und Sara Hellmüller von ETH in Zürich sind der Ansicht, dass die extremen politischen Spannungen um die Ukraine die nichtständigen Mitglieder daran hinderten, ihre Mandate voll auszuschöpfen. Ihr Einfluss wurde infrage gestellt, da die Machtpolitik der grossen Staaten ihnen ihre Grenzen aufgezeigt habe.

Das Mandat zeige aber auch, dass die nichtständigen Mitglieder wichtige Rollen spielen können, wenn es um bestimmte Themen oder Regionen gehe, schreiben die Forscherinnen in einer Untersuchung. Es werde sich zeigen, ob die Schweiz aus ihrem internationalen Standing Profit schlagen könne. 

Die Bewertung der Erfolge und Misserfolge werde langfristig einen Einfluss darauf haben, ob die Schweiz ein zweites Mandat anstrebe oder nicht, so die Forscherinnen. Ein Land von der Grösse der Schweiz habe rund alle 20 Jahre Anspruch auf einen Sitz im Uno-Gremium.

Cassis appelliert an «Pflicht zur Menschlichkeit»

Aussenminister Ignazio Cassis (63) sprach den Supermächten im Sicherheitsrat mehrfach ins Gewissen. Bei seinen Auftritten pochte er auf die Einhaltung des humanitären Völkerrechts.

Dieses Thema machte er sogar zum Sujet seiner aktuellen Weihnachtskarte. Auch heute rette «das humanitäre Völkerrecht Millionen von Menschenleben auf der ganzen Welt», erklärte Cassis dazu gegenüber Blick. «Die Pflicht zur Menschlichkeit und unser Streben nach Frieden müssen uns im Jahr 2025 leiten.»

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