Auf einen Blick
- Gesetzesentwurf zur indirekten Waffenlieferung an Ukraine droht zu scheitern
- SVP und Linke lehnen Entwurf wegen unterschiedlicher Bedenken ab
- Nichtwiederausfuhr-Erklärung soll für ausgewählte Länder auf fünf Jahre befristet werden
- GSoA hat bereits Referendum gegen die Gesetzesänderung angekündigt
Es sollte ein Befreiungsschlag werden. Im Juni hatte die Sicherheitspolitische Kommission (SiK) des Nationalrats einen Gesetzesentwurf vorgelegt, wie die Schweiz der Ukraine doch noch indirekt Waffen liefern könnte. Sie will das Wiederausfuhrverbot für Länder lockern, die über ähnliche Mechanismen für die Exportkontrolle verfügen und mit der Schweiz ähnliche Werte teilen. Doch nun droht auch dieser Versuch zu scheitern.
Die Schweiz hatte sich im Westen keine Freunde gemacht. Erst durfte Deutschland keine Munition aus hiesiger Produktion an die Ukraine liefern; Dänemark keine Radschützenpanzer weitergeben. Dann lehnte es der Bundesrat ab, 96 Leopard-1-Panzer an die Herstellerfirma zurückzugeben. Und Spanien durfte keine Flugabwehrkanonen an Kiew weitergeben.
Schweiz soll anderen Ländern vertrauen
Seit bald zwei Jahren ringt die hiesige Politik mit einem schlechten Gewissen und den gesetzlichen Möglichkeiten, trotz Schweizer Neutralität die Weitergabe von Waffen in gewissen Fällen auch an Kriegsparteien zu ermöglichen. Bisher aber scheiterten sämtliche Vorschläge. Im Bundeshaus schien sich Resignation breitzumachen. Und auch der neuste Versuch könnte am Widerstand von ganz links und ganz rechts scheitern.
Die Nichtwiederausfuhr-Erklärung bei Exporten soll für ausgewählte Länder auf fünf Jahre befristet werden – und das rückwirkend auf bereits getätigte Verkäufe. Weitergegeben werden darf das Material vom Abnehmerland an ein Drittland aber nur, wenn dieses Menschenrechte nicht schwerwiegend verletzt oder die Schweizer Waffen nicht gegen die Zivilbevölkerung einsetzen könnte.
Ist das Drittland in einen bewaffneten Konflikt verwickelt, ist die Wiederausfuhr erlaubt, wenn das Land von seinem völkerrechtlich verankerten Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch macht und der Uno-Sicherheitsrat einen Verstoss gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot gemäss Uno-Charta festgestellt hat. Ob Kriegsmaterial weitergegeben wird, sollen nach dem Willen der SiK die Abnehmer-Länder entscheiden. Die Schweiz selber könnte nicht mehr intervenieren.
Exporte in Kriegsländer eh nicht zu verhindern
Während GLP und Mitte-Partei den Entwurf als «längst überfälligen Kompromiss» unterstützen, der es Wertepartnern ermögliche, die Ukraine mit Schweizer Rüstungsgütern zu unterstützen, geht die angestrebte Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes der Linken zu weit, der Rechten zu wenig weit.
So ist die SVP zwar für eine Lockerung, weil sie für die Schweizer Rüstungsindustrie existenziell sei. Der Entwurf geht ihr aber zu wenig weit, da es ohnehin nicht zu verhindern wäre, dass Schweizer Waffen über Umwege in Kriegsgebieten landen. «Ehrlicher und unbürokratischer wäre es, wenn alle Wiederausfuhren nach fünf Jahren erlöschen würden», schreibt die Partei in ihrer Stellungnahme. «So verhindern wir, dass unsere Waffen direkt in Kriegsgebieten landen, aber wir verstricken uns nicht in diesem bürokratischen Wirrwarr.» Zudem schätzt die SVP eine rückwirkende Anwendung als rechtsstaatlich nicht zulässig ein.
«Jegliche Kontrolle verunmöglicht»
Auch im linken Lager sind die Bedenken gross. Für die Grünen öffnet der Entwurf ein Schlupfloch zur Ausfuhr von Schweizer Kriegsmaterial in Länder, in denen Bürgerkrieg herrscht oder welche die Menschenrechte schwerwiegend verletzen. Die Risikoanalyse werde an Drittstaaten delegiert «und damit jegliche Kontrolle verunmöglicht». Das stehe im Widerspruch zum Gegenvorschlag zur Korrektur-Initiative, die nur deshalb zurückgezogen worden sei.
Die Grünen wollen zumindest den Zeitraum, bevor eine Wiederausfuhr erlaubt wird, auf zehn Jahre verlängern lassen. Zudem stünden auf der derzeitigen Liste mit Staaten, die betroffen wären, Länder wie Frankreich oder Grossbritannien, die Waffen auch in problematische Staaten wie Saudi-Arabien oder Israel liefern, oder solche wie Ungarn, «die nicht unbedingt unsere Werte teilen». Solange das nicht geändert wird, lehnen die Grünen die Vorlage ab.
Die SP findet zwar, dass die Schweiz ihre Partnerländer nicht daran hindern sollte, ehemals aus der Schweiz gekauftes Kriegsmaterial an die Ukraine weiterzugeben. Die vorliegende Lösung aber geht den Sozialdemokraten zu weit.
Damit dürfte es für die Gesetzesänderung im Parlament wie zuvor schon in der vorberatenden Kommission äusserst eng werden. Kommt hinzu: Bis das gelockerte Kriegsmaterialgesetz tatsächlich in Kraft treten würde, wird auf jeden Fall noch einige Zeit vergehen. Zumal die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) bereits das Referendum angekündigt hat. Ob eine mögliche Gesetzesänderung der Ukraine also tatsächlich noch nützen würde, ist fraglich.