27 Prozent weniger
Schweizer Waffenexporte brechen ein – vorerst

Trotz des Ukraine-Kriegs hat die Schweizer Rüstungsindustrie letztes Jahr fast ein Drittel weniger Kriegsmaterial exportiert als im Vorjahr. Das zeigt die neuste Statistik des Seco. Es ist allerdings nur die halbe Wahrheit.
Publiziert: 05.03.2024 um 09:29 Uhr
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Aktualisiert: 05.03.2024 um 10:38 Uhr
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Während Schweizer Waffenschmieden 2022 noch Rekordzahlen geschrieben haben, sind die Exporte 2023 gleich um ein knappes Drittel eingebrochen. Im Bild ein Flugabwehrsystem der Rheinmetall Defence in Zürich Oerlikon.
Foto: Thomas Egli
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Seit rund zwei Jahren tobt der Ukraine-Krieg. Alle Seiten rüsten auf – die Rüstungsindustrie läuft auf Hochtouren. Dennoch haben die Schweizer Waffenschmieden nach einem starken Anstieg im ersten Kriegsjahr letztes Jahr plötzlich deutlich weniger Kriegsmaterial exportiert.

Wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) von SVP-Bundesrat Guy Parmelin (64) am Dienstag mitteilte, haben die hiesigen Firmen im Jahr 2023 für 696,8 Millionen Franken Kriegsmaterial in 58 Länder ausgeführt. Das sind gleich 258,2 Millionen Franken weniger als 2022. Oder satte 27 Prozent! Im Vergleich zu den Gesamtexporten der Schweiz erreichten Rüstungsexporte einen Anteil von 0,18 Prozent.

Bund hat kaum Gesuche abgelehnt

Alles in allem wurden den Seco-Beamtinnen im vergangenen Jahr 2278 Ausfuhrgesuche (2022: 2625) vorgelegt. Manche davon sind noch hängig. 2238 Gesuche sind bewilligt worden. Nur gerade vier Gesuche wurden abgelehnt – 0,18 Prozent. Die Industrie kenne die Bewilligungskriterien eben relativ gut, erklärte Seco-Vertreterr André Mittmann vor den Medien.

Die fünf Hauptabnehmerländer waren Deutschland mit Lieferungen im Wert von 168,5 Millionen Franken (vor allem Munition), gefolgt von Dänemark mit 73,6 Millionen (gepanzerte Radfahrzeuge), den USA mit 54,3 Millionen (HAnd- und Faustfeuerwaffen, Saudi-Arabien (Munition für Flugabwehrsysteme) mit 53,3 Millionen und Rumänien mit 39,7 Millionen Franken (gepanzerte Radfahrzeuge).

Neutralität soll schlecht fürs Geschäft sein

Für den Rückgang gibt es gemäss dem Seco mehrere Gründe: Einerseits seien im 2022 mehrere ausserordentlich grosse Geschäfte wie Flugluftabwehrsysteme für den damaligen WM-Gastgeber Katar oder gepanzerte Piranha-Radfahrzeuge für Dänemark über die Bühne gegangen. Diese seien nun abgeschlossen und tauchten nicht mehr in der Statistik auf.

Andererseits lässt das Seco durchblicken, dass die hiesige Rüstungsindustrie jetzt teilweise zu spüren bekomme, dass die Schweiz als neutrales Land die Wiederausfuhr von Rüstungsmaterial in kriegsführende Länder wie die Ukraine strikt untersagt. Firmen hätten erklärt, dass sich einzelne Staaten mittlerweile zurückhaltender zeigen würden. Deutschland produziert zum Beispiel Munition teilweise wieder selber. Zuvor hatte der deutsche Vizekanzler Robert Habeck (54) gewettert, dass auf Bern als Rüstungspartner in Kriegszeiten kein Verlass sei.

Erstmals die Milliarden-Grenze geknackt

Doch: Die ausgewiesenen Exportzahlen vom 2023 trügen. Denn eigentlich hat das Seco statt knapp 700 Millionen Ausfuhrgesuche von rund 1'030,5 Millionen Franken bewilligt. Damit wäre die Milliarden-Grenze geknackt! Nochmals deutlich mehr als letztes Jahr, als das Seco bereits von einem «absoluten Allzeithoch» sprach.

Bewilligte Exporte würden teilweise aber erst im Jahr darauf umgesetzt, erklärt das Seco die Differenz. «Zudem werden Bewilligungen häufig nicht genutzt, weil die Finanzierung des Geschäfts nicht zustande kommt oder der Kunde aus anderen Gründen die Bestellung aufschiebt oder annulliert.»

Aussichten für Rüstungsindustrie sind gut

Die Aussichten für die Schweizer Rüstungsindustrie erscheinen denn auch gar nicht mehr so düster. Die Bestellungen für die kommenden Jahre sollen bereits wieder ziemlich umfangreich sein, lässt das Seco durchblicken. Ein deutliches Zeichen, dass auch die Exportzahlen wieder erneut ansteigen dürften. Vom allgemeinen Aufrüsten des Westens profitiert also auch die Schweizer Industrie – aller Vorbehalte zum Trotz.

Kommt hinzu: Nur zwei Jahre nach der Verschärfung von Waffenexporten will das Parlament diese bereits wieder rückgängig machen. Nach dem Ständerat hat im Dezember auch der Nationalrat einer Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes zugestimmt. Der Bundesrat soll bei der Bewilligung von Rüstungsexporten wieder mehr Spielraum erhalten – und damit die Waffenschmieden eine bessere Ausgangslage.

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