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Strenge Waffenexport-Regeln sorgen für EU-Ausgrenzung
Schweizer Rüstungsindustrie in der Regulierungsfalle

Schweizer Firmen werden zunehmend von der EU ausgegrenzt. Die Zahl der betroffenen Betriebe ist grösser als bislang bekannt.
Publiziert: 18.09.2024 um 20:19 Uhr

Auf einen Blick

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Bernhard Fischer
Handelszeitung

Für die Schweizer Rüstungsindustrie wird es eng. Europäische Partner wenden sich zunehmend von hiesigen Firmen und Lieferanten ab – und das in deutlich grösserem Umfang als bislang bekannt, wie Recherchen zeigen. Der Grund: Die Liefersicherheit sei nicht ausreichend gewährleistet, um benötigte Baugruppen und Waffengüter aus der Schweiz in die EU einzuführen. Auch, um dadurch Waffen- und Munitionslieferungen, zum Beispiel an die Ukraine, im Abwehrkrieg gegen Russland frei zu machen. Denn das Schweizer Exportgesetz und die Auslegung der Neutralitätsbestimmungen seien zu streng. Und die Schweiz als Partner zu unzuverlässig, so die Darstellung der Einkäufer in der EU.

Die Niederlande haben deswegen die Schweizer Industrie mittels Parlamentsbeschlusses bereits von der Liste der Rüstungslieferanten gestrichen. Und Deutschland hatte unlängst eine Schweizer Herstellerin von Allzwecktarnung für den Truppeneinsatz von einem Vergabeverfahren ausgeschlossen. Nicht namentlich, aber mit dem Hinweis, dass Fertigungsstätten und Lieferungen aus Efta-Staaten wie der Schweiz nicht zugelassen seien. Das hat weite Teile der hiesigen Industrie aufgeschreckt.

Aargauer Know-how geht nach Italien

Die Branche befürchtet, dass Aufträge und Umsatz verloren gehen, Know-how abwandert und dass Unternehmen die Produktion verlagern und hier Jobs abbauen. Das vom deutschen Vergabeverfahren ausgeschlossene Unternehmen ist dabei nur ein Beispiel von vielen, wie Recherchen der «Handelszeitung» zeigen. Die Lage ist noch dramatischer.

Da wäre etwa der Fall des Kunststoffherstellers Carbomill bei Seon im Aargau. Die Firma ist ein exklusiver Zulieferer von Rheinmetall Air Defence (RAD) in Oerlikon. RAD hat ein Werk im EU-Land Italien und kann so das gewünschte System dort fertigen und von dort ausliefern.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Nun wurde Carbomill gebeten, das Know-how an eine italienische Firma zu transferieren, sodass bestimmte Komponenten künftig auch in Italien produziert werden können. «Will dieses KMU mit dem Konzern im Geschäft bleiben, wird Carbomill keine andere Wahl haben», sagt Matthias Zoller, Generalsekretär von Swiss ASD (Aeronautics, Security and Defence), der Rüstungssparte des Tech-Industrie-Verbands Swissmem. Auch wenn das Risiko gross ist, dass der italienische Mitbewerber diese Teile bald günstiger anbieten kann, weil die Entwicklungskosten wegfallen und die Löhne in Italien tiefer sind.

Ausbau ins nahe Ausland verlagert

Ein weiteres Beispiel ist ein Ostschweizer Hersteller von elektrooptischen Geräten. Das Unternehmen hat theoretisch massig Aufträge aus der internationalen Rüstungsindustrie. Eigentlich müsste die Firma dafür die lokale Produktion ausbauen. Aber das in der EU angesiedelte Mutterhaus lässt dies nicht zu und erwägt stattdessen den Aufbau eines neuen Werkes in einem Nachbarland der Schweiz. Einfach aus Angst, künftig die Systeme nicht mehr aus der Schweiz exportieren zu dürfen. Wie lange dieser Schweizer Produktionsstandort noch gehalten werden kann, ist fraglich, berichten Firmenvertreter.

Der erste grosse Produktionsstandort, der schon vor zwei Jahren betroffen war, ist jener der Firma Rheinmetall Waffen und Munition (RWM) in Altdorf im Kanton Uri. RWM stellte bis Ende 2022 gewisse Munitionskaliber als Alleinlieferant in Europa her. Es gab die klare Absicht, eine zweite Produktionsstrasse in Altdorf aufzubauen. Man war kurz vor dem Spatenstich.

Aber die von Deutschland verlangte Garantie, dass auch bei einem Einsatz eines Nato-Landes weiterhin Munition aus der Schweiz geliefert werden könne, konnte RWM nicht geben, weil die Schweiz das Kriegsmaterialgesetz revidierte. Und so baute RWM diese neue Produktionslinie binnen drei Monaten statt in der Schweiz in Deutschland auf – mit rund sechzig Arbeitsplätzen.

Kurzum: Die Zukunft für Schweizer Firmen, die direkt mit der Rüstungsindustrie verbunden sind, ist düster. Bei Industrieverbandsmann Zoller melden sich immer mehr Firmen, die zur Offertstellung gar nicht mehr eingeladen werden.

Und längst ist nicht mehr nur die unmittelbare Rüstungsindustrie im Fokus. Sogar noch mehr Firmen sind betroffen, wenn es um die Produktion von Dual-Use-Gütern geht. Das sind sowohl zivil als auch militärisch nutzbare Produkte. Das Spektrum reicht von der Raketenverkleidung für die Raumfahrt bis zur Beschichtung von Panzerrohren auf dem Schlachtfeld. «Der Dual-Use-Güter-Markt ist zehnmal so gross wie die reine Rüstungsindustrie», sagt Zoller. Rund 140’000 Menschen sind hierzulande in dieser Industrie beschäftigt.

Aktiv ausgeschlossen

Ein Beispiel dafür ist Apco Technologies mit Sitz in Aigle im Kanton Waadt. Apco stellt Satellitenkomponenten, Raketenteile für die Raumfahrt und Ausrüstungen für Kraftwerke oder die Verteidigungsindustrie her und ist bei gewissen Space-Applikationen Weltmarktführer. Doch CEO Didier Manzoni kämpft mit erschwerten Bedingungen. So werde sein Unternehmen mittlerweile aktiv aus diversen europäischen Space-Programmen ausgeschlossen, weil man befürchte, dass die Schweiz die Anwendungen der Apco-Produkte als Dual-Use-Güter plötzlich verbieten könnte.

«Die Situation ist äusserst alarmierend», schreibt Mitte-Politikerin Brigitte Häberli-Koller in ihrer parlamentarischen Interpellation von vor einer Woche. Die Rüstungsindustrie sei nicht nur das Rückgrat der Armee, sondern auch der Garant für Technologietransfer in die zivile Industrie und meist nur der Vorläufer, bevor möglicherweise auch andere Branchen wie die Dual-Use-Güter-Industrie ausgeschlossen würden. «Kein Technologieunternehmen kann allein vom Schweizer Markt leben.»

«Die Situation ist äusserst alarmierend», schreibt Mitte-Politikerin Brigitte Häberli-Koller.
Foto: keystone-sda.ch

Damit legt sie den Finger in die Wunde. Erst im August veröffentlichten die Universität St. Gallen und das Center for Security Studies der ETH Zürich im Auftrag des Verteidigungsdepartements Studien zu dem Thema. Im Kern kommen beide zum selben Schluss: Schweizer Rüstungsexporte sind essenziell für die wirtschaftliche Existenz der Firmen. Damit diese wiederum die Versorgung im Inland sicherstellen sowie das dafür notwendige Know-how und die Produktion im Land halten können.

Das gelingt aber nur, wenn Abnehmer in der EU sich auf die Lieferungen aus der Schweiz verlassen können. Und Schweizer Firmen mit ihren spezialisierten Waren und Komponenten die Gelegenheit haben, für EU-Partner verlässlich und unverzichtbar zu bleiben.

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