Dialog mit Russland
Kalte Dusche für Cassis

Der EDA-Chef traf seinen russischen Kollegen Sergej Lawrow in New York. So weit, so gut. Doch dann lästerte eine Kreml-Sprecherin über die Schweiz.
Publiziert: 21.07.2024 um 00:53 Uhr
|
Aktualisiert: 22.07.2024 um 18:19 Uhr
1/6
Aussenminister Cassis (r.) traf diese Woche in New York seinen russischen Kollegen Lawrow (2.v.l.).
Foto: IMAGO/SNA
Raphael_Rauch (1).jpg
Raphael RauchBundeshausredaktor

Zuerst klang es noch halbwegs freundlich: Russlands Aussenminister Sergei Lawrow (74) beschrieb das Gespräch mit seinem Schweizer Kollegen Ignazio Cassis (63) als «interessant». Der Chef des Aussendepartements hatte um die Begegnung auf höchster Ebene gebeten – am Rande einer Sitzung des Uno-Sicherheitsrats diese Woche in New York.

Doch nach den Freundlichkeiten folgte Propaganda: «Russland wird die fortschreitende Abkehr der Schweiz von der Neutralität berücksichtigen», erklärte Lawrow. Und eine Kreml-Sprecherin beschimpfte die Schweiz gar als «unehrliche Maklerin». Ausdrücklich kritisierte sie die Einrichtung eines Verbindungsbüros der Nato bei den Vereinten Nationen in Genf als weiteren Beleg für die mangelnde Neutralität der Schweiz.

Kreml droht mit Verlegung von Gesprächen aus Genf

Schon vor Wochen hatte Moskau gedroht, Gespräche über die Lage im Südkaukasus von Genf in ein anderes Land zu verlegen. Am europäischen Hauptsitz der Vereinten Nationen verhandeln Vertreter von Abchasien, Südossetien, Georgien, Russland und den Vereinigten Staaten über die Zukunft der von Spannungen zerrissenen Region.

Das Aussendepartement EDA will die Moskauer Rhetorik nicht kommentieren. Klar ist: Die Bürgenstock-Konferenz Mitte Juni blieb bislang ohne konkrete Folgen. Laut dem Direktor des Genfer Zentrums für Sicherheitspolitik Thomas Greminger (63) ist aktuell keine Nachfolgekonferenz in Sicht: «Das ist nicht verwunderlich, solange beide Konfliktparteien nicht bereit sind, Verhandlungen zur Beendigung des Kriegs aufzunehmen», so Greminger.

Kein Durchbruch vor den US-Wahlen

Allerdings habe es bei drei Themen der Bürgenstock-Konferenz Bewegung gegeben – in humanitären Fragen, bei der Energie- und der Ernährungssicherheit. Laut dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (46) werden aktuell «Mini-Gipfel» vorbereitet, die in Katar, Saudi-Arabien und der Türkei stattfinden sollen. Greminger: «Ich gehe davon aus, dass die Mini-Gipfel inklusiv sein werden. Das würde bedeuten, dass Russland in geeigneter Weise einbezogen wird.» 

Vor den US-Wahlen sei kein Durchbruch zu erwarten, vermutet der Fachmann für internationale Sicherheit: «Die Zeit könnte genutzt werden, um in einem diskreten Rahmen Fragen zu Prozess- und Verhandlungsformaten zu erörtern.» So sei zu klären, ob die Schlüsselakteure eine Kontaktgruppe schaffen, wie dies in anderen Friedensprozessen üblich war.

Amherd will Brücken nach China bauen

Bei einem Treffen der europäischen Regierungschefs im britischen Woodstock warb auch Bundespräsidentin Viola Amherd (62) für weitere Schritte: «Die Schweiz ist bereit, eine aktive Rolle in diesem Prozess zu spielen», sagte sie. «Wir werden uns darauf konzentrieren, die Brücken zu stärken, die wir zum Globalen Süden und zu China bauen konnten.» Laut Amherd hat die Schweiz «sehr positive Rückmeldungen zum Gipfel erhalten, auch von Kollegen aus dem Globalen Süden». Es sei nun wichtig, «auf diese Länder zuzugehen, ihre Anliegen zu berücksichtigen und sie zu motivieren, sich dem Bürgenstock-Communiqué anzuschliessen».

Bislang jedoch waren diese Anstrengungen vergebens: Ausser Mauritius und Papua-Neuguinea haben sich in den letzten Wochen keine weiteren Staaten der Bürgenstock-Erklärung angeschlossen.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?