Die wichtigsten Antworten zum Uno-Sicherheitsrat
Was kann die Schweiz neben Supermächten ausrichten?

Jetzt wurde die Flagge gehisst! Die Schweiz ist Mitglied des Uno-Sicherheitsrats mit nichtständigem Sitz. Ein historischer Tag. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zur zweijährigen Amtszeit.
Publiziert: 03.01.2023 um 20:57 Uhr
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Am Dienstag wurde die Schweizer Flagge am Sitz des Uno Sicherheitsrates gehisst (im Bild die Schweizer Flagge nach der Wahl im Sommer).
Foto: keystone-sda.ch

Seit Dienstagabend flattert die Schweizer Fahne in New York am Hauptsitz des Uno-Sicherheitsrats. Denn während den nächsten zwei Jahren ist die Schweiz auch dabei. Nach über 10 Jahren in der Vorbereitung, gehts jetzt los. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wer sitzt im Sicherheitsrat?

Fünf Länder sind ständige Mitglieder: China, Frankreich, Grossbritannien, Russland und die USA. Sie werden auch als Vetomächte bezeichnet, da jedes einzelne von ihnen einen Beschluss des Sicherheitsrats blockieren kann. Dazu kommen zehn nicht ständige Mitglieder. Noch bis Ende 2023 sind das Albanien, Brasilien, Gabun, Ghana und die Vereinigten Arabischen Emirate. Hinzu kommen seit Anfang Jahr neu Ecuador, Japan, Malta, Mosambik und die Schweiz.

Wie bekam die Schweiz ihren Sitz?

Die Uno-Vollversammlung wählte die nicht ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats in einer geheimen Abstimmung jeweils auf zwei Jahre, nötig sind mindestens zwei Drittel der Stimmen. Die Schweiz machte bei der Wahl mit 187 von 193 möglichen Stimmen ein Glanzresultat.

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Was ist die Aufgabe des Sicherheitsrats?

Der Uno-Sicherheitsrat hat die Verantwortung für nichts Geringeres als den Weltfrieden – so steht es in der UN-Charta. Seine Beschlüsse sind – anders als jene der Vollversammlung – für alle Uno-Mitglieder bindend. Er kann Massnahmen ergreifen, die von wirtschaftlichen Sanktionen bis hin zu militärischen Operationen reichen. Für einen Beschluss braucht es neun der 15 Stimmen. Die Schweiz wird als nicht ständiges Mitglied dabei zwar mitreden und abstimmen können, muss selbst aber keine Truppen für Einsätze der sogenannten Blauhelm-Soldaten stellen.

Wie oft trifft sich der Rat?

Vorgeschrieben ist, dass der Sicherheitsrat mindestens alle zwei Wochen zusammentrifft, in der Praxis tagt er allerdings nahezu täglich, häufig sogar mehrmals.

Ist die Schweiz noch neutral, wenn sie in einem Gremium sitzt, das Kriegseinsätze befehlen kann?

Absolut, argumentiert der Bund. Rein rechtlich spricht die Mitgliedschaft tatsächlich nicht gegen die Neutralität. Politisch ist die Frage aber umstritten. Insbesondere die SVP argumentiert, dass die Rolle nicht mit der Neutralität vereinbar sei. Am Donnerstagmorgen demonstrierte die SVP-Fraktion denn auch vor dem Bundeshaus: Jetzt sei die Schweiz «definitiv Kriegspartei.» Die SVP hat mehrfach versucht, die Kandidatur zu kippen, zuletzt unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs in der Frühlingssession. Jedoch ohne Erfolg.

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Wieso ist der Sicherheitsrat im Ukraine-Krieg nicht aktiver aufgetreten?

Weil Russland bei Massnahmen gegen sich selbst das Veto einlegt. So wie der Sicherheitsrat aktuell aufgebaut ist, ist sonnenklar, dass das auch künftig so bleiben wird. Neu ist das Problem nicht. Oft blockieren die Vetomächte auch Beschlüsse, die andere Länder betreffen, in denen sie aber Interessen haben. Die USA haben etwa schon mehrfach Resolutionen gegen Israel gestoppt, China wiederum bockte bei den Konflikten in Darfur oder Myanmar.

Was kann die Schweiz neben den Supermächten, die sich sowieso schon gegenseitig blockieren, ausrichten?

Kritische Stimmen sagen: Gar nichts, weil sowieso nur die fünf Vetomächte das Sagen haben. Es gibt aber auch Beispiele für eine optimistischere Lesart. Schweden zum Beispiel gelang es, Uno-Friedensgespräche für Jemen zu organisieren.

Was nützt der Schweiz der Sitz?

Der Bund argumentiert mit Vitamin B: Als Sicherheitsratsmitglied sitzt die Schweiz mit den ganz Grossen am Tisch, kann mitreden und ist in den Dossiers näher dran als ein «normales» Uno-Mitglied. Darüber hinaus hofft die Schweiz, ihre guten Dienste zu platzieren, die eine oder andere Konferenz ins Land zu holen und damit auch das internationale Genf zu stärken.

In erster Linie sei es eine Chance, so alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey (77) kürzlich gegenüber Sonntagsblick. Sie hatte 2011 die Kandidatur der Schweiz angestossen. Die Schweiz könne sich im Rat für ihre Werte einsetzten: Eine Ordnung, die auf internationalem Recht und nicht dem Recht des Stärkeren beruhe. Sie gestand aber ein: Es werde kein Spaziergang.

Was riskiert die Schweiz?

Die Schweiz exponiert sich. Böse Zungen sagen, dass es ihr kaum gelingen wird, innert Stunden Positionen zu internationalen Konflikten zu finden, geschweige denn dabei glaubwürdig zu bleiben. Zudem wird es wahrscheinlich Druckversuche durch die Grossmächte auf die Schweiz geben. Solchen Druck habe es, laut Thomas Biersteker (72), Professor für internationale Beziehungen am IHEID in Genf, aber schon vorher gegeben. Zudem betonte er im Gespräch mit Sonntagsblick: «Die Schweizer Diplomaten sind sehr gut vorbereitet.»

Wer sitzt auf dem Schweizer Stuhl?

Platz nehmen wird die Schweizer Uno-Botschafterin Pascale Baeriswyl (54), die seit 2020 in New York die Schweiz vertritt. Sie vertrat auch bei der Flaggen-Zeremonie am Dienstag die Schweiz. «Wir wollen Brücken bauen mit allen Mitgliedern des Uno-Sicherheitsrat», so Baeriswyl. Sie schloss mit dem Satz, der in der Bundesratskuppel in Bern eingraviert ist: «Unus pro omnibus, omnes pro uno» – «Einer für alle, alle für Einen.»

Und wer entscheidet, wie die Schweiz abstimmt?

Der Bundesrat entscheidet gestützt auf Völkerrecht und Bundesverfassung über die Positionen, muss aber die zuständigen Kommissionen im Parlament regelmässig informieren und zu den Prioritäten konsultieren.

Im August hat der Bundesrat die Prioritäten festgelegt: einen nachhaltigen Frieden fördern, die Zivilbevölkerung schützen, die Effizienz des Sicherheitsrats stärken und die Klimasicherheit angehen. Gemäss Aussendepartement soll sich die Schweiz dabei auf ihr aussenpolitisches Profil und den Auftrag der Bundesverfassung für Frieden und Sicherheit in der Welt stützten.

Wie teuer ist das Engagement für die Schweiz?

Das Aussendepartement beziffert den Aufwand auf 25 Stellen, die für die zwei Jahre Amtszeit zusätzlich nötig sind und danach wieder abgebaut werden. Damit sei die Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern im «unteren Mittelfeld». Laut Aussendepartement soll der Grossteil des Aufwands intern kompensiert werden.

(tom/SDA)

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