Er ist der Star der erneuerbaren Energien und gleichzeitig das Reizobjekt der Traditionalisten: der Solarstrom. Was sich abgezeichnet hat, sieht man zunehmend auch in der Schweiz: Die Fotovoltaikanlage auf dem Dach oder an der Hauswand wird vom idealistischen Ökoprodukt zum relevanten Stromlieferanten.
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Im April wurden laut der Plattform Energy-Charts hierzulande 556 Gigawattstunden Strom über Solarmodule produziert – oder gut 10 Prozent dessen, was Erneuerbare und Atomenergie insgesamt leisteten. Und ein Viertel mehr als im gleichen Monat des Vorjahres.
Das sind Momentaufnahmen, aber der Trend zeigt: Der Solarausbau läuft. Doch das reiche nicht, findet der Bund. Und so wird im Juni über ein Stromgesetz abgestimmt, gegen das Landschaftsschützer das Referendum ergriffen haben und das auch von der SVP bekämpft wird.
Das Gesetz zielt vor allem auf ein Problem, das nicht zuletzt mit dem Solarboom verstärkt wird: Der Schweiz fehlt zunehmend Strom im Winter, während er im sonnenreicheren Sommer im Überschuss vorhanden ist. Und weil mit der E-Mobilität und zunehmend elektrisch betriebenen Wärmepumpen-Heizungen der Strombedarf weiter ansteigt, verschärft sich das Winterproblem zusätzlich.
Verstärkt wird dieser Effekt durch den Atomausstieg, wenn die heutigen Kraftwerke Beznau, Gösgen und Leibstadt ins Alter kommen. Die Szenarien des Bundes rechnen damit, dass die AKW-Produktion in der Schweiz ab dem Jahr 2030 weiter schrittweise bis 2045 bis auf null abnimmt.
Das Stromgesetz zielt vor allem auf die Winterproduktion ab: Am besten gelingt das mit Speicherwasserkraftwerken, die das Wasser dann turbinieren können, wenn Strom fehlt. Gleichzeitig sollen jene Solarstromanlagen besonders gefördert werden, die mit flach ausgerichteten Panels im Winter Strom produzieren. Auch Windstrom wäre mit Blick auf die Winterversorgung interessant.
Weil viele dieser Projekte in den Alpen und in ländlichen Gebieten geplant sind, stehen sie in einem Konflikt mit dem Natur- und Landschaftsschutz. Das Gesetz sieht vor, dass Bewilligungsverfahren vereinfacht und Einsprachemöglichkeiten reduziert werden. Heute dauert es teilweise Jahrzehnte, bis Bewilligungen für Anlagen vorliegen.
Klar ist: Der Ausbau verteuert den in der Schweiz produzierten Strom. Heute stammt der grösste Teil der Schweizer Produktion aus alten und damit abgeschriebenen Kraftwerken. Alte Flusskraftwerke wie Birsfelden produzieren teilweise für gerade mal 3 Rappen pro Kilowattstunde, auch die Schweizer AKW liefern verhältnismässig günstigen Strom für 4 bis 6 Rappen.
Das Land profitiert von mutigen Investitionen vor fünfzig bis hundert Jahren, als halbe Täler mit Staumauern geflutet, Flüsse aufgestaut und nicht zuletzt grosse Atomkraftwerke gebaut wurden. Zu Beginn war auch dieser Strom teuer. Erst jetzt, da die Infrastruktur amortisiert und die Kassen für den Rückbau der AKW gefüllt sind, liefern die Kraftwerke zu tiefen Preisen.
Neue Kraftwerke dagegen sind teurer. Das zeigen die vom Stromkonzern Axpo in seinen Prognosen getroffenen Annahmen, aber auch konkrete Beispiele. Bei den wenigen europäischen AKW-Projekten, die derzeit umgesetzt werden, wachsen die Kosten durch die Decke. Grossprojekte in der Wasserkraft wiederum sind kaum noch möglich – oder nur zu hohen Kosten machbar.
So stellt sich die Frage: Auf welche Technologie soll die Schweiz für die nächsten fünfzig bis hundert Jahre setzen?
Lohnt es sich, neue Talsperren zu erstellen und weitere Flüsse zu stauen, wenn die daraus resultierenden Stromkosten höher sind als bei grossen Solarstromanlagen (siehe Preisbeispiele)? Müssten die Vorschriften für Windräder, die in anderen Ländern mit zweistelligen Prozentsätzen zur Stromversorgung beitragen, erleichtert werden? Oder liegt die Zukunft am Ende doch in neuen AKW, wie sie von bürgerlichen Politikern gefordert werden?
Energieminister Albert Rösti (SVP) betont stets, dass neue AKW nicht Teil der Schweizer Energiestrategie seien. Klar ist aber auch: Sollte das vom Bund beschlossene Energiegesetz nicht angenommen werden, ist auch diese Strategie Makulatur.
Schlussendlich entscheidet das Stimmvolk am 9. Juni. Und zwar über nicht weniger als die langfristige Vision der Schweizer Stromversorgung.