«Wir brauchen mehr Strom. Viel mehr Strom», weibelt Energieminister Albert Rösti (56) für das Stromgesetz. Weil Landschaftsschützer jedoch das Referendum dagegen ergriffen haben, stimmt die Schweiz im Juni darüber ab. Dank dem Gesetz sollen in zehn bis 15 Jahren mindestens 35 Terawattstunden Strom pro Jahr aus erneuerbaren Energiequellen produziert werden – etwa sechsmal so viel wie heute. Doch an welchen Orten gebaut wird, ist grösstenteils noch offen. Blick liefert die Übersicht.
Wasserkraft
Am einfachsten ist der Überblick bei der Wasserkraft. Bei einem Ja werden 16 Projekte direkt ins Gesetz geschrieben. Nur drei davon sind neu, bei den restlichen 13 werden bestehende Projekte vergrössert, also beispielsweise die Staumauern erhöht. Die Hälfte der Ausbauten wird im Kanton Wallis stattfinden, je drei Projekte befinden sich in Graubünden und Bern, im Tessin und im Kanton Uri je eines.
Die Projekte stehen alle an unterschiedlichen Punkten. Das Bundesamt für Energie stellt in einer Notiz an die Umweltpolitiker fest, dass die meisten Projekte frühestens ab 2029 mehr Strom liefern können. Immer vorausgesetzt, dass es schnell geht. So haben zum Beispiel Umweltschützer beim Trift-Projekt im bernischen Grimselgebiet eine Beschwerde eingereicht. Die Betreiber rechnen mit einer Verzögerung von mindestens zwei Jahren – geht es bis vor Bundesgericht, dauert es noch länger.
Solarenergie
Solarpanels werden wohl der wichtigste Teil des Energieausbaus sein. Am meisten Anlagen sollen auf bestehenden Bauten entstehen, also auf Dächern und an Fassaden. Dafür gibt es finanzielle Anreize. Dementsprechend können kleinere Anlagen vergleichsweise schnell ans Netz. Schon in den letzten Jahren wurden deutlich mehr Solarpanels installiert als erwartet. Zudem ist eine Solarpflicht für neue Gebäude mit über 300 Quadratmetern vorgesehen.
Doch es braucht auch grössere Anlagen. Ein Projekt, das mit grosser Wahrscheinlichkeit vom Stromgesetz begünstigt würde, ist Belpmoos-Solar. Beim Flughafen Bern-Belp soll die «grösste Freiflächen-Solaranlage der Schweiz» gebaut werden. «Momentan planen wir noch mit der aktuellen Rechtslage», sagt Flughafen-CEO Urs Ryf. Bedeutet: Zuerst müssen die Grundlagen beim Bund, Kanton und Gemeinde geschaffen werden. Erst danach können die drei Projektpartner um den Flughafen die Baubewilligung beantragen. Die Chance, dass die Anlage bewilligt wird, steigt mit einem Ja zum Stromgesetz.
«Einsprachen bleiben jedoch weiterhin möglich», betont Ryf. Mit dem Stromgesetz hätten es solche Einsprachen allerdings schwerer, weil die Energieproduktion höher gewichtet wird. «Im besten Fall können wir im Frühling 2026 beginnen zu bauen und die Solaranlagen Ende 2026 ans Netz nehmen», sagt Ryf.
Wind
Die Gegner warnen vor 1000 neuen Windrädern, wenn das Ja kommt. Doch solche schiessen auch dann nicht wie Pilze aus dem Boden. Allein das Stromgesetz hilft der Windkraft nämlich kaum. Die erleichterten Planungsbedingungen gelten nur für Windanlagen von nationaler Bedeutung. Einsprachen – und damit Verzögerungen – bleiben auch hier weiterhin möglich. Bundesrat Rösti rechnet gegenüber dem «Tages-Anzeiger» mit rund 200 Anlagen bis 2035.