Sonne, Wasser, Wind: Die Schweiz braucht mehr Pfuus
So gross ist die Strom-Lücke

Das Stromgesetz, über das die Schweiz bald abstimmt, will den Ausbau von Wasser-, Solar- und Windkraft vorantreiben. Warum ist ein Ausbau nötig? Wir werfen einen Blick in die Steckdose.
Publiziert: 04.05.2024 um 12:44 Uhr
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Aktualisiert: 05.06.2024 um 11:23 Uhr
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Energieminister Albert Rösti zu Besuch bei einem Pumpspeicherkraftwerk im Kanton Waadt.
Foto: keystone-sda.ch
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Albert Rösti (56) steht unter Strom. Am 9. Juni stimmt die Schweiz über ein neues Stromgesetz ab. Es geht unter anderem um eine Solarpflicht für Neubauten, erleichterte Bewilligungen für Wasserkraft-Projekte und eine Winter-Reserve.

«Wir brauchen mehr Strom – viel mehr Strom!», sagte Rösti bei der Lancierung des Abstimmungskampfs. Er kämpft für das Gesetz, an dessen Ausarbeitung er noch als Nationalrat stark involviert war. Doch was heisst «viel mehr»? Blick zeigt, was genau auf die Schweiz zukommt – und wie sie aktuell in Sachen erneuerbarer Energie aufgestellt ist. 

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Woher kommt der Strom aus der Steckdose?

Der Strom fliesst: In der Schweiz kann man diese Formulierung wörtlich nehmen. Zwei Drittel der 56 Terawattstunden Strom, die wir jährlich verbrauchen, stammen aus der Wasserkraft. Drei Viertel davon werden in der Schweiz produziert – in Speicherkraftwerken mit Speicherseen sowie in Laufkraftwerken an Flüssen. Den grössten Teil der restlichen erneuerbaren Energie liefern Solarzellen.

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Wie grün ist der Schweizer Strom?

Es ist nicht nur Schweizer Strom, der aus unseren Steckdosen fliesst. Schaut man sich nur die in der Schweiz produzierte Elektrizität an, macht die Wasserkraft gut 50 Prozent des Produktionsmixes aus. Über ein Drittel des Stroms liefern Atomkraftwerke. Neun Prozent des Stroms kommt aus anderen erneuerbaren Energiequellen, hauptsächlich die Solarkraft.

Diese boomt. Im vergangenen Jahr wurde 36 Prozent mehr Solarenergie produziert als 2022. Dieses Jahr soll der Anteil Solarenergie erstmals die 10-Prozent-Marke knacken.

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Wie stehen wir im Vergleich zum Ausland da?

Trotz des Solar-Booms hinkt die Schweiz beim Ausbau der Photovoltaik vielen anderen europäischen Ländern hinterher. Auch in Sachen Windenergie, wo das Ausbaupotenzial ebenfalls gross wäre, gehören wir zu den Schlusslichtern. Top ist die Schweiz hingegen in Sachen Wasserkraft. 

In der EU hat sich der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt, wobei insbesondere die Wind- und Solarenergie ausgebaut wurde. In Deutschland machen die Erneuerbaren inzwischen 44 Prozent des produzierten Stroms aus, über 30 Prozent der Energie liefert allerdings noch immer Kohle. Frankreich ist ein Atomstrom-Land, Italien setzt vor allem auf Erdgas. In Österreich sind über 80 Prozent des produzierten Stroms grün – rechnet man allerdings auch den importierten Strom mit ein, beträgt der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch nur noch gut ein Drittel.

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Wo will die Politik hin?

Das Stromgesetz, das am 9. Juni an die Urne kommt, setzt verschiedene Ausbau-Ziele. Bis 2035 sollen die erneuerbaren Energien (ausgenommen Wasserkraft) 35 Terawattstunden Strom liefern – hauptsächlich dank Solarpanels auf Dächern und an Fassaden. Das ist fast sechsmal mehr Energie, als Strompanels, Windräder und andere Anlagen heute liefern. Bis 2050 sollen es 45 TWh sein. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Solar-Zubau massiv beschleunigt werden.

Ein spezielles Augenmerk richtet das Gesetz ausserdem auf die Stromproduktion im Winterhalbjahr. In den kalten Monaten reicht der Schweizer Strom in der Regel nicht, um den Bedarf zu decken. Je grösser der Anteil erneuerbarer Energien, desto grösser die Winterlücke, da es gerade bei der Photovoltaik grosse saisonale Schwankungen gibt. Um die Abhängigkeit vom Ausland zu reduzieren, soll die Winterstromproduktion bis 2040 um 6 TWh ausgebaut werden. Mit so viel Strom mehr wäre man in den vergangenen Wintern meistens ohne Importe ausgekommen. Doch der Stromverbrauch steigt.

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Wer verbraucht am meisten Strom?

Gut ein Drittel des Stromverbrauchs geht aufs Konto der Haushalte. Von 2000 bis 2020 ist der Haushaltsverbrauch im Schnitt pro Jahr um 1 Prozent gestiegen. Der Grund dafür: das Bevölkerungswachstum. In den vergangenen Jahren hat sich der Stromverbrauch stabilisiert, was sich mit der zunehmenden Energieeffizienz von Waschmaschinen, Backöfen, Fernsehern und anderen Geräten erklären lässt. Der Pro-Kopf-Verbrauch ist gesunken. 

In den kommenden Jahren soll der Strombedarf weiter runter. Bis 2035, so das im Stromgesetz festgehaltene Ziel, soll der Pro-Kopf-Verbrauch um 13 Prozent gegenüber dem Jahr 2000 gesenkt werden. Bis 2050 sollen es immerhin noch 5 Prozent sein.

Der grösste Stromverbraucher der Schweiz sind übrigens die SBB: Auf den öffentlichen Verkehr fallen knapp neun Prozent des Stroms, ein Grossteil wird für den Betrieb des Zugnetzes benötigt. Die Mehrheit der benötigten Energie stammt von eigenen Wasserkraftwerken, die die SBB betreiben.

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Wie gross wird die Stromlücke?

Wärmepumpen statt Ölheizungen, Elektroautos statt Benziner: Weil die Schweiz von fossilen Energien wegkommen will, wird der Strombedarf in den nächsten Jahren und Jahrzehnten massiv grösser. Hinzu kommt das Aus der Atomkraft: Ein Drittel der hiesigen Stromproduktion fällt dadurch weg und muss ersetzt werden. Das wird einen Anstieg der Importe zur Folge haben, bis die erneuerbaren Energien so weit ausgebaut sind, dass sie die Lücke stopfen können.

Bis 2050 dürfte die Schweiz je nach Szenario 25 bis 40 Prozent mehr Strom brauchen, wie eine Studie zeigt. 80 bis 90 Terawattstunden dürften bis dann benötigt werden. Das sind rund 20 TWh mehr als heute.

Auch wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien also planmässig voranschreitet und man versucht, Strom zu sparen, steht die Schweizer Energiepolitik in den nächsten Jahrzehnten vor enormen Herausforderungen.

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