Auf einen Blick
- Deutsche Parteien orientieren sich an Schweizer Vorbildern für Wahlprogramme
- Themen: Bahn, Altersvorsorge, Preisüberwachung, Infrastruktur und direkte Demokratie
- «Nach Schweizer Vorbild» wird in Programmen häufig erwähnt
Wer hat’s erfunden? Die Schweizer! Der Wahlkampf in Deutschland läuft auf Hochtouren. Am 23. Februar wird der Bundestag neu gewählt. Dem Volk wird viel versprochen. Die Parteien haben umfassende Wahlprogramme vorgelegt. Erstaunlich ist: Immer wieder wird darin auf die Schweiz verwiesen, und zwar von ganz links bis ganz rechts.
Blick hat sich die Parteiprogramme angeschaut – und dokumentiert, welche Ideen die Parteien von den Eidgenossen kopieren wollen.
SPD
«In der Schweiz lässt man viele ICEs aus Deutschland nicht mehr einfahren, weil sie die Pünktlichkeit im Schweizer Netz gefährden. Man mag darüber schmunzeln, aber gut ist das nicht. (...) Wir wollen wieder stolz sein auf unsere Bahn.»
Es ist ein Dauerbrenner: Die Deutsche Bahn kämpft chronisch mit Verspätungen und Infrastrukturproblemen. Das Schweizer Schienennetz gilt dagegen als zuverlässig, pünktlich und gut ausgebaut. Für die Sozialdemokraten ein Ideal.
«Wir kämpfen für eine pünktliche Bahn und gute Mobilität für alle», schreibt die SPD des amtierenden Bundeskanzlers Olaf Scholz (66) in ihrem Programm. Nur: Teil des Problems ist, dass die Politik Investitionen lange vernachlässigt hat. Und immerhin ist die SPD seit 1998 – mit nur vier Jahren Unterbrechung – in der Regierung vertreten.
FDP
«Nach Schweizer Vorbild sollen Mittel aus der betrieblichen Altersvorsorge für den Eigentumserwerb genutzt werden können – eine zusätzliche, flexible Finanzierungsquelle.»
In der Schweiz können Pensionskassengelder unter bestimmten Bedingungen für den Bau oder Kauf eines Eigenheims verwendet werden. Dies ist möglich, wenn das Haus selbst genutzt wird. Die FDP von Parteichef Christian Lindner (46) will dies auch in Deutschland ermöglichen.
Wohneigentum sei zentral für Vermögensaufbau und Altersvorsorge, schreibt die Partei. «Wir wollen, dass der Traum vom Eigenheim für mehr Menschen zur Realität werden kann.» Der Vorbezug aus der zweiten Säule birgt gewisse Risiken, weil er die Renten schmälert – Stichwort Altersarmut.
Bündnis Sahra Wagenknecht
«Wir brauchen einen Preisüberwacher nach Schweizer Vorbild, um hohe Gewinnspannen einzelner Marktteilnehmer transparent zu machen und, soweit erforderlich, dagegen vorzugehen.»
Der Preisüberwacher ist in der Schweiz eine Institution. Er ist dafür verantwortlich, dass der Staat und Firmen keine überrissenen Preise und Abgaben verlangen. Der Amtsinhaber – aktuell Stefan Meierhans (56) – wird vom Bundesrat ernannt. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wünscht sich eine ähnliche Stelle für Deutschland.
Daneben befasst sich die Partei, deren Aushängeschild Sahra Wagenknecht (55) ist, auch mit dem öffentlichen Verkehr. Man wünsche sich ein «getaktetes Konzept nach Schweizer Vorbild». Allein, die Forderung wird bereits umgesetzt: In Deutschland wird der Taktfahrplan etappenweise eingeführt – mehrere Jahrzehnte sind dafür eingeplant.
Die Linke
«Um den grossen Investitionsbedarf der Verkehrsinfrastruktur vom jährlichen Bundeshaushalt unabhängig (...) zu machen, schlagen wir die Schaffung eines verkehrsträgerübergreifenden Infrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild vor.»
Auch die Linken blicken beim Thema Verkehr in die Schweiz, werden aber schon konkreter. Mit einer Fondslösung könnten die Investitionen in Strassen und Schienen auf eine stabilere Basis gestellt werden, sind sie überzeugt.
In der Schweiz werden Strassen- und Bahnprojekte über spezielle Kässeli finanziert, den Strassenfonds NAF und den Bahnfonds Fabi. Bund und Kantone zahlen in diese Töpfe ein, zusätzlich fliessen weitere Einnahmen rein. Das gibt mehr Planungssicherheit, unabhängig von der Staatskasse.
AfD
«Wir fordern Volksentscheide nach Schweizer Vorbild auch für Deutschland. Denn die uneingeschränkte Volkssouveränität (...) hat dem eidgenössischen Bundesstaat eine fortwährende Spitzenstellung in Wohlstand, Frieden und Freiheit gesichert.»
Vieles, was die «Alternative für Deutschland» (AfD) mit ihrer Kanzlerkandidatin Alice Weidel (46) fordert, «ist in der Schweiz längst Realität», schrieb Blick bereits im Herbst. Dies zeigt sich auch beim aktuellen Wahlprogramm: Die Partei fordert mehr direkte Demokratie à la Schweiz. Sie pocht auf mehr Referenden und will Initiativen einführen. Offen lässt die AfD im Programm, über welche Themen sie gerne abstimmen lassen würde.
Freie Wähler
«Nicht immer nur der billigste Anbieter ist der beste, sondern zum Beispiel der zweitbilligste oder der schnellste – Vorbild Schweizer Vergabeverfahren.»
Baustellen-Ärger! Wenn in Deutschland neue Strassen gebaut oder Schienen verlegt werden, kommt es oft zu Verzögerungen. Die Freien Wähler – unter Spitzenkandidat Hubert Aiwanger (55) wollen sie erstmals in den Bundestag einziehen – schlagen deshalb ein ganzes Bündel von Massnahmen vor.
Eine davon: neue Regeln für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Der Preis soll dabei nicht mehr die oberste Maxime sein. Andere Kriterien sollen wichtiger werden. In der Schweiz wurde das öffentliche Beschaffungswesen entsprechend reformiert.
Und die anderen?
Die Unionsparteien CDU/CSU mit ihrem Spitzenkandidaten Friedrich Merz (69) beziehen sich, soweit ersichtlich, nicht auf die Schweiz. In ihrem Wahlprogramm betonen sie aber explizit, dass sie die Zusammenarbeit mit der Schweiz stärken wollen. Im Programm der Grünen von Robert Habeck (55) wird die Schweiz überhaupt nicht erwähnt.