Radikal, untragbar, nah bei den Nazis: Nach dem Glanzresultat der AfD in Thüringen und Sachsen hört das Klagen in Deutschland nicht auf – und die halbe Welt schaut tief besorgt auf unseren nördlichen Nachbarn. Da stürmt im Osten eine Partei an die Spitze der politischen Charts, die vom deutschen Verfassungsschutz in Teilen als «gesichert rechtsextrem» eingestuft wird.
Aber Achtung: Nach dem hitzigen Wahlkampf lohnt sich ein kühler Blick auf das, was die AfD laut ihrem Parteiprogramm vorhat. Blick hat sich das Papier der «Alternative» mit Leuchtstift durchgelesen und stellt fest: Die Schweiz lebt den AfD-Traum. Diese 9 Punkte zeigen: Was sich die AfD für Deutschland wünscht, ist hierzulande längst Realität:
Mehr direkte Demokratie
Man wolle in Deutschland «Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild» durchführen, hält die AfD fest. Mehr direkte Demokratie sei gefragt, weniger politisches Dirigieren vom Berliner Führungsstab.
Die Schweizer Stimmbevölkerung wird jedes Jahr vier Mal zur Urne gebeten. Darüber hinaus wählen wir alle vier Jahre das nationale Parlament, die kantonalen Parlamente und die kantonalen Regierungen.
Mehr Selbstbestimmung in der EU
Die AfD will ein Europa der souveränen Staaten, sprich: weniger Vorschriften aus Brüssel und Strassburg. Ohne die rasche Umsetzung tiefgreifender Reformen will sie Deutschland aus der EU hinausführen und eine neue Europäische Wirtschaftsgemeinschaft lancieren.
Das entspricht ziemlich genau dem, was das Nicht-EU-Land Schweiz mit seinen bilateralen Abkommen mit der Europäischen Union bereits heute hat.
Weniger Sichtbarkeit für den Islam
«Der Islam gehört nicht zu Deutschland», proklamiert die Partei. Man will ein Verbot für neue Moscheen, die von ausländischen Geldgebern finanziert oder von verfassungsfeindlichen Vereinen betrieben werden. Zudem wünscht sich die AfD ein Verbot für Vollverschleierungen.
Das gibt’s in der Schweiz seit der knappen Annahme des Burkaverbots 2021. Unser Minarettverbot geht zudem einen ganzen Schritt weiter als die von der AfD gewünschten Bewilligungsverschärfungen für neue Moscheen.
Keine Waffen für die Ukraine
Auch wenn das so nicht direkt im Parteiprogramm steht: Die AfD hat im Wahlkampf klar gemacht, dass man der Ukraine keine Waffen mehr liefern und den Krieg auf diplomatischen Weg rasch beenden will.
Die Schweiz ist ihrer Neutralität mindestens bezüglich Waffenlieferungen an die Ukraine treu geblieben. Keine einzige Patrone, ja nicht einmal schusssichere Westen hat die Eidgenossenschaft an Wolodimir Selenskis (46) Truppen geschickt. Für Gespräche mit Russland zeigte sich der Bundesrat zuletzt bei der Bürgenstockkonferenz offen.
Wiedereinführung der Wehrpflicht
2011 hat Deutschland die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft. Die AfD will das rückgängig machen und alle männlichen Staatsbürger zwischen 18 und 25 wieder einberufen.
Die Schweiz hat die allgemeine Wehrpflicht seit der Staatsgründung 1848 beibehalten.
Erbschaftssteuer abschaffen
Die AfD will die Erbschaftssteuer abschaffen. Sie sei «mittelstandsfeindlich» und gefährde den sorgsamen Umgang mit der Vermögensweitergabe von einer Generation an die nächste.
In der Schweiz sind überlebende Ehepartner und in den meisten Fällen auch die Kinder von der Erbschaftssteuer befreit.
Atomausstieg überdenken
Der von der Regierung von Angela Merkel beschlossene Atomausstieg in Deutschland sei überhastet gewesen, findet die AfD. Sie fordert eine Laufzeitverlängerung für Deutschlands Atomkraftwerke.
In der Schweiz, wo vier der einstmals fünf AKWs noch immer in Betrieb sind, gibt es keine gesetzliche Laufzeitbeschränkung für Atomkraftwerke. Die Betreiberfirmen Axpo und Alpiq haben die geplante Laufzeit ihrer Reaktoren bereits von ursprünglich 50 auf neu 60 Jahre verlängert.
Duales Bildungssystem stärken
Explizit fordert die AfD eine langfristige Sicherung des dualen Bildungsweges: also Lehrstellen in Privatbetrieben kombiniert mit staatlichen Berufsschulen. Dieses System sei ein Deutschland durch die zunehmende Akademisierung des Bildungsweges gefährdet.
Das duale Bildungswesen gehört zur DNA der Schweiz. Nirgendwo auf der Welt gibt es mehr gut ausgebildete Lehrabgänger als hierzulande.
Freie Listenwahl bei Urnengängen
In Deutschland kann man bei den alle fünf Jahre stattfindenden Bundestagswahlen nur starre Parteilisten einwerfen. Darüber hinaus darf man einen Politiker aus seinem Wahlkreis direkt wählen. Die AfD will, dass man in Zukunft seine Wahllisten frei zusammenstellen und ungewünschte Personen von der Liste streichen kann.
Die Schweizer Stimmbevölkerung ist Weltmeisterin im Kumulieren, Streichen und Panaschieren.
Fazit: Vieles, was die AfD will, hat die Schweiz schon lange. Zudem fordert sie etwa eine Abschaffung der integrativen Schulsysteme, will also, dass verhaltensauffällige und lernschwache Kinder wieder in separaten Klassen eingeschult werden. Genau diese Rückkehr zum alten System wird auch in der Schweiz derzeit gefordert – nicht von radikalen Gruppierungen, sondern von der FDP.
Kein Wunder, dass die Zuwanderung deutscher Staatsbürger in die Schweiz auf Rekordniveau liegt. Ende 2023 lebten 324'000 Deutsche bei uns. In ihren Augen sind wir offenbar eine gute Alternative zu Deutschland.