Ukraine-Krieg hat alles verändert
So will Amherd die Schweiz verteidigen

Die Armee soll möglichst rasch wieder fähig werden, das Land zu verteidigen. In einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht zeigt der Bundesrat auf, wie das Ziel erreicht werden soll. Dabei ist er auch bereit, an der bisherigen Neutralität zu rütteln.
Publiziert: 31.01.2024 um 19:56 Uhr
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Aktualisiert: 01.02.2024 um 09:27 Uhr
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Zurück in den Bunker: Bereits im vergangenen August hatte Armeechef Thomas Süssli angekündigt, einiges umkrempeln zu wollen.
Foto: keystone-sda.ch
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Nun legt Verteidigungsministerin Viola Amherd (61) endlich die Karten auf den Tisch. Schon seit bald zwei Jahren fordert das Parlament eine klare Strategie für die Armee. Mit dem Ukraine-Krieg hat sich die Bedrohungslage massiv verschlechtert. Das Schweizer Militär sei dafür nicht gerüstet. Gerade rund um die Debatte zur Erhöhung des Armeebudgets wurde die Forderung laut, Amherd solle aufzeigen, wie sie die Armee neu ausrichten will.

Weil das Verteidigungsdepartement (VBS) Antworten schuldig blieb, stiess die Sicherheitskommission des Ständerats vor einem Jahr nochmals nach. Bis spätestens im August hätte Amherd in einem Bericht aufzeigen sollen, wie die Verteidigungsfähigkeit des Landes gestärkt werden kann. Doch auch diese Frist verstrich ungenutzt.

Auf dem Land, in der Luft – und im Weltraum

Nun endlich aber hat das Warten ein Ende. Am Mittwoch hat der Bundesrat den Bericht «Verteidigungsfähigkeit und Kooperation» abgesegnet. Dieser legt auf 35 Seiten dar, wie die Verteidigungsfähigkeit der Armee gestärkt und eine vertiefte Kooperation mit der Nato erreicht werden kann.

Um beispielsweise Bedrohungen bereits früher zu erkennen, sollen der Militärische Nachrichtendienst und der Dienst für den präventiven Schutz der Armee in den kommenden beiden Jahren ausgebaut werden. Daneben schmiedet das VBS für die Aufklärung sogar Weltraumpläne.

Gleichzeitig soll die Armee auf allen Ebenen möglichst rasch auf Vordermann gebracht werden – zu Lande, zu Wasser, in der Luft und im Cyberraum. Eine grosse Herausforderung angesichts der erst gerade bekanntgewordenen Finanznöte der Armee.

Kurzfristig will die Armee zudem bei Bereitschaft und Ausbildung ansetzen. Vermehrt sollen wieder grosse Gefechtsübungen durchgeführt werden. Damit realitätsnahe Szenarien trainiert werden können, würden mit Streitkräften im benachbarten Ausland Möglichkeiten zur Zusammenarbeit abgeklärt.

Und: Die Armee ist zum Schluss gekommen, dass einige ältere Systeme, die bald ausrangiert werden sollten, doch noch länger genutzt werden sollen. Als Beispiele nennt sie die schultergestützte Fliegerabwehrlenkwaffe Stinger und die Panzerfaust 90. Der Ukraine-Krieg habe gezeigt, dass solche Waffen immer noch sehr wirkungsvoll seien.

Zurück in den Bunker

Schon im vergangenen August hatte die Armeespitze angekündigt, vieles umkrempeln zu wollen. Sie will möglichst rasch wieder fähig werden, das Land zu verteidigen. Mit der Armee 21 habe man sich vermehrt auf Schutzaufgaben konzentriert. «Man hat sich der damaligen Bedrohungslage angepasst», erklärte Armee-Chef Thomas Süssli (57) bei der Präsentation des Berichts «Die Verteidigung stärken». In Europa herrschte seit Jahrzehnten Frieden.

Süssli will wieder auf Altbewährtes setzen: Nach dem Kalten Krieg ausser Dienst gestellte Bunker sollen wieder in Betrieb genommen werden. Artillerie, Panzer- und Luftabwehr sollen erneuert sowie ein Teil der eingemotteten Leo-2-Panzer wieder in Schuss gebracht werden – alles Lehren aus dem Ukraine-Krieg. Auch Cyberabwehr und Nachrichtenbeschaffung sind auszubauen. Und die Armee braucht viel mehr Munition. Die Einkaufsliste ist lang.

Der Alleingang hat ein Ende

Als neutraler Staat strebe die Schweiz an, sich selbständig zu verteidigen. «Bei einem Angriff ist sie jedoch frei, ihre Verteidigung zusammen mit anderen Staaten zu organisieren», hält der Bundesrat fest. So soll gleichzeitig eine vertiefte Kooperation mit der Nato erreicht werden – immer unter Wahrung der Neutralität.

Allerdings macht der Bundesrat kaum einen Hehl daraus, dass er durchaus bereit ist, an der bisher teilweise strikten Neutralität zumindest zu rütteln: «Die derzeitigen Beschränkungen hat sich die Schweiz weitgehend selbst auferlegt; es liegt daher an ihr, diese im Rahmen des Neutralitätsrechts aufzugeben oder zumindest anzupassen.»

Geprüft werden etwa die Entsendung von Soldaten für Ausbildungseinsätze zugunsten Dritter oder der Transit von ausländischem Militärpersonal durch die Schweiz bei Übungen. Hinzu kommt die geplante Beteiligung am europäischen Luftverteidigungssystem Sky Shield. Für all das soll eine rechtliche Grundlage geschaffen werden.

Dieser Nato-Schutzschirm ist aber nicht umsonst zu haben. Kooperation sei ein Geben und Nehmen und setze die Bereitschaft der Partner voraus, stellt der Bundesrat klar. Daher ist die Schweiz gefordert, substanzielle Beiträge zu leisten, unter anderem in der militärischen Friedensförderung in Konfliktgebieten.

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