Der Ukraine-Krieg hat alles verändert. Die Jahre des Friedens sind vorbei. Die Unsicherheit ist gross, die Sicherheitslage angespannt. Das schafft auch für die Schweizer Armee eine ganz neue Ausgangslage.
Nun legt Armeechef Thomas Süssli (56) neue Pläne vor, die es in sich haben. Am Donnerstag stellte er den Bericht «Die Verteidigung stärken» vor. Dieser zeigt vor allem eines: Unsere Armee ist unter Zugzwang. Heute ist sie kaum mehr in der Lage, das Land zu verteidigen. Mit der Armee 21 habe man sich vermehrt auf Schutzaufgaben konzentriert. «Man hat sich der damaligen Bedrohungslage angepasst», so Süssli. In Europa herrschte Frieden.
Zurück in den Bunker
Zu lange wähnte man sich in Sicherheit, zu viele Ressourcen wurden abgebaut. Doch plötzlich ist alles anders. Die Armee besinnt sich auf ihre Kernaufgabe zurück: die Landesverteidigung. Wie zuletzt im Kalten Krieg soll die Armee wieder fähig werden, militärische Angriffe mit allen Mitteln abzuwehren – am Boden, in der Luft, im Cyberraum. Andere Aufgaben wie das Räumen von Skipisten müssen künftig zurückstehen.
Diese Neuausrichtung wird zur Herkulesaufgabe. Die Armee muss ihre Verteidigungsfähigkeit wieder ganz neu aufbauen. So wurden etwa nach dem Kalten Krieg zahlreiche Bunker und versteckte Geschütze in den Alpen ausser Dienst gestellt und teils abgerissen. Damit soll Schluss sein. Die Armee brauche diese wieder, um die Schweiz zu verteidigen.
Bis sich die Schweiz wieder ernsthaft verteidigen kann, ist ein weiter Weg. Es brauche daher einen Zwischenschritt, wie die Armee in ihrem Bericht beschreibt.
Kleinere, aber machbare Schritte
Grosse Reformen haben ausgedient. Sie haben die Armeespitze nicht überzeugt. Bis eine Reform nach Jahren endlich umgesetzt war, war sie meist schon wieder veraltet. Stattdessen will die Armee in den kommenden Jahren auf kleine Schritte setzen, die rascher umgesetzt werden können.
Wichtig ist gemäss Süssli etwa die Stärkung der Bodentruppen: «Ein Kampf in der Schweiz würde notgedrungen auch in urbanen, überbauten Gebieten stattfinden.» Allerdings bilden die Waffenplätze im Inland eher eine ländliche Schweiz ab. Daher will Süssli die Soldaten ins Ausland schicken, wo städtischere Übungsanlagen vorhanden seien.
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Die Einkaufsliste ist lang
Heisst: Statt ganze Systemflotten auf einen Schlag zu ersetzen, soll schrittweise immer nur je ein Drittel der Bestände mit dem modernsten Material ausgerüstet werden. Das hat auch mit den verfügbaren Geldern zu tun: Zwar soll das Armeebudget bis 2035 auf ein Prozent des Bruttoinlandprodukts steigen. Sollen aber alle Systeme, die bald ihr Ablaufdatum erreichen, eins zu eins ersetzt werden, wären sagenhafte 40 Milliarden Franken nötig.
Um die Verteidigung zu stärken, will Süssli auch auf Altbewährtes setzen. So sollen Artillerie, Panzer- und Luftabwehr erneuert sowie ein Teil der eingemotteten Leo-2-Panzer wieder in Schuss gebracht werden – alles Lehren aus dem Ukraine-Krieg. Auch Cyberabwehr und Nachrichtenbeschaffung sollen ausgebaut werden. Und die Armee brauche viel mehr Munition. Die Einkaufsliste ist lang.
Schon länger ist Amherd zudem daran, die Armee der Nato anzunähern. Die Pläne für das europäische Luftverteidigungssystem «Sky Shield» sind nur ein Beispiel. Das trägt der Mitte-Bundesrätin auch viel Kritik ein. Die Armeespitze aber zeigt sich überzeugt: «Ein Alleingang ist keine erfolgversprechende Option.»
«Der Bericht ist von der Politik allerdings noch nicht bewilligt», räumte Armeechef Süssli ein. Er lässt auch noch viele Fragen offen. Klar aber ist schon jetzt: All das wird viel kosten. 13 Milliarden Franken sind bis 2031 eingeplant. Die beschlossene schrittweise Budgeterhöhung werde das ermöglichen, versichert die Armee. Nur geht es nicht so schnell, wie sich Armeechef Süssli wünscht.