Die Staatschefs Westeuropas haben die Nase voll. Erst durfte Deutschland keine Munition aus Schweizer Produktion an die Ukraine liefern, Dänemark keine Radschützenpanzer weitergeben. Dann lehnte es der Bundesrat Ende Juni auch ab, 96 Leopard-1-Panzer an die deutsche Herstellerfirma Rheinmetall zurückzugeben.
Die aktuell in Italien eingelagerten Panzer sollten in Deutschland instand gestellt und dann an die Ukraine weitergegeben werden. «Ehrlich, ich war echt enttäuscht, und ich finde es schwierig zu verstehen», reagierte der abtretende niederländische Ministerpräsident Mark Rutte (56) verärgert.
Die Schweiz macht sich aktuell wenig Freunde, was die hiesige Rüstungsindustrie teuer zu stehen kommen könnte. Deutschland produziert seine Gepard-Munition mittlerweile selber. Und das holländische Parlament will gar keine Schweizer Waffen mehr kaufen.
Erst am Dienstag sprach der österreichische EU-Abgeordnete Lukas Mandl (44) im Rahmen eines neuen Berichts zu den Beziehungen Schweiz-EU erneut davon, «dass Chancen in den Bereichen Geopolitik und Sicherheit verpasst worden sind».
VBS signalisierte Alternativ-Möglichkeit
Es ist ein offenes Geheimnis, dass Verteidigungsministerin Viola Amherd (61) den Leopard-1-Deal ermöglichen wollte. Schliesslich ist eine weitere Annäherung an die Nato erklärtes Ziel des Gesamtbundesrats. Die geplante Beteiligung am europäischen Raketen-Schutzschirm «Sky Shield» soll dabei nur ein Schritt sein.
Hinter vorgehaltener Hand signalisiert ihr Verteidigungsdepartement (VBS) daher Alternativen. So habe man die Weitergabe der Leopard-1-Panzer vor allem untersagen müssen, weil sie im Kriegsgebiet landen sollten. «Würden sie aber im Westen bleiben, wäre eine Weitergabe wohl möglich», heisst es aus dem VBS. Eine Einschätzung, die vom zuständigen Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) im Grundsatz bestätigt wird.
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Anders als bisher beim Leo 1 ist deshalb auch die Weitergabe von 25 moderneren Leopard-2-Panzern möglich. Sie sollen lediglich Bestandslücken in Nato-Ländern auffüllen, kämen nicht in die Nähe der Kriegsfront. Nachdem Bundesrat und Nationalrat bereits zugestimmt haben, fehlt hier nur noch der Segen des Ständerats. «Es ist also möglich, dass auch für die Leopard 1 nochmals neue, angepasste Anfragen kommen», ist aus dem VBS zu hören.
Berlin verzichtet auf neue Anfrage
Die Idee für eine Alternativ-Lösung für den Leo 1 wird in Berlin aber abgewiesen. Was der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (63) kürzlich bei seinem Besuch in Bern nur angedeutet hatte, stellt sein Verteidigungsministerium nun unmissverständlich klar: Eine abgeänderte Anfrage für die Leopard-1-Panzer wird es nicht geben.
Deutschland will diese nur für die Ukraine. Selber habe es keinen Bedarf für den Leopard 1. «Der Typ wird in Nato-Ländern nicht mehr aktiv genutzt. Deshalb können damit auch keine Bestandslücken aufgefüllt werden, anders als beim Leopard 2», sagt ein Sprecher des deutschen Verteidigungsministeriums.
Und auch als Ersatzteillager sind die Stahlkolosse kein Thema: «Es wäre der Ukraine schwierig zu vermitteln, dass funktionierende Panzer, die sie in ihrem Überlebenskampf dringend benötigt, stattdessen auseinandergenommen werden.» Das soll Pistorius mittlerweile auch Amtskollegin Amherd klargemacht haben.
Der Schweizer Versuch, im Westen doch noch gut Wetter zu machen, ist gescheitert. Der Spagat zwischen Neutralität und Solidarität mit der Ukraine gelingt immer weniger.