Der Rüstungskonzern Ruag kommt nicht aus den Negativschlagzeilen heraus. Erst sorgte CEO Brigitte Beck mit umstrittenen Aussagen zu Waffenlieferungen an die Ukraine für Ärger: Deutschland oder Spanien sollten doch trotz Veto der Schweiz Waffen weitergeben. Die Chefin des bundesnahen Betriebs setzte sich so über die Schweizer Neutralitätspolitik und das Kriegsmaterialgesetz hinweg. Sie entschuldigte sich daraufhin in einem internen Schreiben.
Dann soll die Ruag auch im Ausland für Ärger gesorgt haben. Sie habe potenzielle Käufer im Glauben gelassen, es bestünden Chancen, 96 in Italien eingelagerte Leopard-1-Panzer zur Weitergabe in die Ukraine verkaufen zu können – trotz anderslautender Auskünfte des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), warfen ihr Medien vor. Nach dem Nein des Bundesrats zeigte sich die Niederlande denn auch sehr enttäuscht. Zu diesen diplomatischen Verstimmungen habe gerade die Ruag beigetragen, so der «Tages-Anzeiger».
Ruag widerspricht den Vorwürfen
Die Ruag selber will davon nichts wissen. Der Konzern habe bei diesem Geschäft keinerlei Erwartungen geweckt, versichert eine Sprecherin. Das Resultat der Voranfrage beim Seco habe keine rechtliche Verbindlichkeit gehabt – erst der Entscheid des Bundesrats. Den potenziellen Partnern gegenüber sei stets transparent gemacht worden, dass ein Panzer-Deal nur zustande komme, wenn eine rechtsverbindliche Bewilligung vorliegt. Die Ruag halte sich konsequent an die geltenden gesetzlichen Vorgaben.
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Beim Bund wiederum gibt man sich zurückhaltend: Jedem Unternehmen stehe es frei, nach einer Voranfrage ein konkretes Gesuch zu stellen, lässt das Seco lediglich verlauten. Und beim Verteidigungsdepartement VBS heisst es nur, dass der Bund als Eigner keinen Einfluss auf operative Geschäftstätigkeiten der Ruag wie einen Austausch mit potenziellen Käufern nehme. Auf die konkreten Vorwürfe gehen die zuständigen Stellen nicht ein.
Dicke Luft im Parlament
Im Parlament herrscht jedenfalls weiterhin dicke Luft. «Das Seco hat der Ruag mit der Vorabklärung eine unmissverständliche Absage erteilt. Die Ausgangslage war also klar», findet SVP-Nationalrat Mauro Tuena (51). Dennoch habe die Ruag mit einem offiziellen Gesuch nachgestossen.
«Mit dem Ukraine-Krieg sind wir in Europa in einer ganz schwierigen Situation, da sollte ein bundeseigener Betrieb nicht noch zusätzlich Staub aufwirbeln», sagt der Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission. Die Ruag habe nie eine Chance gehabt, Panzer ins Kriegsgebiet zu verkaufen – und das auch sehr wohl gewusst. Tuena: «Diesen diplomatischen Schlamassel hat die Ruag angerichtet, nicht der Bundesrat.»
Ruag-Chefin ist noch nicht aus dem Schneider
Zu anderen Schlüssen kommt SP-Sicherheitspolitikerin Franziska Roth (57). Für sie ist am Gesuch für den Verkauf der Leopard-1-Panzer nichts verwerflich. «Dass man versucht, den europäischen Ländern und der Ukraine hier Unterstützung zu leisten, ist nachvollziehbar.» Es sei daher auch richtig gewesen, dass der Bundesrat ein zusätzliches Gutachten in Auftrag gegeben hat. «Sich ohne fundierte Abklärungen aus allem rauszuhalten und hinter der Neutralität zu verstecken, ist natürlich einfach, aber die höchste Form von Unsolidarität.»
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Die Rolle der Ruag wird im Parlament jedenfalls noch ein Thema sein. Auch CEO Beck selber ist noch nicht aus dem Schneider. Nach ihren umstrittenen Aussagen zu Waffenlieferungen in die Ukraine zeigte sich der Verwaltungsrat «nicht glücklich». Präsident Nicolas Perrin kündigte zudem interne Abklärungen an. Diese sind noch immer nicht abgeschlossen. Becks Position als CEO von Ruag stehe zurzeit aber nicht zur Debatte, versichert der Konzern.