Schlechte Nachricht für den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (45): Schweizer Waffen sollen auch weiterhin nicht an die Ukraine geliefert werden dürfen. Vorerst auch nicht indirekt. Dabei ist das Land, welches letztes Jahr von Russland überfallen wurde, auf Waffen aus dem Westen angewiesen, um sich zu verteidigen.
Der Entscheid im Nationalrat war heiss umstritten: Mit 98 zu 75 Stimmen bei zwei Enthaltungen wurde ein Vorstoss der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats abgelehnt, der der Ukraine entgegenkommen wollte.
Massgeschneiderte Lösung
Die parlamentarische Initiative verlangte, dass die Schweiz auf die Nichtwiederausfuhr-Erklärung verzichtet, wenn «die Wiederausfuhr des Kriegsmaterials an die Ukraine im Zusammenhang mit dem russisch-ukrainischen Krieg erfolgt». So könnte Deutschland etwa Gepard-Panzermunition an de Ukraine weitergeben. Oder Dänemark könnte Piranha-Radschützenpanzer liefern.
Eine massgeschneiderte Lösung einzig für die Ukraine also. Kein Wunder, wird von einer «Lex Ukraine» gesprochen. Die Änderung des Kriegsmaterialgesetzes hätte per sofort in Kraft treten sollen und wäre vorerst bis Ende 2025 befristet gewesen, so die Idee der Kommission.
Mehr Unterstützung für Ukraine
Mitte-Nationalrat Thomas Rechsteiner (51, AI) erläuterte erfolglos die Position der – mit 13 zu 12 Stimmen äusserst knappen – Kommissionsmehrheit. Diese sei der Auffassung, dass die Schweiz die Ukraine stärker unterstützen und auf diese Weise ihren Beitrag zur europäischen Sicherheit leisten müsse. Der Vorstoss stehe auch im Einklang mit dem Neutralitätsrecht, da es eben nicht um eine direkte Waffenausfuhr in Konfliktgebiete gehe, sondern lediglich die Nichtwiederausfuhr-Erklärungen der Länder betreffe, die Schweizer Kriegsmaterial kaufen.
«Die Ukraine ist eindeutig das Opfer einer solchen völkerrechtswidrigen Aggression», betonte auch GLP-Nationalrat François Pointet (53, VD).
Gegner sehen Neutralität verletzt
Die von Grünen-Nationalrat Fabien Fivaz (45, NE) vertretene Kommissionsminderheit erachtet die Wiederausfuhr von Schweizer Kriegsmaterial in die Ukraine im Hinblick auf die Neutralität als problematisch. Mit einer «Lex Ukraine» werde das vom Neutralitätsrecht vorgesehene Gleichbehandlungsprinzip verletzt.
FDP-Fraktionschef Damien Cottier (48, NE) betonte, dass seine Partei die Wiederausfuhr-Klausel zwar gerne abschwächen möchte, aber eben «ohne das Neutralitätsprinzip zu verletzen». Anstatt nur die Ukraine zu nennen, brauche es eine allgemeinere Version für den Fall, wenn sich ein Land in einem Angriffskrieg verteidigt.
Doch auch wenn nun im Nationalrat ein Nein resultierte, ist das Thema der Wiederausfuhr nicht vom Tisch. Es sind noch weitere Vorstösse hängig, welche eine Wiederausfuhr an Bedingungen knüpfen wollen.
Keine direkten Waffenlieferungen
Die Schweizer Politik tut sich seit Kriegsbeginn schwer, der Ukraine mit Waffen beizustehen. Direkte Lieferungen an Kiew sind ohnehin kein Thema. Aber auch zu indirekten Lieferungen konnte sich das Parlament bisher nicht durchringen. Mehrere Anläufe sind schon gescheitert.
Zwar beschloss der Nationalrat im März, dass andere Länder der Ukraine Schweizer Waffen liefern dürfen. Allerdings nur, wenn der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg feststellt. Russland könnte also jederzeit sein Veto einlegen. Eine Farce.
Die Schweiz ist international immer mehr unter Druck. US-Medien kritisierten sie als «Stolperstein» der westlichen Unterstützung für die Ukraine. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (64) hielt fest, dass es für ihn hier nicht um Neutralität geht: «Es geht darum, das Recht auf Selbstverteidigung zu respektieren, die Rechtsstaatlichkeit zu schützen und die UN-Charta zu verteidigen.» In die gleiche Kerbe schlug auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (64).
Der Druck ist mittlerweile so gross, dass der Bundesrat bereits eingeknickt ist. Letzte Woche gab er grünes Licht für die Lieferung von 25 Leopard-Panzern an Deutschland – eine Kehrtwende.