Für die SVP waren Massnahmengegner wie Nicolas Rimoldi (28) in der Corona-Krise ein Geschenk. Mass-voll, Verfassungsfreunde, Freiheitstrychler: Die Rechtspartei profitierte vom Engagement der Bewegungen, die in der Covid-Pandemie entstanden. Sie konnte mitsurfen auf der coronaskeptischen Welle, ohne dabei selbst ins Schwitzen zu kommen.
Doch nun dreht der Wind. Bei den eidgenössischen Wahlen im kommenden Oktober wollen die Massnahmenkritiker in zig Kantonen mit eigenen Listen antreten. «Die Hoffnung besteht, dass wir mehr als nur einen Sitz holen», sagt Patrick Jetzer (50), Präsident von Aufrecht Schweiz. Die Bewegung Mass-voll kündigt an, in rund der Hälfte der Kantone Kandidierende zu stellen.
SVP macht sich Sorgen
In der SVP ist man beunruhigt. Obwohl die SVP laut aktuellstem Wahlbarometer zulegt: Die Partei befürchtet, dass die Gruppierungen sie Stimmen kosten werden.
Marcel Dettling (42), Wahlkampfleiter der SVP, spricht von einer «dunklen Wolke», die sich da am Himmel auftürmt. «Mit ihrer Strategie schaden sie jenen am meisten, denen sie eigentlich am nächsten stehen», ärgert sich der Schwyzer Nationalrat über die Massnahmengegner. Er ist sich sicher, dass deren Listen zwar nicht nur, aber vor allem der SVP schaden werden.
Dettling verweist auf die jüngsten kantonalen Wahlergebnisse. In jenen Kantonen, in denen die Skeptiker mit eigener Liste antraten, habe man weniger gut abgeschnitten als in Kantonen ohne Kritiker-Liste.
EDU könnte profitieren
Auch Politikwissenschaftler Michael Hermann (51) rechnet damit, dass die Massnahmengegner vor allem die SVP Stimmen kosten werden. In wohl etwas geringerem Mass dürften aber auch die Grünen Wählerstimmen aus dem impfkritischen Milieu an die Corona-Aktivisten verlieren, glaubt der Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Sotomo. Zudem geht er davon aus, dass die Massnahmenkritiker gerade auch Menschen mobilisieren, die bisher gar nicht gewählt haben oder die Liste von Kleinparteien in die Urne warfen.
Eine solche Kleinpartei könnte am Ende die Profiteurin der Skeptiker-Mobilisierung sein: die christlich-konservative EDU. Aufrecht Schweiz strebt in mehreren Kantonen Listenverbindungen mit der EDU an. Im Thurgau ist der Deal bereits fix, in Zürich ist dem Vernehmen nach eine Absichtserklärung unterzeichnet worden. Auch im Kanton Bern dürfte es zum Bündnis kommen.
Listenverbindungen nützen in der Regel vor allem der wählerstärkeren Partei – in den meisten Fällen dürfte das die EDU sein. Die Stimmen für beide Wahllisten werden dabei zuerst zusammengezählt, um die Sitzverteilung zu bestimmen. Erst dann werden die Sitze auf die einzelnen Listen verteilt.
Zehn Jahre sass Barbara Müller (60) für die SP im Thurgauer Kantonsrat. Doch dann kam Corona – und die Geologin überwarf sich mit ihrer Partei. Nun kandidiert sie auf der Liste von Mass-Voll für den Nationalrat.
Müller ist nicht die einzige Kandidatin aus dem Lager der Massnahmengegner mit Polit-Erfahrung. Am Wochenende gab der ehemalige Zürcher FDP-Kantonsrat und Unternehmer Alex Gantner (54) bekannt, dass er für Mass-Voll antritt. Auch ehemalige SVP-, GLP- und Grünen-Politiker fände man auf ihren Listen, sagt Präsident Nicolas Rimoldi (28), der selbst in Zürich kandidiert.
Die Mehrheit der Frauen und Männer, die für Mass-Voll und Co. kandidieren, sind aber Polit-Neulinge – und ihre Chancen demnach in den allermeisten Fällen nahe bei null. Der wohl bekannteste ehemalige Massnahmenkritiker, der den Sprung in die Politik schaffen will, ist Komiker Marco Rima (62). Er tritt in Zug für den Ständerat an.
Im Kanton Schwyz stellt sich IT-Unternehmer Josef Ender (53) als parteiloser Kandidat zur Wahl. Er hatte als Sprecher des Aktionsbündnisses Urkantone an vorderster Front gegen das Covid-Gesetz Unterschriften gesammelt. Und im Thurgau hat Impfgegner Daniel Stricker (53) im Hinblick auf die Wahlen gar eine eigene Partei gegründet, für die er kandidieren will. Im Indianerkostüm rief er vergangenen Monat die «Freiheitspartei» ins Leben, die laut eigenen Angaben «Kunstprojekt, Kulturverein und politische Partei» in einem ist. Das Parteiprogramm: «Wir werden zu allem Nein sagen.» (lha)
Zehn Jahre sass Barbara Müller (60) für die SP im Thurgauer Kantonsrat. Doch dann kam Corona – und die Geologin überwarf sich mit ihrer Partei. Nun kandidiert sie auf der Liste von Mass-Voll für den Nationalrat.
Müller ist nicht die einzige Kandidatin aus dem Lager der Massnahmengegner mit Polit-Erfahrung. Am Wochenende gab der ehemalige Zürcher FDP-Kantonsrat und Unternehmer Alex Gantner (54) bekannt, dass er für Mass-Voll antritt. Auch ehemalige SVP-, GLP- und Grünen-Politiker fände man auf ihren Listen, sagt Präsident Nicolas Rimoldi (28), der selbst in Zürich kandidiert.
Die Mehrheit der Frauen und Männer, die für Mass-Voll und Co. kandidieren, sind aber Polit-Neulinge – und ihre Chancen demnach in den allermeisten Fällen nahe bei null. Der wohl bekannteste ehemalige Massnahmenkritiker, der den Sprung in die Politik schaffen will, ist Komiker Marco Rima (62). Er tritt in Zug für den Ständerat an.
Im Kanton Schwyz stellt sich IT-Unternehmer Josef Ender (53) als parteiloser Kandidat zur Wahl. Er hatte als Sprecher des Aktionsbündnisses Urkantone an vorderster Front gegen das Covid-Gesetz Unterschriften gesammelt. Und im Thurgau hat Impfgegner Daniel Stricker (53) im Hinblick auf die Wahlen gar eine eigene Partei gegründet, für die er kandidieren will. Im Indianerkostüm rief er vergangenen Monat die «Freiheitspartei» ins Leben, die laut eigenen Angaben «Kunstprojekt, Kulturverein und politische Partei» in einem ist. Das Parteiprogramm: «Wir werden zu allem Nein sagen.» (lha)
Kannibalisieren sich Skeptiker selbst?
Mit ein Grund dafür, dass am Schluss andere jubeln könnten, ist, dass die Massnahmenkritiker untereinander verkracht sind. Statt gemeinsam eine Liste mit Kandidierenden aufzustellen, treten die verschiedenen Gruppierungen separat an. Es ist nicht einmal sicher, dass man sich zu Listenverbindungen durchringen kann. Wenn nicht, kannibalisieren sie sich selbst.
Während Aufrecht Schweiz sich mit der EDU zusammentun will, ist Mass-voll dem Vernehmen nach derzeit mit der SVP im Gespräch. Der nationale SVP-Wahlkampfchef Dettling sagt, man habe den Kantonalparteien empfohlen, mit den Massnahmenkritikern das Gespräch zu suchen. Schliesslich könnte man so verhindern, dass die Skeptiker ihnen Stimmen stibitzen.
FDP wird entscheidend sein
Doch der grosse Stolperstein dürfte – nicht nur in Zürich – die FDP sein. Mit ihr hat die SVP schon in mehreren Kantonen Listenverbindungen beschlossen. Die SVP ist sich im Klaren: Mindestens im linken Flügel des Freisinns ist bei der Aussicht, dass FDP-Wähler mit ihrer Stimme auch Rimoldi unterstützen, Widerstand programmiert.