Die Sitze auf der rechten Seite des Nationalratssaals blieben leer, als sich der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (45) gestern ans Parlament wandte. Bis auf zwei Parlamentarier boykottierte die SVP die virtuelle Ansprache.
Während die SVP demonstrativ mit Abwesenheit glänzte, nutzte ein anderer die Gelegenheit, um sich selbst in Szene zu setzen: Corona-Massnahmenkritiker Nicolas Rimoldi (28). Das ehemalige FDP-Mitglied und Präsident der zu Beginn der Corona-Pandemie gegründeten Bewegung Mass-Voll spazierte am Donnerstagnachmittag während der Selenski-Rede unbehelligt durch die Wandelhalle im Bundeshaus – während Medienschaffenden, Lobbyisten und Mitarbeitenden der Parteien der Zugang zu ihr «aus Sicherheitsgründen» verwehrt war.
Glarner dementiert nicht
Rimoldi wollte auf Blick-Nachfrage gestern nicht sagen, welcher Parlamentarier ihn ins Bundeshaus geladen hatte. Im Bundeshaus hat sich aber schnell herumgesprochen, wer es war: SVP-Nationalrat Andreas Glarner (60).
Der Aargauer dementiert gegenüber Blick nicht, dass Rimoldi als sein Gast im Bundeshaus war. Er wolle das Ganze nicht kommentieren, sagt er nur.
Glarner wird sich deshalb davor hüten, frei von der Leber weg über seinen Besuch zu plaudern, weil er genau weiss: Parlamentarierinnen und Parlamentarier dürfen ihren Besuch im Bundeshaus eigentlich nicht unbeaufsichtigt lassen. Das hat seinen Angaben zufolge auch das Sicherheitspersonal Rimoldi gesagt, als er am Donnerstagnachmittag alleine aus der Wandelhalle spazierte.
Parlamentsdienste prüfen Massnahmen
Die Parlamentsdienste teilen auf Anfrage mit, der «Fall» sei ihnen bekannt. «Er wird intern analysiert, und falls nötig, werden Massnahmen getroffen», heisst es. Die Frage, ob Glarner deswegen Konsequenzen drohten, beantworten die Behörden nicht.
Sie halten lediglich fest, dass die Ratsmitglieder die Verantwortung für ihre Gäste übernehmen. «Diese Verantwortung ist nicht detailliert definiert, grundsätzlich gehen wir davon aus, dass insbesondere der Ratsbetrieb in keiner Art und Weise gestört werden darf, die Gäste die Sicherheit nicht gefährden, die Einrichtungen und das Gebäude nicht beschädigen und sich jederzeit an Anweisungen des Personals halten.»
Sperrzone für Journalisten
Warum vor und während der Rede Selenskis die sonst für akkreditierte Personen frei zugängliche Wandelhalle für alle ausser die Parlamentarierinnen und Parlamentarier gesperrt war, wollten die Parlamentsdienste gestern nicht sagen. Die Vereinigung der Bundeshausjournalistinnen und -journalisten sandte deswegen eine Protestnote an die Leitung von National- und Ständerat sowie die Verwaltung. (lha/pt)