Der russische Angriffskrieg hat auch in der Schweiz für eine sicherheitspolitische Zeitenwende gesorgt. Geht es nach dem Parlament, sollen die Armeeausgaben bis 2030 schrittweise auf 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts steigen. Doch der Bundesrat drückt auf die Bremse: Das Ziel soll erst 2035 erreicht werden.
Um die Armeeausgaben ist in Bundesbern seit dem Ukraine-Krieg ein Gerangel entbrannt, bei dem auch FDP-Finanzministerin Karin Keller-Sutter (59) und Mitte-Verteidigungsministerin Viola Amherd (60) an vorderster Front mitmischen. Die Positionen sind klar: Keller-Sutter amtet als Säckelmeisterin mit strengem Auge über die Bundeskasse. Amherd hingegen will die Armee rasch mit ausreichend Rüstungsmaterial versorgen.
Knackpunkt ist das Tempo
Dass die Armee mehr Geld erhalten soll, ist unbestritten. Knackpunkt ist das Tempo. Keller-Sutter wollte nämlich noch länger auf die Bremse drücken. Das zeigen Dokumente, in welche Blick gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz Einsicht hat.
Ursprünglich sollte das Armeebudget bis 2028 jährlich um real gut 7 Prozent steigen, um die Parlamentsvorgabe zu erreichen. Um das Finanzloch in der Bundeskasse zu mindern, drückte das Finanzdepartement aber auf die Ausgabenbremse und pochte auf einen Vorentscheid. Nicht nur für 2024 sollte das Budget nur 5,6 statt wie bisher vorgesehen 5,9 Milliarden Franken betragen. Auch in den Folgejahren sollte es langsamer steigen. «Für den Zahlungsrahmen der Armee 2025-2028 wird von einem jährlichen Wachstum von real 3 Prozent ausgegangen», so Keller-Sutters Vorschlag.
Amherd markierte Widerstand
Statt rund 8 Milliarden wären der Armee so im Jahr 2028 nur 6,6 Milliarden Franken zur Verfügung gestanden. Kumuliert hätte der Ausfall für die Armee zur Zeitenwende-Planung in den kommenden fünf Jahren sogar 4,2 Milliarden Franken betragen. Eine riesige Summe.
Amherd mochte das nicht einfach so hinnehmen. Widerstand markierte dabei auch VBS-Finanzchef Urs Marti in der interdepartementalen Arbeitsgruppe zur Schuldenbremse. Das Protokoll vom Februar vermerkt, dass das VBS die Meinung vertrete, «dass nur bei der Armee wirklich Einsparungen getätigt werden und es sich bei den anderen Massnahmen eher um Lastenverschiebungen oder Budgetkosmetik handelt». Zudem machte Marti klar, «dass das VBS ab 2027 ein Armeewachstum von 6,4 Prozent anstelle von 3 Prozent beantragt».
Der Widerstand lohnte sich – und so fällte der Bundesrat ein salomonisches Urteil. Zwar sollen die Armeeausgaben bis 2026 nur um 3 Prozent jährlich wachsen, danach wird aber wieder aufs Gas gedrückt.
Ab 2027 jährlich über 6 Prozent mehr
Das bestätigt gegenüber Blick auch die Finanzverwaltung: «Die Armeeausgaben wachsen ab 2027 deutlich stärker, mit über 6 Prozent pro Jahr.» Das sei das, was aus heutiger Sicht nötig sei, damit die Ausgaben der Armee vom Niveau 2026 bis im Jahr 2035 1 Prozent des BIP erreichen würden. Für die Jahre 2025 bis 2028 hat die Regierung zudem eine Obergrenze von maximal 26 Milliarden Franken festgelegt.
Dass ab 2027 wieder stärker aufs Tempo gedrückt wird, freut SVP-Ständerat Werner Salzmann (60). «Das ist ein positives Signal», sagt der Präsident der sicherheitspolitischen Kommission. Lieber wäre ihm aber, die Armee würde schon vorher deutlich mehr Geld erhalten.
«Verteidigungsfähigkeit nicht sichergestellt»
«Bei nur 3 Prozent Wachstum kann die Verteidigungsfähigkeit des Landes nicht sichergestellt werden», sagt Salzmann. Die Armee habe einen enormen Nachholbedarf. «Bis 2040 braucht die Armee 50 Milliarden Franken für Rüstung – 40 Milliarden für die Systeme der Bodentruppen und 10 Milliarden Franken für Munition.»
Genügend Projekte seien vorhanden, betont Salzmann und plädiert für einen rascheren Kurs. «Ohne genügend Investitionen können wir die jetzt schon bestehenden Lücken nicht füllen.»
Parlament hat letztes Wort
Der bundesrätliche Sparkurs steht auf tönernen Füssen. Salzmann rechnet damit, dass die Armeeausgaben in der Budgetdebatte des Parlaments Ende Jahr nochmals für kontroverse Diskussionen sorgen wird. «Es ist durchaus denkbar, dass eine stärkere Erhöhung zum Thema wird», sagt der Berner.
Darauf hofft man auch in der Armee und im Verteidigungsdepartement. Oder wie ein Insider sagt: Nachdem man jahrelang bei der Armee gespart habe, brauche es nun endlich mehr Geld und Planungssicherheit.