Die Armee bekommt mehr Geld. Bis 2030 soll das Militärbudget schrittweise jährlich um rund 300 Millionen Franken auf weit über 7 Milliarden Franken steigen. Das Parlament hat in der Sommersession grünes Licht dafür gegeben. Die grosse Frage: Was fängt die Armee mit dem unerwarteten Geldsegen an?
Verteidigungsministerin Viola Amherd (60) hat im Parlament bereits einige Einkaufsideen skizziert. Mittlerweile hat das der Armeestab konkretisiert und den Sicherheitspolitikern eine aktualisierte Mehrjahresplanung vorgelegt.
In einer Powerpoint-Präsentation gab die Armeespitze mit Armeechef Thomas Süssli (55) an der letzten Sitzung der ständerätlichen Sicherheitskommission Einblick in die Investitionsplanung von 2023 bis 2027. Er präsentierte darüber hinaus auch die grobe Einkaufsplanung bis 2035. Bundesrätin Amherd nahm ebenfalls an der Sitzung teil.
Lehren aus dem Ukraine-Krieg
Das interne 21-seitige Dokument liegt Blick vor. Darin verweist die Armee auf wichtige Erkenntnisse aus dem Ukraine-Krieg und zieht daraus die folgenden Lehren für die hiesigen Streitkräfte: Von entscheidender Bedeutung sind etwa moderne Panzerabwehrwaffen, eine leistungsfähige, mobile und weitreichende Artillerie, aber auch geschützte Fahrzeuge oder eine geschützte Kommunikation – auch gegenüber Cyberangriffen.
Die Armee verweist auch darauf, dass für das Zurückgewinnen von Gelände «schwere Mittel» nötig seien. Und um Angriffe aus der Luft abzuwehren und eigene Einsätze am Boden zu ermöglichen, brauche es etwa ein «leistungsfähiges Luft-Boden-Feuer mit abhaltender Wirkung».
Abwehrraketen, Schutzpanzer, Sturmgewehre
In der Präsentation finden sich auch die «Eckwerte für mögliche Zusatzbeschaffungen». So will man mehr von dem beschaffen, was man schon hat. Entscheidend ist ebenso, was auf dem Markt überhaupt verfügbar ist. Und schliesslich werden die Zusatzbeschaffungen auf die bestehenden Grundlagenberichte ausgerichtet.
Für die nächsten Jahre stehen folgende Rüstungsvorhaben auf dem «Poschtizettel» der Armee – bereits mit Preisschild versehen:
2023
- Modernste PAC-3-MSE-Lenkwaffen für das «Patriot»-Flugabwehrsystem (400 Mio. Franken)
- Zusatzbeschaffung und vollständige Ausrüstung von geschützten Radfahrzeugen für Panzersappeure (200 Mio.)
- Zusätzliche Munition zur Erhöhung der Durchhaltefähigkeit (200 Mio.)
- Zusätzliche Sturmgewehre und Maschinengewehre (30 Mio.)
2024
- Geschützte Führungsfahrzeuge Mowag Eagle V 6x6 als Ersatz für die über 60-jährigen M113-Führungsfahrzeuge (260 Mio.)
- Weitreichende Boden-Boden-Raketen, um die Fähigkeitslücke bei der weitreichenden Panzerabwehr zu schliessen (200 Mio.)
- Zusatzkredit für die Digitalisierungsplattform im VBS-Rechenzentrum (130 Mio.)
- Passivradar zur Luftüberwachung zur Verdichtung des Luftlagebildes (120 Mio.)
- Werterhalt der Pilatus-Flieger PC-7 Turbo Trainer (60 Mio.)
- Einheitliche Verschlüsselungslösungen (50 Mio.)
- Standardisierte Verwaltung von digitalen Identitäten (40 Mio.)
- Zusatzkredit für Kommunikationssysteme des Flugfunkbodensystems 20 (20 Mio.)
- Mini-Drohnen zur Aufklärung auf taktischer Stufe (20 Mio.)
Weitere Milliarden eingeplant
Für die darauffolgenden Jahre sind die Investitionskosten nur grob zusammengefasst und nicht mehr detailliert aufgeschlüsselt. Das geschätzte Investitionsvolumen beläuft sich 2025 auf rund 1,5 Milliarden Franken. Geplant sind dann etwa die Nutzungsdauerverlängerung der Leopard-Kampfpanzer, ein teilmobiler Radar grösserer Reichweite für die Überwachung des mittleren und oberen Luftraums. Ebenso jeweils eine weitere Tranche geschützter Führungsfahrzeuge und Mini-Drohnen.
In den Jahren 2026/27 sollen rund 2,8 Milliarden Franken investiert werden. Zu den wichtigsten Ausgabeposten gehören Artillerie-Unterstützungsfeuer für Boden-Boden mit mittlerer Reichweite, die die Panzerhaubitzen ablösen sollen. Ebenso die bodengestützte Luftverteidigung mittlerer Reichweite zur Bekämpfung von Zielen im unteren und mittleren Luftraum wie etwa Marschflugkörper, bewaffnete Drohnen oder Kampfflugzeuge. Weitere Investitionen sind in Lastwagen, elektronische Kriegsführung oder Unterstützungsbrücken-Trägerfahrzeuge für die Genietruppen vorgesehen.
Auch neue Helikopter auf der Wunschliste
Und schliesslich wird in der Präsentation auch die mittel- und langfristige Planung skizziert. So sind im Zeitraum von 2028 bis 2035 Investitionen in die Luftlagebild-Sensorik, in den Fähigkeitserhalt geschützter Mannschaftstransportfahrzeuge und in den Lufttransport (Helikopter) sowie die bodengestützte Luftverteidigung eingeplant.
Der Armeestab betont aber, dass die Rüstungsvorhaben und Investitionsbeträge auf der Annahme beruhten, «dass die Armeeausgaben bis 2030 schrittweise auf 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts erhöht werden». Wobei es sich auch stets um eine rollende Planung handle.
Schliesslich zeigten die Armeeverantwortlichen auch auf, welche Hauptsysteme in den nächsten Jahren ausser Dienst gestellt werden sollen. Dazu gehören die Tiger-Kampfjets, der Panzerjäger 90, das Fliegerabwehrsystem Rapier und der Pilatus PC-9.
Salzmann: «Sinnvolle Investitionen»
Mit dem Papier liefert die Armee dem Parlament eine wichtige Diskussionsgrundlage. «Die Armee wurde ständig kritisiert, dass sie mit den zusätzlichen Geldern nichts anzufangen wisse. Mit ihrem neuen Investitionsplan hat sie ihre Bedürfnisse konkretisiert und diese Kritik nun widerlegt», sagt SVP-Ständerat Werner Salzmann (59, BE) zu Blick. Dass die Liste den Weg an die Öffentlichkeit gefunden hat, verwundert ihn.
Er sagt aber: «Der Armeestab hat aufgezeigt, wie die zusätzlichen Gelder sinnvoll investiert werden können.» Hauptsächlich gehe es dabei um Projekte, die vorgezogen werden sollen, erklärt der Präsident der ständerätlichen Sicherheitskommission. «Wir müssen in den nächsten Jahren die Verteidigungsfähigkeit unserer Truppen wieder hinbringen.»
Allerdings, in Stein gemeisselt ist die Planung nicht. Je nach Entwicklung können sich die Bedürfnisse ändern. Und das Parlament entscheidet jedes Jahr neu über das Rüstungsbudget. Salzmann weist noch auf einen weiteren Stolperstein hin: «Rüstet wegen des Ukraine-Kriegs die ganze Welt auf, dann ist offen, ob wir auf dem Markt alles beschaffen können, was wir brauchen.»