Genf ist ein Tummelplatz für Spione. Und laut dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) könnte die Agenten-Dichte in näherer Zukunft sogar noch zunehmen. Weil andere Staaten russische Spione wegen des Ukraine-Kriegs ausgewiesen haben, sei möglich, dass Russland die Kräfte in Staaten wie die Schweiz verschiebe, warnt der Geheimdienst im heute veröffentlichten Jahresbericht zur Sicherheitslage in der Schweiz.
Der Bundesrat hatte entschieden, russische Diplomaten nicht allesamt auszuweisen, obwohl geschätzt wird, dass etwa ein Drittel von ihnen Agenten sind. In der Bundespolitik sorgt das teilweise für Unverständnis. «Worauf wartet der Bundesrat? Warum werden die vom NDB entlarvten ‹Diplomaten› und andere Spione nicht endlich ausgewiesen?», fragt Mitte-Ständerätin Andrea Gmür (57) auf Twitter.
Die Bedrohung durch Spionage habe in den vergangenen Jahren zugenommen, sagte der neue Geheimdienstchef Christian Dussey (56), der seit April im Amt ist, an einer Medienkonferenz. Der Kampf dagegen sei schon immer eine Priorität des NDB.
Seit dem Ukraine-Krieg habe der Geheimdienst keine Zunahme illegaler Geheimdienstaktivitäten Russlands in der Schweiz festgestellt. Aber: «Die Cyber-Bedrohung hat sich erhöht», so Dussey. Behörden, internationale Organisationen und Unternehmen würden regelmässig Ziel von Cyberangriffen. «Die Gefahr bleibt real.»
Terror-Bedrohung weiterhin erhöht
Laut Dussey werde die Sicherheitslage immer komplexer, das Spektrum der Bedrohungen nehme zu. Weiterhin ein Risiko stellen Terrorismus und Extremismus dar.
Die Terrorbedrohung für die Schweiz bleibe «erhöht», schreibt der NDB in seinem Bericht. Terroristen könnten «aus Opportunität ein Schweizer Ziel hierzulande oder im Ausland oder ausländische Interessen in der Schweiz angreifen». Das wahrscheinlichste Szenario sei ein Anschlag eines dschihadistisch inspirierten Einzeltäters «mit einfachstem Modus operandi».
Corona-Extremismus auf dem Radar
Zugenommen hat 2021 im Vergleich zum Vorjahr die Zahl rechtsextremer Gewalttaten. 38 sogenannte Ereignisse hat der NDB vergangenes Jahr beobachtet, 2020 waren es 21. Viel höher ist aber die Zahl linksextremer Gewalttaten. Im vergangenen Jahr hatte der NDB 202 auf dem Radar. Ein spezielles Augemerk legte der Geheimdienst seit vergangenem Sommer ausserdem auf den Corona-Extremismus. 35 Ereignisse habe man in diesem Zusammenhang festgestellt.
«Die gesellschaftliche Polarisierung und Fragmentierung geht mit dem Risiko von gewalttätigem Extremismus einher», hält der NDB fest. Der gewalttätige Corona-Extremismus sei dafür ein Beispiel. Mit dem Ende der Pandemie sei es aber wahrscheinlich, dass sich die Szene beruhige und verkleinere. Wobei es gut möglich ist, dass sich gewaltbereite Personen ein neues Thema finden, dem sie sich zuwenden. (lha)