Viola Amherd (60) setzt eigene Schwerpunkte – und schüttelt ihr Verteidigungsdepartement kräftig durch. So soll die Armee nicht nur weiblicher und umweltfreundlicher werden. Ihr neuster Coup: Fast im Alleingang krempelt die Mitte-Bundesrätin die Schweizer Sicherheitspolitik um. Mit einem neuen Staatssekretariat will sie die Kräfte bündeln, verkündete sie Ende April.
In Parlament wie Armeekreisen kommt das nicht nur gut an. Für Stefan Holenstein (61), Präsident des Verbands Militärischer Gesellschaften, setzt Amherd die Prioritäten unglücklich: Zuerst brauche es ein klares Konzept für eine glaubwürdige Landesverteidigung. Mit dem neuen Staatssekretariat aber werde «die Stellung der Armee weiter geschwächt und die Verwaltung aufgebläht».
Gesamtstrategie fehlt nach wie vor
Ganz andere Probleme mit dem neuen Staatssekretariat hat SP-Nationalrätin Sarah Wyss (34). Inhaltlich hat sie nichts einzuwenden. Dass aber der Bundesrat nicht zum ersten Mal ohne jede Rücksprache mit dem Parlament ein neues Bundesamt schafft, erachtet sie als fragwürdig.
Das kommt auch bei der SVP schlecht an. Sie wirft Amherd eine «verdeckte Agenda» vor: Statt die Verteidigungsfähigkeit der Schweizer Armee zu stärken, wolle sie diese «auf Nato-Tauglichkeit trimmen». So werde die Sicherheit der Schweizer Bevölkerung geschwächt statt gestärkt.
Lange schwelender Streit bricht offen aus
Der Vorwurf der Strategielosigkeit wird auch in der Panzer-Debatte laut. Während sich Amherd und Armeespitze offen zeigen, eingemottete «Leos» an Berlin zu verkaufen, wehren sich Offiziere vehement. Auch SVP-Ständerat Werner Salzmann (60), Präsident der Sicherheitskommission, will davon nichts wissen, «bevor man die Verteidigungsdoktrin der Armee neu definiert hat». Der lange schwelende Streit über die Ausrichtung der Armee ist offen ausgebrochen.
Auch sonst werden im Parlament zahlreiche Baustellen bei Armee und VBS erkannt, bei denen der Handlungsbedarf gross wäre. So kommt es bei Beschaffungen regelmässig zu Mehrkosten in Millionenhöhe und teilweise mehrjährigen Verzögerungen.
«Wir hören immer wieder Begründungen, warum es nicht geklappt hat», sagt SVP-Nationalrat Mauro Tuena (51). Der Präsident der nationalrätlichen Sicherheitskommission findet: «Die Probleme sind seit Jahren bekannt, werden aber nicht gelöst.»
Das bedeutet aber auch: So manches Problem hat Amherd bereits von ihren Vorgängern geerbt.
«Amherd kümmert sich lieber um andere Themen»
Daneben warnt die Armee seit Jahren davor, dass ihr die Soldaten ausgehen. Auch hier würden Lösungen auf die lange Bank geschoben. «Amherd kümmert sich lieber um Themen wie Frauenförderung, die sie sich auf die Fahne geschrieben hat», monieren Sicherheitspolitiker. «Das tönt zwar gut, aber damit werden die Probleme in der Armee doch nicht gelöst.» Mit ihrer Forderung nach Frauenquoten bei Sportverbänden sei Amherd zudem grandios gescheitert.
Für Ärger sorgt auch das Hüst und Hott beim Armeebudget. Oder der im VBS angesiedelte Nachrichtendienst, der immer wieder mit illegalen Schnüffeleien und Fichierungen negativ auffällt. Nun wird er unter dem neuen Direktor Christian Dussey (58) umstrukturiert. Sämtliche Kader müssen sich auf ihre Stellen neu bewerben – alles andere als ein Vertrauensbeweis.
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Ein weiteres Beispiel: Erst kürzlich wurden Sicherheitslücken bei der Armee bekannt. So galt der ehemalige Sicherheitschef der Schweizer Luftwaffe wegen hoher Schulden und demzufolge Bestechungsgefahr als Risiko. Dennoch musste er seinen Posten erst nach Monaten räumen.
«Kann nicht mehr alles unter dem Deckel gehalten werden»
Bis zur Kampfjet-Abstimmung seien im VBS «die Reihen geschlossen» gewesen, wurde Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter (42) kürzlich von «20 Minuten» zitiert. Keine Kritik sei durch diese «Betonwand» nach aussen gedrungen. «Nun ist diese aufgebrochen, es kann nicht mehr alles unter dem Deckel gehalten werden», erklärt sich die Sicherheitspolitikerin die öffentlichen Querelen.
Für Salzmann sind es aber auch hausgemachte Probleme, die zu Unruhe in der Armee führen. So fehle noch immer eine Doktrin, wie wir unser Land künftig verteidigen wollen. «Es wird laut über den Verlauf von Panzern nachgedacht, obwohl noch gar nicht klar ist, ob sie nicht doch noch benötigt werden», so der SVP-Ständerat. «Das ist unlogisch und führt zu Verunsicherung.»
«Da muss sich Amherd nicht wundern»
Amherds neuer Kurs stösst immer mehr auf Widerstand. Alte Baustellen würden nicht gelöst, wichtige Projekte verzögert, neue Projekte nicht immer verstanden. «Es herrscht der Eindruck, dass auch intern Uneinigkeit herrscht. Und nach aussen werden widersprüchliche Signale gesendet», heisst es aus dem Parlament. «Da muss sich Amherd nicht wundern, wenn Gegenwehr entsteht.»