Der Ukraine-Krieg sorgt in der Schweizer Armee für rote Köpfe. So schiesst die Offiziersgesellschaft Panzer (OG Panzer) volles Rohr gegen das Verteidigungsdepartement VBS und die eigene Armeespitze. Vehement kämpft sie gegen Pläne, 25 eingemottete Leopard-Panzer an Deutschland zu verkaufen.
Berlin hatte angefragt, ob die Schweiz einen Teil ihrer Panzer abtreten könnte. Sie sollen Lücken in eigenen Beständen stopfen, nachdem Deutschland Panzer in die Ukraine geliefert hat. Verteidigungsministerin Viola Amherd (60) und Armeechef Thomas Süssli (56) zeigen sich offen. Neben den 134 «Leos» im Einsatz sind 96 seit Jahren eingelagert. Macht insgesamt 230, wovon 25 entbehrlich seien.
Die OG Panzer aber will nichts davon wissen. Im Gegenteil: Sie fordert sogar noch 70 zusätzliche Panzer!
Angriff mit Bodentruppen bleibt unwahrscheinlich
Das aber kommt sogar in den eigenen Reihen nicht nur gut an. Unrealistische Forderungen schadeten der Glaubwürdigkeit der Armee, findet Panzer-Major Michael Tschumi (38). Seit einem Jahr seien objektive Lagebeurteilungen kaum mehr möglich: «Die blosse Tatsache, dass in Europa wieder ein konventioneller Krieg stattfindet, wird als direkte Legitimierung der Notwendigkeit einer konventionellen Schweizer Verteidigungsarmee verwendet.»
In Militärkreisen rumort es gewaltig. Während die OG Panzer tobt, wird der Deal von anderen Offizieren verteidigt. Grosse Panzerschlachten blieben in der Schweiz unwahrscheinlich, zeigt ein Bericht des Bundes, der nach Kriegsausbruch veröffentlicht wurde.
Kalte Krieger wollen auf- statt umrüsten
«Konservative Stimmungsmacher» aber lehnten die aktuelle Ausrichtung der Armee als Abbau ab. Sie würden sie deswegen torpedieren, wird kritisiert. Die OG Panzer wünsche sich die Rückkehr zur Abwehr eines konventionellen bewaffneten Konfliktes – und wolle massiv aufrüsten. «Mehr ist mehr» und «ja nichts hergeben, was später vielleicht vom Parlament nicht mehr ersetzt werden könnte», laute die Devise.
Das löst Unverständnis aus. Die Strategie sei fachlich nicht belastbar, findet Panzer-Major Tschumi. Die Armee brauche tatsächlich mehr Geld – aber für einen umfassenden Schutz der Gesellschaft. Dabei seien zwar auch die Mittel der Panzertruppen zu modernisieren und Fähigkeitslücken zu schliessen. Gegen hybride Bedrohungen brauche es aber wohl sogar weniger «Leos» und dafür mehr Schützenpanzer, so Tschumi. Denn: «Ein direkter Angriff Russlands mit Bodentruppen ist auch in absehbarer Zukunft unwahrscheinlich.»
Militärverbände sind sich nicht grün
Während die OG Panzer mit mindestens 300 Panzern rechnet, kalkuliert das VBS denn auch ganz anders: Es geht von sechs Bataillonen à 28 Panzern aus, also 168 Stück. Daneben brauche es 12 Panzer zur Ausbildung sowie 25 als Reserve und für Ersatzteile. Macht 205. So blieben von den bestehenden 230 Panzern also 25, die für einen Rückverkauf infrage kämen.
Noch weiter geht der Verband Militärischer Gesellschaften Schweiz (VMG). Er will noch mehr Panzer an Deutschland verkaufen. Das beende die «unrühmliche Debatte». Als Ersatz solle die Schweiz rasch neue Kampfpanzer beschaffen. Doch selbst das VBS erkennt auf dem Markt derzeit keinen neuen Kampfpanzer, der sich innert nützlicher Frist beschaffen liesse.
Lange schwelender Streit bricht offen aus
Der VMG-Vorstoss stösst wiederum der Schweizerischen Offiziersgesellschaft (SOG) sauer auf. Solange eine verbindliche Verteidigungsstrategie nicht zu einem anderen Ergebnis komme, lehne sein Verband einen Verkauf oder eine Ausserdienststellung von Leopard-Panzern und den Kauf neuer Panzer ab, stellt SOG-Präsident Dominik Knill (64) klar.
Das Tohuwabohu in Militärkreisen scheint perfekt. Von einer einheitlichen Strategie kann nicht die Rede sein. Mit der aktuellen Panzer-Debatte bricht der schon lange schwelende Streit über die Ausrichtung der Armee offen aus. So wird es selbst für Sicherheitspolitiker im Parlament schwierig, sich in den Debatten um einen möglichen Panzer-Verkauf eine Meinung zu bilden.