Mitte-Nationalrat Alois Gmür (67) zeigt sich überrascht. «Bisher waren bewaffnete Drohnen bei uns nie ein Thema», erklärt das Mitglied der Sicherheitskommission. Stets sei nur von Aufklärungsdrohnen die Rede gewesen. Erst vor kurzem wurden die ersten zwei von insgesamt sechs israelischen Drohnen der Schweizer Luftwaffe übergeben – Jahre später als geplant.
Doch nun ist plötzlich alles anders. Jetzt prüft das Militär auch den Kauf bewaffneter Drohnen, wie Armeechef Thomas Süssli (56) erklärt. Nachdem das Parlament im letzten Jahr beschlossen hat, das Armeebudget deutlich zu erhöhen, will Süssli aufrüsten. Als Beispiel nennt der Armeechef die iranische Drohne Shahed-136, die über mehrere 100 Kilometer Ziele präzise treffen kann.
Noch vor kurzem wollte VBS nichts davon wissen
Sie sind hochpräzise und tödlich: Kampfdrohnen wurden gerade im Ukraine-Krieg immer wichtiger. Sie zerstören feindliche Panzer, aber auch zivile Einrichtungen. Solche militärischen Erfolge blieben auch im Bundeshaus nicht unbemerkt. Schon im vergangenen Juni forderte die SVP in einem Positionspapier zur Schweizer Armee die «rasche Einführung bewaffneter Drohnen».
Doch damals wollte das Verteidigungsdepartement (VBS) von Mitte-Bundesrätin Viola Amherd (60) davon nichts wissen. Bewaffnete Drohnen seien zurzeit «kein Thema», erklärte das VBS gegenüber der «NZZ am Sonntag» noch vor kurzem.
Wie es zu dem kurzfristigen Sinneswandel gekommen ist, konnte das VBS am Montag noch nicht abklären. Klar aber ist: Es liege bisher noch kein konkretes Projekt vor. Dennoch nimmt die SVP die Pläne mit Befriedigung zur Kenntnis: «Ich bin froh, nimmt der Armeechef die Forderungen der SVP jetzt doch noch auf», sagt SVP-Nationalrat Mauro Tuena (51), Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission.
Die Frage, was zum Meinungsumschwung geführt hat, bleibt auch am Dienstag unbeantwortet. Die Armee weist aber darauf hin, dass die Schweiz heute über keine Systeme zur indirekten Feuerunterstützung verfüge, die über 100 Kilometer wirken können. Ob diese Fähigkeit künftig notwendig sein wird, werde derzeit geprüft. «Dazu sind neben Präzisionsmunition ab Kampfflugzeug auch bewaffnete Drohnen denkbar», heisst es bei der Armee. Dabei würden auch Erkenntnisse aus dem Ukraine-Krieg berücksichtigt.
Kampfdrohnen sind im Parlament umstritten
Im Parlament sind Kampfdrohnen umstritten. FDP-Nationalrat Matthias Jauslin betonte damals in der «NZZ am Sonntag», dass Kampfdrohnen eine «sehr hohe Wirkung» erzielen könnten – «ohne das Leben des Piloten zu gefährden». Das sei ein gewaltiger Vorteil, deshalb müsse das VBS die Beschaffung «ernsthaft prüfen».
Gar nichts von Kampfdrohnen hält die Linke. Im Falle der neutralen Schweiz könne sie solche gar nicht nachvollziehen, meint SP-Sicherheitspolitikerin Priska Seiler Graf (54). Es sei unklar, in welchem Szenario solche Drohnen dienen sollen. «Gegen welchen ‹Feind› brauchen wir das?», fragt sich Seiler Graf. «Was wir aber dringend bräuchten, wäre endlich eine wirksame Antwort bei der Drohnenabwehr, also für die Defensive. Da haben wir nach wie vor nichts.»
Auch Mitte-Nationalrat Gmür fragt sich, wie solche Kampfdrohnen im Verteidigungsfall konkret eingesetzt werden sollen. «Bisher habe ich solche bewaffneten Drohnen vor allem als Angriffswaffe wahrgenommen», stellt er klar. Gehe es dann um eine konkrete Beschaffung, werde das im Parlament sicher noch vertieft diskutiert.